Economy | Gericht

Sieg der Aktionäre

120 zurückgetretene Volksbankaktionäre haben vor dem Bozner Landesgericht Recht und eine Entschädigung bekommen. Ist das nur der Schneeball, der zur Lawine wird?
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Foto: Othmar Seehauser
Die Volksbank wird mit Sicherheit Rechenschaft ablegen und den Sparern, die in ihre Aktien investiert haben, klare Antworten geben müssen“, sagt Walter Andreaus, Vorsitzender des Aktionärskomitees Südtirol.
Andreaus und die Anwälte Massimo Cerniglia und Alessandro Caponi haben diese Woche vor dem Bozner Landesgericht einen wichtigen und richtungsweisenden Sieg errungen. Der Richtersenat Maria Christina Erlicher als Vorsitzende, Werner Mussner als Berichterstatter und Cristina Longhi als Beisitzerin haben einer Klage, eingebracht von 120 ehemalige Volksbank-Aktionäre vollinhaltlich Recht gegeben.
 

Der Gerichtsstreit

 
Im Spätherbst 2016 wird aus der Genossenschaftsbank Volksbank eine Aktiengesellschaft. Bei einer solchen Umwandlung hat jedes Mitglied das Recht zurückzutreten und sich seine Anteile auszahlen zu lassen. Von den über 60.000 Volksbank-Aktionären nehmen rund 1.400 Mitglieder dieses Rücktrittsrecht in Anspruch. Betroffen sind 2.645.288 Stammaktien mit einem Gegenwert von insgesamt 32 Millionen Euro.
 
 
Anlässlich der Kapitalerhöhung 2015 hatte die Volksbank die Aktien um 19,65 Euro ausgegeben. Ein Jahr später legt der Verwaltungsrat den Rücktrittspreis für die Aktie aber bei 12,10 Euro fest. Diese Preisfestlegung, untermauert durch zwei Gutachten unabhängiger Experten, sorgte verständlicherweise nicht nur bei den ausgestiegenen Mitgliedern für breiten Unmut. 120 zurückgetretene Aktionäre klagten - vertreten vom Duo Cerniglia-Caponi -dagegen vor dem Bozner Zivilgericht.
 

Gutachten & Gegenklage

 
In dem Verfahren beauftragt das Landesgericht einen Sachverständigen zur Ermittlung des korrekten Rücktrittspreises. Im Juni 2018 lieferte der Mailänder Wirtschaftsberaters Giorgio Zanetti das Gutachten ab. Das Ergebnis: Der Gutachter legt den Aktienwert bei 14,69 Euro pro Aktie fest.
Die Reaktion der Bank erfolgt umgehend. Der Verwaltungsrat der Volksbank beschließt das Gutachten des Sachverständigen Giorgio Zanetti anzufechten. Die Volksbank-Führung unterstellt dem Gutachter zwei entscheidende Fehler. Zudem greift die Bank in die unterste Schublade, um die 120 Kläger zu bestrafen. Rund ein Drittel der Aktien, die durch das Rücktrittsrecht frei wurden, kauften andere Aktionäre auf. Die Bank beschloss, die restlichen zwei Drittel, die nicht verkauft wurden, selbst anzukaufen. Mit einer Ausnahme.
Doch Volksbank weigerte sich die Aktien jener Aktionäre zuzukaufen, die den Aktienpreis vor Gericht angefochten haben.
 
 
Anwalt Massimo Cerniglia spricht von einer „bewussten Ungleichbehandlung“ und klagt auch dagegen. Das Gericht legt fest, dass das vom Gesetz vorgesehene Rücktrittsrecht ohne finanzielle Einschränkungen bei allen Aktionären gleich gelten muss.
 

Die Entscheidung

 
Weil die Volksbank das Gutachten Giorgio Zanettis angefochten hat, ernannte das Gericht einen zweiten Sachverständigen: Den Bocconi-Professor Cesare Conti. Dieses Gutachten liegt inzwischen vor. Conti kommt legt den Wert der Volksbank-Aktie bei 11,04 Euro fest. Er würde damit sogar unter dem liegen, was die Volksbank ausgezahlt hat.
 „Contis Gutachten hat nur dann Bestand, wenn der Gutachter darin nachweisen kann, dass der Erstgutachter Zanetti augenscheinliche Fehler gemacht hat“, sagt Massimo Cerniglia bereits vor Wochen.
 
 
Genau das konnte der Gerichtsgutachter aber anscheinend nicht. Denn das Landesgericht Bozen hat am 16. Februar das Urteil hinterlegt und den Preis der Aktien mit 12,10 Euro festgelegt. Bestätigt wurde auch die Zahlung der Verzugszinsen in Höhe von 8 % pro Jahr für einen weiteren Betrag von über 200.000 Euro für die ehemaligen Mitglieder. Der Antrag zur Zahlung der Prozesskosten durch die Sparer wurde angelehnt. Die Sachverständigenkosten sind von beiden Parteien zu tragen.
Aus dem vorgenannten Rechtsstreit geht vor allem hervor, dass die Bank bei der Kapitalerhöhung von Ende 2015 von den Sparern einen, im Vergleich zu dem von Professor Conti ermittelten Preis von 11,04 € zum 30. Juni 2016, exorbitanten Preis von 19,20 Euro für ihre Aktien verlangt hat, mit einem Aufschlag von rund 74“, sagt Rechtsanwalt Massimo Cerniglia.
Darauf wird die Volksbank jetzt ihren Aktionären antworten müssen. Vor allem aber ist - laut Aktionärskomitee Südtirol - die Möglichkeit sich gerichtlich zu wehren, für gut 1.200 zurückgetretene Volksbankaktionäre immer noch offen.
Dann wäre dieses Verfahren für die Volksbank nur der Schneeball, der eine Lawine auslöst.