Culture | Gedenktag

Ach du heiliger Josefi

Hannes Rechenmacher ist pädagogischer Mitarbeiter und leitet das Büro der katholischen Männerberatungsstelle. Ein Gespräch zum (morgigen) Vatertag. Und zum Hl. Josef.
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Foto: Katholische Männerbewegung
  • SALTO: Zum 19. März – Josefitag, Vatertag – gibt es unzählige Mythen und Geschichten. Wie wird dieser Tag in der Männerbewegung begangen?

    Hannes Rechenmacher: Der Termin ist natürlich ein Fixdatum, ebenso wie das Datum des Hl. Nikolaus. Das sind zwei wichtige Termine für katholische Männer, bei denen der „klassische Mann“ weiß: Das gehört einfach dazu, da beteilige ich mich vielleicht auch selbst – als Zuhörer bei der Standespredigt oder eben sogar als Nikolausdarsteller. Begangen wird er mit eigenen liturgischen Feiern und Ansprachen und hie und da mit einem Umtrunk.

    Wer ist ein „klassischer Mann“? Wie beschreibt man einen solchen in der katholischen Kirche?

    Klischees und Prototypen sind immer auch problematisch, weil unterkomplex. Die meisten Männer in der Männerbewegung vor Ort sind meist älter, oft 70 plus. Sie beteiligen sich aktiv am Pfarrleben, haben oft über Jahrzehnte treu ihre Dienste geleistet. Aber sie wären jetzt vielleicht nicht jene, die sich in einer Kleingruppe mit Ich-Botschaften aus der Gefühlsebene einbringen. Natürlich gibt es auch eine bestimmte Bandbreite: Mein Vater zum Beispiel war – im Vergleich zu anderen Vätern – relativ modern, weil er sich am Gottesdienst aktiv beteiligt hat, z.B. beim Gesang.
     

    Nein, wir möchten ein neues Vaterbild fördern, das die wertvollen Elemente des „klassischen“ bewahrt.

  • Ziehvater Christi: Der Maler Guido Reni (um 1600) stellte Josef als einfachen Mann dar, der seinen kleinen Sohn zärtlich im Arm hält. Foto: Wikipedia

    Wie blickt man auf den Schutzpatron, den Heiligen Josef?

    Da muss man zwei Dinge unterscheiden. Erstens: Jesus muss einen biologischen Vater gehabt haben, insofern ist Josef eine historische Figur. Historische Figuren kommen immer aus ihrer Zeit, werden zugleich aber auch immer „zeitgenössisch“ rezipiert. Genauso ist es auch mit Josef: Er ist zum großen Teil immer auch das, was der Zeitgeist aus ihm macht. Zweitens: Spannend ist in diesem Zusammenhang auch das Nachdenken über religiöse Sprache, über die Bibel und darüber, wie sie funktioniert. „Äußere“ Dinge werden darin geschildert, aber gleichzeitig auch innere Erlebnisse – und für die muss man Bilder und Vergleiche finden, um sie auszudrücken. Das ist immer ein doppelter Prozess: Zuerst wird eine Erfahrung symbolisch verschlüsselt, dann vom Zuhörer entschlüsselt. Vorausgesetzt, dem Zuhörer ist die Aussage der Symbole vertraut. Wenn also Josef auf eine bestimmte Art und Weise dargestellt wird, steckt viel mehr dahinter als der nackte Sinn der Schilderung.

    Was sagt die Figur des Josefs seinen „Schäfchen“ über das Vatersein?

    Der Autor Heribert Prantl hat das gut auf den Punkt gebracht: Dadurch, dass die biologische Zeugung in der biblischen Erzählung zurückgestellt oder sogar ausgeblendet wird, wird das Patriarchat in Frage gestellt. Grundlegend ist zudem, dass Josef im biblischen Sinn „gerecht“ war, sprich: einen unbestechlichen inneren Kompass hatte. Den gilt es, in Stille und Zwiesprache mit Gott zu pflegen. Josef spürte, was richtig und was falsch ist und handelte dann auch danach. Die Schwachen zu schützen, ist dann nur die logische Folge – wozu es aber Mut braucht.

    Josef war ein Flüchtling, suchte Asyl …

    Genau. Und gerade in diesem Kontext benötigen wir dringend diesen inneren Kompass. Wer sich an Parteien und politischen Figuren orientiert, die das Asylrecht abschaffen wollen, kann vieles – was er nicht kann, ist: sich auf einen religiösen Hintergrund berufen. Das Asylrecht ist bereits im Ersten Testament grundgelegt und der Flucht-Kontext zentrales Element in der Geschichte um Josef, Maria und Jesus bei Matthäus.

    War er eine Vaterfigur, die im Hintergrund die Fäden zog?

    Ja, diesen Eindruck gewinnt man bei der Lektüre. Vielleicht auch aus dem einfachen Grund, dass von Josef keine einzige Äußerung überliefert ist. Mehr wert(e)-voll handeln, weniger reden – könnte man davon ableiten.

    Sie sind selbst Vater. In welcher Rolle sehen Sie sich?

    Also bei uns war das so: Meine Frau und ich haben beide Sozialpädagogik studiert. Da ist es natürlich klar, dass man Geschlechterrollen reflektiert und vieles anders, gerechter machen will. Ein befreundetes Paar aus Studienzeiten hat Erziehung, Haushalt und Beruf von Anfang an strikt 50/50 aufgeteilt und das eisern durchgehalten. Sie arbeiten beide bei der Diözese Rottenburg-Stuttgart und haben die Möglichkeit dazu. Bei uns hat es ab dem zweiten Kind angefangen, auseinanderzudriften. Und dann geht es schnell in Richtung klassischer Rollenaufteilung. Wir bemühen uns, aber von 50/50 sind wir doch entfernt.

  • Traum Josefs: Aus dem Perikopenbuch Heinrichs II. Eine sehr frühe Darstellung. Foto: Wikipedia

    Die katholische Männerbewegung gibt sich offen, will aber doch eigentlich das klassische Vaterbild schützen?

    Nein, wir möchten ein neues Vaterbild fördern, das die wertvollen Elemente des „klassischen“ bewahrt. Früher waren Männer schon mutig, wenn sie überhaupt mit dem Kinderwagen in der Öffentlichkeit unterwegs waren. Heute ist das anders. Heute geht es vor allem darum, wie Arbeit und Belastung zwischen den Partnern fair organisiert wird.

    Was sagen Sie zum Einwand mancher wirtschaftlich erfolgreicher „Macher“, die Männer, die zu Hause bei den Kindern bleiben, für „Versager“ halten?

    Inhaltlich ist das von Vorgestern. Wertehaltungen sind natürlich stark vom sozialen Milieu abhängig. Im katholisch aufgeklärten Umfeld und im Sozialbereich hat dieses Denken, Gott sei Dank, stark abgenommen. Es gibt viele positive Beispiele für neue Männerrollen. Zu verstehen, welche Werte tragfähig sind, ist aber vor allem eine Frage von Bildung und Bildungsarbeit. Die Krokodilstränen an der Schwelle zur Pensionierung („Hätte ich nur mehr Zeit für meine Familie gehabt!“) zeugen jedenfalls von keinen nachhaltigen Werteentscheidungen.
     

    Wenn man nach Südamerika schaut, führen Frauen dort de facto ganze Kirchengemeinden. 


    In der katholischen Kirche – und nicht nur dort – ist vieles immer noch männlich geprägt, und es wird oft gesagt, was Frauen zu tun hätten …

    Das Interessante ist, dass es kirchengeschichtlich am Anfang genau umgekehrt war: Das Urchristentum war ein Hort neuer Gestaltungsmöglichkeiten für Frauen. Je mehr allerdings das Christentum in die römische Gesellschaft „hineingewachsen“ ist, desto männlicher wurde es. Das gilt es, zügig zu korrigieren.

    Was gibt Papst Franziskus dazu vor?

    Er versucht, das auf einer Meta-Ebene zu lösen. Wenn man nach Südamerika schaut, führen Frauen dort de facto ganze Kirchengemeinden. Größere Mitbestimmung durch Synodalität führt auch zu Irritationen, ist aber unverzichtbar, wenn wir als Kirche überleben wollen.

    Das heißt: Der Schein bleibt männlich, aber es bröckelt. Während in der Politik wieder der starke Mann gefragt ist, der kompromisslos handelt …

    Ja, das ist interessant. Aber das ist auch so eine alte Männerkultur, ein altes Kampfschema. Ein Mann darf in der Politik nicht sensibel sein – das kommt nicht gut an. Und es wird immer noch mit zweierlei Maß gemessen: Wenn Männer aneinandergeraten, heißt es Machtkampf; wenn Frauen aneinandergeraten, ist sofort von „Zickenkrieg“ die Rede.