Arten gesucht
Auf Initiative des Naturmuseums Südtirol findet das internationale Projekt heuer erstmals auch bei uns statt. Vom 24.-26. April sind alle Interessierten aufgefordert mitzumachen und in den eigenen vier Wänden, am Balkon oder im eigenen Garten auf Entdeckungsreise zu gehen und so viele wildlebende Arten wie möglich zu melden.
Spricht man vom Artensterben, geht es nicht nur um einzelne Pflanzen oder Tiere und ihren Eigenwert, sondern um ihre Funktionen für die jeweiligen Ökosysteme, und damit auch um uns. Weil sie das Bewusstsein für die Artenvielfalt, vor allem im urbanen Raum, stärken wollten, haben die US-Amerikanerinnen Alison Young und Rebecca Johnson 2016 die „City Nature Challenge“ in ihren Städten San Francisco und Los Angeles ins Leben gerufen. Die Challenge: Welche Stadt schafft es innerhalb von drei Tagen am meisten verschiedene wilde Tier- und Pflanzenarten zu erfassen. Über 20.000 Einträge sammelten Laien und Hobbyforscher innerhalb der drei Tage. Für die beiden Forscherinnen ein Erfolg und eine Bestätigung, die Challenge fortzuführen. 2020 findet die Aktion weltweit in über 250 Städten statt und, angestoßen vom Naturmuseum Südtirol und mit Unterstützung der Abteilung Natur, Landschaft und Raumentwicklung des Landes, erstmals auch in Südtirol.
„Das Coronavirus hat zwar unsere Pläne gekreuzt“, sagt der Direktor des Naturmuseums Südtirol David Gruber, „doch lassen wir uns davon nicht aufhalten. Schließlich kann man auch zu Hause, im Garten, in der Garageneinfahrt oder am Balkon Insekten oder wilde Pflanzen entdecken. Der Verlust der Biodiversität ist ein großes Thema. Doch fehlt uns die Sensibilität dafür. Ich bin davon überzeugt, je mehr wir wissen, desto besser können die verschiedensten Tier- und Pflanzenarten auch geschützt werden. Und wie kann ich etwas besser kennenlernen, als wenn ich bewusst danach Ausschau halte.“
Facebook für Beobachtungsdaten
Die City Nature Challenge macht aus Laien Hobbyforscher, die über ihr Smartphone Daten zur Artenvielfalt erheben. Über die Kostenlose App iNaturalist kann jede und jeder einfach teilnehmen. Die App hält das Datum und den Ort der Naturbeobachtung automatisch fest. Entdeckt man ein Tier oder eine Pflanze, wird sie fotografiert und das Foto wie bei Facebook einfach hochgeladen. Basierend auf dem Standort schlägt die App eine Auswahl an möglichen Artbestimmungen vor. Alle TeilnehmerInnen, aber auch ExpertInnen, können, ähnlich wie beim gemeinsamen Korrekturmodus auf Wikipedia, ausgewählte Bezeichnungen für die Beobachtung bestätigen oder eine neue Bezeichnung vorschlagen.
Nicht nur Spaß - auch Wissenschaft
Die im Rahmen der City Nature Challenge auf iNaturalist eingesandten Daten werden von ExpertInnen des Naturmuseum Südtirol und des Biodiversitätsmonitorings Südtirol Eurac Research nachbestimmt. Alle Beobachtungen werden gespeichert und sind in der Datensammlung von iNaturalist einsehbar. Manche Datensätze und Arten sind für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und für regionale und internationale Vergleiche auch lange Zeit nach der City Nature Challenge für ihre Arbeit interessant.
Am Ende werden wir nur schützen, was wir lieben. Wir werden nur lieben, was wir verstehen. Und verstehen können wir nur, was man uns lehrt.
(Baba Dioum)
Auch wenn die City Nature Challenge in diesem Jahr nicht im Stadtgebiet, sondern auf Balkonen und in Gärten und aufgrund von Corona auch kein Wettbewerb zwischen den Städten stattfindet, hofft David Gruber auf die Teilnahme vieler Hobbyforscher. „Wenn man genau hinschaut, kann man vieles entdecken und die Welt mit anderen Augen sehen.“ Gruber selbst hat in der Einfahrt zur eigenen Garage kürzlich ein Waldveilchen und im Garten eine Tigerschnecke gefunden, iNaturalist sei Dank.