Society | Klima

Brücken & Asteroiden

Neulich haben sich Zeno Oberkofler und Majda Brecelj von Fridays for Future mit Cgil/AGB ausgetauscht. Worum es ging und wie es nun weitergeht, erzählen sie im Interview
Note: This article was written in collaboration with the partner and does not necessarily reflect the opinion of the salto.bz editorial team.
Zeno Oberkofler und Majda Brecelj bei einer der Demostrationen von Fridays for Future
Foto: Fridays For Future
„Cambiamento climatico, l’impegno dei giovani“ hieß eine Veranstaltung, die am 30. März im Kolpinghaus in Bozen stattgefunden hat. Anwesend bei dieser Podiumsdiskussion waren Zeno Oberkofler und Majda Brecelj von Fridays for Future, sowie die Generalsekretärin der Cgil/AGB Christina Masera. Personen, die ein Salto-Abonnement haben, finden HIER einen Bericht der Veranstaltung. Außerdem hat Salto Frau Brecelj und Herrn Oberkofler zum Gespräch gebeten.
Salto: Sehr geehrter Herr Oberkofler, sehr geehrte Frau Brecelj, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen. Erzählen Sie doch mal: Worum ging es bei der Podiumsdiskussion mit den Gewerkschaften?
 
Brecelj: Sehr gerne! Cgil/AGB haben die Podiumsdiskussion im Kolpinghaus organisiert und wir haben uns sehr über die Einladung gefreut. Uns ist die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften enorm wichtig und haben schon seit Längerem den Kontakt mit ihnen gesucht. Prinzipiell ging es bei dem Event darum, sich gegenseitig kennenzulernen. Also, dass die Gewerkschaften Fridays for Future kennenlernen, sehen wie wir arbeiten und aufgebaut sind. Daneben ging es bei der Diskussion auch allgemein um Klimaaktivismus. Uns ging es vor allem darum Einblick in unsere Arbeit zu geben und klarzumachen, welche Art von Unterstützung wir brauchen. Wir haben aber auch eine Menge Inputs zu Klimaaktivismus im Allgemeinen gegeben. Da kam ein schöner Austausch zustande. Man hat gemerkt, dass die Leute interessiert waren und viele Fragen gestellt haben. Das ist nicht immer so. Oft trauen sich die Menschen nicht, aber hier gab es wirklich viele Fragen und Inputs, zum Beispiel was wir von verschiedenen Arten des Aktivismus, wie zivilem Ungehorsam halten, oder wie wir über andere Bewegungen denken. Viele Personen haben auch Probleme aufgezeigt, die einfach effektiv da sind. Ein großes Thema waren auch die Schulen. Die Klimakrise sollte viel mehr im Unterricht thematisiert werden.
Oberkofler: Im Großen und Ganzen ging es um die gleiche Frage, die wir ganz oft gestellt bekommen: Was ist jetzt wichtig umzusetzen? Dann gab es auch ein paar Fragen zum Thema Mobilität und wie Majda schon gesagt hat, das Thema Schule. In manchen Schulen wird eigentlich schon viel über das Thema Klima diskutiert. Gleichzeitig sind Kinder und Jugendliche auch diejenigen, die sich oft am meisten mit dem Thema auseinandersetzen. Wir von Fridays for Future finden, dass man die Jugend unterstützen sollte. Aber nicht indem man sagt „Es geht um eure Zukunft. Ihr seid unsere letzte Hoffnung, weil wir es verbockt haben“, sondern indem man junge Menschen aktiv hilft die Klimaangst zu bewältigen und das System so umzubauen, dass auch für sie eine gute Zukunft möglich ist. Jungen Menschen wird häufig die Verantwortung zugeschoben, die Klimakrise zu lösen. Aber in Wirklichkeit geht das nur, wenn wir alle zusammenarbeiten und an einem Strang ziehen. Es ist wichtig, junge Menschen, die mit vielen Krisen und Problemen fast täglich konfrontiert werden – Klima, Krieg und so weiter – nicht noch mehr unter Druck zu setzen, indem man sagt, „ihr seid unsere letzte Hoffnung“. Sonst kann es sein, dass sie sich zurückziehen und mit dem Thema nichts mehr zu tun haben wollen und das wäre fatal.
 
Gibt es schon Pläne, wie die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften aussehen soll?
 
Brecelj: Konkrete Pläne gibt es noch keine. Wir haben aber mehrere Vorschläge gemacht. Zum Beispiel, dass man mal einen wirklich ganz großen Streik organisiert, auf nationaler Ebene und gemeinsam mit den Gewerkschaften. Uns wäre es wichtig das Thema nochmal aufzugreifen und dabei auch die Unterstützung der Gewerkschaften zu haben. Andererseits haben wir auch wieder betont, dass jeder uns unterstützen kann, indem jeder in seinem eigenen Umfeld die Sachen weiterbringt, wo er kann und Leute informiert. Kleine Schritte helfen natürlich auch, aber wenn wir wirklich etwas ändern und die Krise bewältigen wollen, muss Bewegung in die Sache kommen. Es geht leider nicht mehr darum, dass wir in unseren Büros kein Plastik mehr benutzen, sondern, dass wir das System ändern. Und dazu müssen wir uns gegenseitig informieren und so viele Menschen wie möglich erreichen. Das gilt gerade für große Organisationen mit vielen eingeschriebenen Personen. Deshalb haben wir auch darüber geredet, dass wir in Zukunft vielleicht Artikel von uns im Newsletter der Gewerkschaften veröffentlichen werden.
Oberkofler: Was für mich wichtig ist, ist, dass eine Brücke gebaut bzw. weitergebaut worden ist. Es gab in der Vergangenheit schon Klimastreiks, die von den Gewerkschaften unterstützt wurden. Auch in anderen Regionen Italien gibt es Zusammenarbeit von Fridays for Future und den Gewerkschaften. In der Toskana gibt es zum Beispiel viele gemeinsame Aktionen und Mobilisierungen von FFF und den Gewerkschaften, um die GKN, eine internationale Firma, die Teile für die Automobilindustrie und die Luftfahrt herstellt, umzustrukturieren. Und ja, am Ende der Veranstaltung gab es informelle Gespräche und wir haben da auch besprochen, dass falls es einen großen Generalstreik von Seiten der Gewerkschaften auf nationaler Ebene geben wird, man das mit einem Klimastreik kombinieren könnte. Auch um aufzuzeigen, wie eng die Themen Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit miteinander verbunden sind. Das sieht man zum Beispiel beim Thema Mobilität. Hier in Südtirol fehlt es weniger an Fahrzeugen um den ÖPNV weiter auszubauen, sondern an guten Arbeitsverhältnissen. Die Löhne sind zu niedrig und deshalb findet man keine Busfahrerinnen und Busfahrer. Das ist ein Problem, das man gemeinsam mit den Gewerkschaften angehen könnte, auch auf lokaler Ebene.
 
Bei der Podiumsdiskussion wurde auch gefragt, was Sie von verschiedenen Arten des Protestes halten. Verändert sich die Klimaschutzdiskussion gerade in diese Richtung?
 
Oberkofler: Ja. Eigentlich geht es beim Klimaschutz nur um ein Thema: die Sicherung unserer Lebensgrundlage und unserer Zukunft. Im Moment wird stundenlang über die Art des Protestes diskutiert, aber man überlegt nicht, warum es den Protest gibt. Nämlich weil unsere Erde, unsere Zukunft, auf dem Spiel steht. Und wenn man die Energie, die zum Diskutieren verwendet wird, stattdessen dazu benutzen würde eine Lösung zu finden und die Herausforderung, die jeden Tag größer wird, anzugehen, wüssten wir jetzt schon was zu tun ist. Nämlich so schnell wie möglich die Emissionen zu senken.
 
 
 
Sind durch das viele Diskutieren die Menschen vielleicht ein bisschen genervt von dem Thema Klima und Klimaschutz? Braucht es neue Ansätze um die Menschen zu erreichen?
 
Oberkofler: Wir gehen mittlerweile seit vier Jahren auf die Straße. Und ich kann mich an keine andere Bewegung in den letzten zehn Jahren erinnern, die sich so konstant für ihre Anliegen eingesetzt hat und es nach vier Jahren immer noch schafft, so viele Menschen zu mobilisieren. Allein bei der letzten Demo hatten wir um die 500 Teilnehmenden. Das zeigt, dass das Thema noch sehr wichtig ist, besonders für die junge Generation. Natürlich kann man sich nach vier Jahren überlegen, ob man vielleicht Aktionsformen wechseln kann, oder etwas Neues hinzufügen. Aber das wichtigste ist weiterhin aktiv zu bleiben. Denn die Kräfte, die alles so bewahren wollen, wie es jetzt ist und nichts verändern wollen, sind stark und warten nur darauf, dass die unterschiedlichen Gruppierungen nicht mehr so aktiv sind und niemand mehr über das Thema spricht. Das dürfen wir nicht zulassen. Aber dafür braucht es Konstanz und einen langen Atem. Wir dürfen uns keine schnellen Resultate erwarten, was wir brauchen ist eine nachhaltige Veränderung. Und die passiert nicht von heute auf morgen und auch nicht von einem Jahr aufs andere. In der Zwischenzeit tun wir was wir können und sind immer froh, wenn Menschen sich uns anschließen und neue Ideen einbringen. Oder auch selber eine Gruppe gründen und versuchen in ihrer eigenen Weise das Thema am besten voranzubringen. Es gibt keine perfekte Art das zu tun. Alles, was wir tun, ist immer irgendwo zu wenig, aber es ist trotzdem richtig und wichtig etwas zu tun. Wenn jemand also alternative Ideen hat, kann er oder sie gerne zu uns kommen. Wir freuen uns über jede Person, die aktiv wird.
Brecelj: Es wird oft gesagt, dass immer weniger Leute zu unseren Aktivitäten kommen. Aber ich glaube, das Gegenteil ist der Fall. Zumindest intern als Gruppe haben wir uns sehr stabilisiert und werden immer effizienter. Und man merkt, dass es immer mehr Interessierte an unserer Arbeit gibt und wir immer mehr Unterstützende finden. Auch immer mehr Erwachsene, die Lust haben sich einzubringen und eine Gruppe Oldies for Future, die sich auch bald vorstellen werden. Und wie Zeno schon gesagt hat: Wir sind mit offenen Armen hier und sind über alle froh, die aktiv werden, auch mit neuen Ideen.
 
Apropos Kräfte, die alles beim Alten lassen wollen: Die italienische Regierung hat vor Kurzem angekündigt strenger gegen Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten vorgehen zu wollen. Möchten Sie das kommentieren?
 
Brecelj: Ehrlich gesagt, finde ich das lächerlich. Das ist nur der neueste Versuch die Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu lenken. In Wirklichkeit haben die Bewegungen, um die es bei dieser Diskussion geht, nie wirklich ernsthaft etwas beschädigt oder jemandem etwas getan. Im Gegenteil: Es sind extrem vorsichtige Bewegungen, die sich genauestens darüber informieren, welche Materialien sie bei ihren Aktionen verwenden, welche Bilder sie beschmieren, ob da Glas davor ist, dass sie ja den Rahmen nicht beschädigen und so weiter. Aber darüber wird natürlich nicht geredet, denn dann könnte man ja nicht mehr schlecht drüber reden. Ich meine, es ist immer noch besser, dass die Leute schlecht über uns reden, als wenn sie es gar nicht tun würden. Das ist ja auch irgendwo unser Ziel. Aber wie es auch Riccardo dello Sbarba sehr schön gesagt hat: Viele Menschen schauen auf den Finger, aber der Finger zeigt auf den Asteroiden, der auf uns zurast. Aber alle sehen halt nur den Finger. Und das macht mich wütend.
Oberkofler: Ich finde es auch sinnlos. Irgendwann wird jede Regierung sich mit dem Thema Klimaschutz auseinandersetzen müssen, auch eine so klimafeindliche, wie wir sie aktuell in Italien haben. Irgendwann wird sie das Problem anerkennen müssen, weil sie mit der bitteren Realität konfrontiert werden wird. Das sehen wir jetzt schon mit der Wasserknappheit, die ein riesiges Problem ist für Italien. Die Regierung hat jetzt schon einen Sonderkommissar ernennen müssen, der sich mit dem Thema Wassermangel befasst. Und das nicht, weil die Regierung in diesem Bereich besonders engagiert ist. Im Gegenteil, sie hat das Problem bis jetzt ignoriert. Aber das Problem ist da und wird auch in Zukunft nicht kleiner werden. Das Problem ist die Klimakrise.
 
Ein Beitrag von Jenny Cazzola