Culture | Salto Afternoon

Die Kunst des Sozialen

Am Bozner Rorhof werden in Zukunft nicht nur Bücher gemacht. Es entsteht ein neuer Ort für Kunst, inmitten der so institutionell geprägten Südtiroler Monokulturlandschaft
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Foto: Rorhof

Für BuchliebhaberInnen steht der Name Rorhof seit Jahren für qualitativ hochwertige Buchkunst. Seit April 2021 für einiges mehr. Der Fotograf und Verleger Nicolò Degiorgis pflegt nämlich mit seinem Bruder und FreundInnen das Bozner Gehöft auf noch nachhaltigere Art und Weise als zuvor. Neben zahlreichen Erneuerungen kann der Rorhof beispielsweise auch mit einer fein gestalteten und gut bestückten Bibliothek aufwarten: „Das ist ein konzeptioneller und konkreter Raum. Hier werden Ideen gesammelt, neu gemischt, zurückgesetzt, überdacht, überarbeitet, optimiert, überprüft und neu verteilt“, sagt der Buchlandwirt Degiorgis und erklärt den Buchbestand: „Unsere Bibliothek besteht aus Büchern, die am Rorhof geschaffen wurden, aus Schriften, die auf unserem digitalen Taschentuch zur Astrogalaxie veröffentlicht wurden, aus Texten unserer Ausstellungen, sowie aus Material, das wir inner- und außerhalb des Internets durchsuchen.“


Ist der unmittelbar vor der Abzweigung nach Jenesien gelegene Rorhof mit spezieller Hausbibliothek ein neuer Platz für Kunst und Kultur an Ort und Stelle? Nicht unbedingt. Der Rorhof dürfte nämlich schon vor über 150 Jahren als Kunstort in Erscheinung getreten sein, war er doch für einige Zeit im Besitz des Komponisten Anton von Mayrl. Der „vorzügliche Klavierspieler“ bildete viele Schüler in Klavier, Komposition und Ästhetik aus und hinterließ ein durchaus interessantes Schaffenswerk. 


Zurück in die Gegenwart. Die vor wenigen Wochen gegründete Sozialgenossenschaft Rorhof will in den alten Mauern neue Akzente setzen – mit Solidarität und nachhaltigem Denken und Tun. Unter den ebenerdigen Verlagsräumen, wurde ein Ausstellungsraum in den Keller gebaut, der am Mittwoch 19. Mai auch gleich mit einer ersten Ausstellung im Rahmen der Reihe SOS Art eröffnet wird. Gezeigt werden Arbeiten von Davide Sossella, einem ehemaligen Häftling, der in den Trentiner Judicarien lebt. „Davide unternimmt die Malerei als tägliche Therapie. Zu seinen Motiven gehören weinende Frauen und Kinder, umgedrehte Blumentöpfe, Pferde, Hühner, Truthähne, Bienen und Katzen“, verrät Degiorgis. Die Galerie im Rorhof soll sich als „fließender Behälter“ für Ausstellungen, als Werkstätte, als Raum für Installationen und Residenzen etablieren. In der hauseigenen Tischlerei werden zudem Rahmen und Möbel hergestellt.
Gemeinsam mit seinem Bruder Michele Degiorgis, mit Allegra Baggio Corradi und Federica Di Giovanni will die neugegründete Sozialgenossenschaft ihr Angebot erweitern und neben der Veröffentlichung von Büchern, Postkarten, Fanzines, der Durchführung von Archivierungsprojekten, der redaktionellen und kuratorischen Beratung für visuelle PraktikerInnen, KünstlerInnen und ForscherInnen, das Betätigungsfeld Schritt für Schritt ausbauen.

Nicolò sieht. 
Michele macht.
Allegra schreibt.
Federica näht Nicolò, Michele und Allegra zusammen.

Noch bis zum 23. Juni wird jeden Mittwoch die Umwandlung von Rorhofes in eine Sozialgenossenschaft gefeiert. Zwischen 16.00 und 19.30 Uhr erläutern Verleger und Landwirte ihre Aktivitäten durch Präsentationen, um damit einen Dialog zwischen Kultur und Landwirtschaft herzustellen.