Der Wirtschaftsbericht
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2023 verringerte sich das Wirtschaftswachstum in der autonomen Provinz Bozen. Nach dem von der Banca d'Italta errechneten Quartalsindex der regionalen Wirtschaft (ITER) liegt der jährliche Zuwachs des BIP zu realen Werten in Südtirol knapp über einem Prozent. Diese Entwicklung sei etwas besser als auf nationaler Ebene. Die Verlangsamung spiegelt die schwache Dynamik sowohl der Inlandsnachfrage als auch der Auslandsnachfrage wider. Letztere ist auf die Schwierigkeiten der deutschen Wirtschaft zurückzuführen. Die Wachstumsaussichten für das laufende Jahr könnten der Bank zufolge ebenfalls durch diese Faktoren eingeschränkt werden; das Landesstatistikinstitut (ASTAT) erwartet für 2024 ein schwaches Wachstum des BIP.
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Wirtschaftslage der Unternehmen
Im vergangenen Jahr erfuhr die Industrietätigkeit eine Abschwächung. Die Banca d’Italia skizziert einen leichten Rückgang der Umsätze der Industriebetriebe mit Geschäftssitz in der Region. Für 2024 kündigen sich gleichbleibende Umsätze an. Was die Exporte betrifft, blieben diese in realen Werten fast unverändert zum Jahr 2022. Wachstum verzeichnen konnte hingegen die Baubranche, die von den Steuervergünstigungen für Renovierungen und energetische Gebäudesanierung profitierte. Auf dem Immobilienmarkt verzeichneten die Geschäfte nach dem starken Wachstum der letzten beiden Jahre einen deutlichen Rückgang von -15 Prozent, auch in Verbindung mit den steigenden Zinssätzen. Der Anstieg der Wohnungspreise in Südtirol lag weiterhin über dem nationalen Durchschnitt, wodurch das Gefälle immer größer wird und der Erwerb von Wohnungseigentum sich immer schwieriger gestaltet. Die Erschwinglichkeit von Wohnraum kann sich auf das Wachstum der lokalen Wirtschaft auswirken, dass es die Anziehungskraft des Gebiets für Arbeitskräfte beeinflusst. 2022 war der Erschwinglichkeitsindex für Wohnimmobilien in Südtirol viel höher als im nationalen Durchschnitt.
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Im Dienstleistungssektor hielt das Wachstum der Erlöse 2023 sowohl im Groß- als auch im Einzelhandel an. Der touristische Bereich des Sektors konnte mit einem historischen Höchstwert an Übernachtungen glänzen (+5 Prozent). Die Kapitalakkumulation der Südtiroler Unternehmen stagnierte hingegen. Durch anhaltende Unsicherheit stand diese Entwicklung unter dem Einfluss der gestiegenen Finanzierungskosten, die die Nachfrage nach Ausleihungen weiter einschränkten. Der durchschnittliche Zinssatz auf neue Ausleihungen zu Investitionszwecken erreichte im Dezember 2023 5,6 Prozent. Die Ausleihungen an die Wirtschaft sanken um etwa 5 Prozent. Dieser deutliche Rückgang ist auf Faktoren wie die rückläufige Nachfrage im Zusammenhang mit dem gesunkenen Investitionsbedarf zurückzuführen und betraf sowohl die kleinen als auch die mittleren bis größeren Unternehmen. Trotz der abgeschwächten Konjunkturlage und der gestiegenen Verschuldungskosten blieb die Finanzlage der Unternehmen insgesamt solide, begünstigt durch eine zwar rückläufige, aber im historischen Vergleich noch immer hohe Liquiditätsausstattung und eine von einem Großteil der Unternehmen als zufriedenstellend bezeichnete Ertragslage.
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Arbeitsmarkt und private Haushalte
Im Jahresdurchschnitt 2023 blieb die Anzahl der Beschäftigten im Vergleich zum Vorjahr stabil. Die Zunahme der Arbeitnehmer mit unbefristetem Vertrag hielt an, während die Anzahl der Selbstständigen zurückging. Die Arbeitslosenquote blieb weiterhin auf einem niedrigen Niveau von zwei Prozent. Obwohl das verfügbare Einkommen der Haushalte stieg, sank die Kaufkraft aufgrund der immer noch hohen Inflation. Wie in der Wirtschaft sanken auch die Ausleihungen an private Haushalte. Das Wachstum der Darlehen für den Erwerb von Wohnungseigentum, der häufigsten Form der Verschuldung der privaten Haushalte, kam zum Stillstand (0,2 Prozent gegenüber +7,2 Prozent 2022). Der Gesamtwert der neuen Darlehen sank im Vergleich zum Vorjahr um fast ein Drittel. Allgemein lässt sich festhalten, dass die Kreditvergabe sowohl an Privatpersonen als auch an Unternehmen 2023 spürbar zurückging.
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Demografie
„Die demografischen Entwicklungen geben Auskunft über das wirtschaftliche Schicksal eines Landes“, erklärt Michele Cascarano von der Banca d’Italia. Es ist offensichtlich, dass die Demografie einen großen Einfluss auf den Arbeitsmarkt und somit auch auf die Wirtschaft und das BIP hat. Von 2007 bis 2023 nahm die Bevölkerung in Südtirol um 10 Prozent zu. Grund hierfür war sowohl die positive Geburtenbilanz als auch der relevante Zustrom durch In- und Auslandsmigration. Das stärkere Bevölkerungswachstum ging mit einer Verschlechterung der Lage auf dem Wohnungsmarkt einher, die in der Provinz Bozen ausgeprägter war als im Rest Italiens. Im selben Zeitraum verzeichnet Südtirol aber auch eine Abwanderung von Hochschulabsolventen mit italienischer Staatsbürgerschaft. Zielländer der Abwanderer waren vor allem Deutschland, Österreich und die Schweiz.
In den kommenden Jahren wird der Anteil der älteren Bevölkerung stärker zunehmen. Die demografischen Szenarien des ISTAT (Italienisches Statistik Amt) für die Provinz Bozen sind zwar günstiger als die für Italien, stellen aber für 2042 einen Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in Aussicht. Den Berechnungen der Banca d’Italia zufolge werde sich die Erwerbsbevölkerung in den nächsten 20 Jahren im Vergleich zu 2022 um etwa vier Prozent verringern.