Culture | Literatur Lana

Taiye Selasi bei Literaturtagen Lana

Zum 29. Mal gibt es die Literaturtage in Lana, diesmal im Zeichen eines "Abenteuer des Auges": Überraschendes, Schillerndes, Poetisches im Gespräch mit Christine Vescoli.

Frau Vescoli, worum geht es bei den diesjährigen Literaturtagen in Lana, wie lautet das Motto?

Christine Vescoli: Unter dem Motto „Abenteuer des Auges“ verfolgen die Literaturtage Lana das Thema der Anschaulichkeit. Damit lassen sie sich auf ein poetisches Denken ein, das auf Bildlichkeit baut und Gedanken in keine Formel von Weltwissen steckt, sondern sie aus dem Drehmoment zwischen einem Sehen und Schreiben oder einem Sehen und Erkennen entwickelt.

Zur Eröffnung wird die "literarische Entdeckung des Jahres 2013", Taiye Selasi erwartet, wer ist die 1979 geborene Schriftstellerin?

Taiye Selasi ist eine neue, überraschende und starke Stimme der internationalen Literatur, die aus der kosmopolitischen Welterfahrung die Frage nach der Herkunft stellt und an der Frage entlang zieht, wie die Dinge denn letztlich zusammenhängen und nicht ohne Grund geschehen. Selasi ist Britin mit afrikanischen Wurzeln und amerikanischer Kindheit und ist gerade für eine Generation von Weltbürgern mit afrikanischen Wurzeln bedeutsam, für die sie den Begriff „Afropolitan“ geprägt hat und dafür weltweit Beachtung fand.

Inwieweit hat ihr Buch, "Diese Dinge geschehen nicht einfach so" bei den Literaturtagen Lana einen Platz, ein Thema?

Mit dem Roman eröffnen wir das diesjährige Lesefest und knüpfen damit einerseits an der Tradition an, die Lana immer über den Tellerrand hinaus schauen ließ und im Mai dieses Jahres etwa auf die arabische Lyrik blickte. Andererseits hat Taiye Selasi eine Sprache, die für uns gerade auch aus einer ungeheuren Kraft des Bildlichen lebt und Erkenntnisse gar nicht so sehr über die Begriffe und Reflexionen offen legt, sondern viel eher durch ein Erzählen über ein Glück (und Unglück) des Gegenwärtigen.

Wird mit dem Motto der Anschaulichkeit eine inhaltliche Diskussion der Jahresveranstaltungen weitergeführt, etwa anknüpfend an den Besuch Ruth Klügers im letzten Jahr?

Ja, genau das tun wir und die Frage freut mich, da sie auf ein verknüpfendes Denken aufmerksam wird: Was wir im letzten Jahr mit dem Thema des sechsten Sinns und der Geschichtsschreibung durch ein Ahnen verfolgt haben, führen wir heuer weiter, indem wir das Verhältnis von Poesie und Wissenschaft oder Logik so zu bestimmen versuchen, dass Literatur mehr oder etwas anderes ist als eine bloße Diskursverarbeitungsmaschine ist. Ihre Form von Wissen und Geschichtlichkeit und auch ihre Verbindlichkeit bezieht sie dann etwa aus einer Form, die im letzten Jahr mit Ruth Klüger auf eine Form des Ahnens und der Intuition baute und in diesem Jahr dieses innere Sehen auch in ein äußeres Sehen überführt.

Welchen Stellenwert hat die Literatur derzeit in Südtirol, angesichts klagender Kleinverlage und schließender Buchläden?

Klagen und Kulturpessimismus sind, glaube ich, häufig Anzeichen von großen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen und bewegen sich oft in einem vagen Unbehagen, das wiederum ein sehr geschärftes Sensorium für die historischen Möglichkeiten in sich birgt. So sehe ich auch die Stellung der zeitgenössischen Literatur, nicht nur in Südtirol: Zeiten, die so unsicher scheinen wie die jetzigen, machen wieder sensibler für die Haltung des Suchens und Ahnens statt der Begriffe und Etiketten.

Solche Ansätze sehe ich auch in der Südtiroler Literatur, sowohl in der Dichtung, gerade der Jungen, als auch in Ansätzen, die sich um neue performative Äußerungen bemühen. Freilich: Stimme und Gewicht der Literatur in der Öffentlichkeit sind zu klein. Die Reduktion auf das Wort ist nicht so beliebt wie andere Kunst- und Unterhaltungsformen. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass Literatur wirtschaftlich gesehen so uninteressant und ineffizient ist. Mit Literatur holt sich niemand Rendite. Und das Denken nach Renditen und Gewinnen ist in diesem Land nach wie vor prominent angesagt.

Literatur Lana hat sich an der Diskussion um ein Literaturhaus in Südtirol beteiligt, ist das Thema überhaupt noch aktuell?

So weit ich weiß, ist es derzeit in den Hintergrund geraten. Wir sind sicherlich interessiert daran und finden es wichtig, wenn der Kultur um das Wort herum ein offener und schöner Platz eingeräumt wird. Das muss wahrscheinlich durch kein Literaturhaus gewährleistet sein, aber eine größere, flexible und lebendige Struktur dafür wäre schön.

Hat es eine Begegnung mit Landesrat Philipp Achammer gegeben, wo die Fragen zur Literatur in Südtirol besprochen wurden?

Wir haben am Anfang des Jahres ein Antrittsgespräch mit Landesrat Achammer geführt und haben uns sehr konstruktiv und offen über literarische Dinge und ihre Entwicklung in Südtirol unterhalten. Dabei hat sich der Landesrat als ein sehr interessierter Politiker gezeigt, der auffällig schnell denkt und kombiniert und Zusammenhänge behände erkennt. Insofern hat er vielleicht auch verstanden, dass die Literatur, die ohnehin ein so kleines Feld in der Kulturförderung einnimmt, sicher nicht das Segment ist, wo der Sparstift am schnellsten angesetzt werden kann.  

Die Literaturtage Lana finden vom 19. bis 22. August 2014 im Schallerhof in Lana statt; erwartet werden neben Taiye Selasi die Schriftsteller Halyna Kruk aus der Ukraine, Xaver Bayer, Ulrich Zieger, Joseph Zoderer, Michael Donhauser, Brigitta Falkner sowie die filmischen und graphischen Beiträge von Peter Hamm und Ulli Lust.