Fotografische Tiefe
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Man hört immer wieder dieselben Fragen und Kommentare. „Die hast du doch handkoloriert, oder“, fragen die meisten Besucher und Besucherinnen. Oder noch schnöder: „Ist das gemalt?“.
Paul Dibiasi steht dann da, schüttelt den Kopf und lächelt verschmitzt. Oft erklärt er dann auch seine Technik.
Dann sagt er: „Das Wichtigste und Schwierigste ist die Suche nach dem richtigen Standort“. Dafür braucht er manchmal auch eine ganze Stunde. Dann macht er von diesem Punkt aus sieben Fotos. Das erste ist ein Foto, das die Szene so gut wie möglich festhält. Dann verändert er die Blenden. Eine Blende höher und eine Blende tiefer. Mehrmals. Am Ende dann legt er die einzelnen Fotos übereinander. -
„Flüchtlinge ertrinken, Terroristen töten,
wir weinen wegen eines Fussballspiels“.Das Ergebnis ist eine überwältigende Formsprache und eine fotografische Tiefe wie man sie im digitalen Zeitalter kaum mehr sieht. Dibiasis Fotos sind Kunstwerke, die den Betrachter in den Raum, in das Gebäude oder in die Szene hineinziehen, die sie darstellen. Das Auge verliert sich.
Paul Dibiasi (68) lange Werkstattleiter und Geschäftsführer einer sozialen Einrichtung, inzwischen in Rente und nebenbei ein begnadeter Musiker, hat Anfang August in seinem Heimatdorf eine kleine, aber feine Ausstellung eröffnet. Auch der Ort der Ausstellung passt. Am Traminer Dorfplatz in der neuen Galerie Menapace im Haus seines im Dezember verstorbenen Freundes Werner Menapace. -
„Alte Menschen sind wie öffene Bücher,
doch nicht alle verstehen es, darin zu lesen.“„Synergie“ lautet der Titel der Ausstellung, die bewusst Fotografie und Literatur verbindet. Zwischen den Dibiasi-Fotos finden sich Installationen und Aphorismen* von Andreas Maier (in diesem Artikel auszugsweise wiedergeben). Der 50-jährige Traminer, gelernter Elektrotechniker, hat gemeinsam mit einem Partner erfolgreich ein Unternehmen aufgebaut. Dann plötzlich die Diagnose: bipolare Störung. Es folgen diverse Aufenthalte in der Psychiatrie. An eine Rückkehr in den Beruf war nicht mehr zu denken. „Mein Blick auf die Welt veränderte sich“, sagt Maier, der mit seiner Krankheit bewusst offen umgeht, „aus einem Gewinnmaximierer wurde ein Wanderer außerhalb von Raum und Zeit.“
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„Wer weiß, ob das, was für dich blau ist, ich als rot empfinde?“
In dieser Zeit entsteht eine Fotoserie, von einer ungeheuerlichen Poesie. Bilder in denen sich die großartige Architektur einer untergegangenen Epoche, die Ära des Industriezeitalters, mit den Graffitis und den Hinterlassenschaften einer neuen, jungen Generation vermischen. Auf diesen Bildern verschmelzen Grandezza, Schönheit und Technik, mit Wut, Zorn und Zerstörung. Darüber aber liegt die Patina reiner Kunst.
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„Beim genauen Hinschauen verwandelt das Kunstwerk
den Betrachter sowie der Betrachter das Objekt.“Oder die Fotos der alten Häuser. Etwa die Bilder der Kneipe Aurora am alten Fleimstaler Bahnhof in Auer. Oder des Ansitzes Romani in Tramin. Im ehemaligen Büro des herrschaftlichen Hauses liegen die Bücher und Dokumente verstreut. Den Staub kann man förmlich riechen.
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„Verdammt sei der Erste, der vier Fähnchen in die Erde steckte und sagte:
Das gehört mir.“Paul Dibiasi macht aber auch Landschaftsbilder. Auch diese Fotos passen kaum in den IDM-Katalog. Der Traminer Künstler hält den Menschen hier diskret und gekonnt einen Spiegel vor den Kopf, was wir aus der Natur gemacht haben.
Man sagt, Lesen ist Kino im Kopf. Hier aber machen die Bilder den Film.
* „Andreas Maier - ein Leben außerhalb von Zeit und Raum“, im Eigenverlag, Tramin 2024. -
Die Bildergallerie
Eine Auswahl der Bilder von Paul Dibiasi (klicken Sie auf das Bild)
Leider fehlen Angaben zur…
Leider fehlen Angaben zur Ausstellung. (bereits geschlossen?). Schade.