Society | Frauen in der Politik

Renate Gebhard: Dienstantritt mit Baby

Seit vergangener Woche ist sie wieder im Parlament im Einsatz – und stillt Baby Sebastian direkt über der Aula. SVP-Kammerabgeordnete Renate Gebhard über Mutterfreuden, ihre Exotinnenrolle und nächste Gesetzesprojekte.


Frau Gebhard, die zweite Woche in Rom mit Baby in Rom hat begonnen. Läuft es so, wie Sie es sich vorgestellt haben?

Renate Gebhard: Ja, ich muss sagen, mir geht es wirklich gut. Letzte Woche haben wir unsere neue Wohnung in Rom bezogen. Ich habe meine Tante als Kinderfrau bei mir, die meinen Sohn betreut, während ich in der Aula oder in Kommissionen bin und ihm mir zum Stillen vorbeibringt.

Wo stillt frau denn im römischen Parlament?
Ich habe dafür ein Zimmer zur Verfügung gestellt bekommen, gleich im zweiten Stock über der Aula. Wenn ein wenig mehr Zeit ist, gehe ich aber auch in mein Büro im Parlament.

Fühlen Sie sich dabei ein wenig wie eine Exotin?
Nein, überhaupt nicht, diese Exotinnenrolle beschränkt sich auf Südtirol (lacht). Ich bin hier bei weitem nicht die einzige junge Mutter im Parlament. Es gibt noch einige andere Parlamentarierinnen, die in den vergangenen Monaten ein Baby bekommen haben oder schwanger sind. In den Fraktionsbüros von PD oder 5 Stelle, gibt es hier Wickeltische oder gar eine Gehschule, wie mir erzählt wurde.  

Das heißt, die “onorevole mamma“ wird zur Normalität? 
Sagen wir, sie ist noch keine Selbstverständlichkeit, aber auch nichts besonderes mehr. Das hat ja auch die rege Diskussion über eine Kindertagesstätte im Parlament gezeigt. Für mich ist das alles ein gutes Zeichen, denn es heißt, dass sich unsere Gesellschaft im Parlament vermehrt widerspiegelt.

Sie sind mit ihrer Schwangerschaft vor einigen Monaten bewusst an die Öffentlichkeit gegangen. Als Ihr Sohn Sebastian geboren wurde, meldete es die Nachrichtenagentur Ansa gleich mit Bild. Wie ist das für Sie, mit einer so privaten Sache in der Öffentlichkeit zu stehen?
Vielleicht hab ich das öffentliche Interesse zu Beginn ein wenig unterschätzt. Mit der ersten Meldung über meine Schwangerschaft bin ich nicht selbst in die Öffentlichkeit gegangen, das ist mir die Südtiroler Tageszeitung zuvorgekommen. Als ich dann aber gemerkt habe, wie groß das Interesse war, war die Konsequenz, darüber auch öffentlich zu sprechen und mitzuteilen, dass das Kind geboren ist. Aber darüber hinaus möchte ich mein Kind aus der Politik heraushalten. Also, es wird weder Homestories noch sonstige private Geschichten geben.  

Wie waren bislang die Reaktionen auf Ihre Mutterschaft bzw. die Entscheidung, nun mit Kind ihre Arbeit wiederaufzunehmen?
Generell sind sie durchwegs positiv. Natürlich höre ich auch immer wieder kritische Stimmen und ich bin mir schon bewusst, dass ich mit Argusaugen beobachtet werde. Denn wenn ich richtig informiert bin, war die letzte Politikerin, die in Südtirol schwanger kandidiert hat, Sabina Kasslatter Mur. Doch ich hoffe einfach, dass wir uns als Gesellschaft langsam daran gewöhnen, dass es mehr junge Frauen und somit auch Mütter in der Politik gibt, das gehört einfach dazu.

Doch bislang herrscht es in unserer Gesellschaft in dieser Frage eher noch ein Glaubenskrieg. Bekommen Sie den nicht auch direkt ab?
Ja, teilweise schon. Von Vorwürfen bis hin zur Behauptung, dass eine politische Tätigkeit und ein Kind nicht vereinbar sind. Klarerweise muss man sich dafür organisieren, und ich brauche natürlich die volle Unterstützung meines Mannes und unserer Familien. Doch auch wenn ich „nur“ Anwältin wäre, hätte ich nun genauso wieder zu arbeiten begonnen, wie meine Arbeitskolleginnen auch. Wie lange die Elternzeit dauert, hängt eben auch ein wenig von der Berufssparte ab. Das beste Beispiel für mich ist die Gastwirtin. Wenn da in der Saison ein Kind kommt, läuft das Leben auch weiter. Also, für mich ist der Mutterschutz eine wichtige Errungenschaft. Doch ich würde mir wünschen, dass jede Familie selbst entscheiden kann, ob sie ihn in Anspruch nimmt oder nicht. Und beides gesellschaftlich akzeptiert wird.

Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass diese vielgerühmte Wahlfreiheit in vielen Berufen schlichtweg nicht gegeben ist, weil die Regel lautet, entweder ständig anwesend oder sonst eben weg vom Fenster zu sein.
Klar, wenn man das nicht sein will, muss man eben wieder anfangen, ob man will oder nicht. Hier gibt es sicher noch viel Aufholbedarf in Sachen Familienfreundlichkeit und Vereinbarkeit. Wobei ich für mich persönlich sagen muss: Ich will auch wieder anfangen. Ich habe mich wirklich gefreut, nach diesen sechs Wochen Auszeit wieder nach Rom zu gehen. Aber natürlich habe ich auch das Glück, dass das ganze Paket rundherum stimmt: Ich habe ein braves und feines Kind, mit geht es gut, und nicht nur mein Mann, sondern auch unsere beiden Familien stehen voll hinter mir und unterstützen uns.

Und wo setzen Sie jetzt mit ihrer Arbeit fort?
In der gesetzgebenden Kommission, in der ich sitze, ist unser Thema gerade die Neuregelung der Schadenersatzzahlungen bei Autounfällen. Aber ich arbeite derzeit auch an einem Gesetzentwurf zur Gleichstellung von Familienzulagen für verheiratete und nicht-verheiratete Paare. Und außerdem liegt auf meinem Schreibtisch auch noch ein Gesetzesentwurf für das Familiensplitting. Hier bin ich allerdings noch dabei abzuklären, ob Familien auf diese Art steuerlich begünstigt werden können, ohne dass Frauen den Anreiz erhalten, daheim zu bleiben. Denn ob man das gutheißt oder nicht – klar ist, dass das dieser Weg in die Armutsfalle führt. Und statt wieder einen Schritt rückwärts, sollten wir nun wohl endlich vorwärts gehen.