Vergabe sozialer Dienste: "Neue Regeln nötig"
Es braucht rasch eine neue, klare Regelung bei der Vergabe sozialer oder gesundheitlicher Dienstleistungen. Außerdem sollen neue Ausschreibungen bis auf weiteres ausgesetzt werden. Das fordern unisono die größten Südtiroler Non Profit-Organisationen, die entsprechende Dienste im Sozial- oder Gesundheitsbereich anbieten.
Die gemeinnützigen Organisationen Caritas Diözese Bozen-Brixen, der Dachverband für Soziales und Gesundheit, Legacoop - Bund der Genossenschaften, La strada-Der Weg, die Lebenshilfe Onlus und die Arbeitsgemeinschaft für Behinderte sind auch wichtige Dienstleister. Sie sorgen in Südtirol seit vielen Jahrzehnten für ein breites Angebot an essentiellen Diensten für die Menschen, die eine soziale oder gesundheitlichen Betreuung brauchen. Sie führen Tagesstätten und Wohnheime, sorgen für Personentransporte, bieten Begleitdienste, Nachmittagsbetreuung, Essen auf Rädern und Hauspflege, sowie Beratungen an.
„Wo dies im öffentlichen Auftrag erfolgt, galten früher Abkommen und Beauftragungen. Letzthin erfolgt die Vergabe immer öfter über Ausschreibungen. Damit kommt ein System zur Anwendung, das an kommerzielle Unternehmen ausgerichtet ist und den Notwendigkeiten dieses sensiblen Bereichs und der Identität der gemeinnützigen Organisationen keineswegs gerecht wird“, betonte Dachverband Präsident Martin Telser heute bei einer Pressekonferenz.
„Wir Non Profit-Organisationen sehen diese Entwicklung äußerst problematisch und haben bereits seit vielen Jahren darauf aufmerksam gemacht“, erklärte Caritas-Direktor Heiner Schweigkofler: „Für uns ist es derzeit höchst aufwendig und mit hohen Risiken verbunden sich an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen, hier kann ein Landesgesetz einen klaren Rahmen schaffen. Und es allen leichter machen.“
Heini Grandi, Präsident von Legacoopbund ergänzte: „Mit Rechtsgutachten und Beispielen aus anderen Regionen Italiens haben wir aufgezeigt, dass es durchaus alternative Vergabe-Formen geben kann, wenn dazu auch in Südtirol die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden.“
„Der Trend der Verwaltung, auf Nummer sicher zu gehen und anstelle der direkten Beauftragungen nur mehr Ausschreibungen vorzunehmen, hat vor allem jene Organisationen in Existenznot gebracht, welche rund um ein spezifisches Projekt entstanden sind, das sie – auch mit Unterstützung der öffentlichen Hand – meist über viele Jahre aufgebaut haben“, betonte Otto Saurer, Präsident von La strada-Der Weg. Doch auch für jene gemeinnützigen Trägerorganisationen, welche eine ganze Reihe von Diensten ausführen, ergeben sich gravierende Probleme, wenn ein Teil davon in Frage gestellt, oder eben nicht mehr weitergeführt werden kann.
Aktuelle Beispiele für die Problematik sind der Fahr- und Begleitdienst für Schüler/innen mit Behinderung, den die Lebenshilfe und die Arbeitsgemeinschaft für Behinderte anbieten, die Geschützte Werkstatt für Menschen mit Behinderung der GWB in Meran, die Geschützte Werkstatt, sowie Berufsvorbereitungs- und Ausbildungsstätte für Menschen mit psychischen Erkrankungen, geführt vom CIRS in Bozen, die Psychosoziale Beratung der Caritas im Vinschgau, oder die neue Ausschreibung des Transportdienstes für Menschen mit Behinderung im Pustertal.
„Für die betreuten Personen gestaltet sich die Situation nicht minder problematisch“, erklärte Wolfgang Obwexer, Direktor der Lebenshilfe: „Oft ist es ein jahrelang aufgebautes Vertrauensverhältnis, welches Gefahr läuft, plötzlich zerstört zu werden, weil möglichweise eine andere Einrichtung durch Lohndumping günstigere Wettbewerbsbedingungen hat. So kann es sein, dass auf Grund der Ausschreibebedingungen eine Firma den Dienst zunächst zugewiesen bekommt und dann vielleicht wegen mangelnder Qualität – nach langen Rechtsverfahren - wieder abgeben muss. Solche Prozesse lasten aber in ersten Linie auf den betreuten Personen.“
Aus diesen Gründen sprechen sich die angeführten gemeinnützigen Einrichtungen, auch in Vertretung ihrer Mitgliedsorganisationen und Fachdienste einvernehmlich und mit Nachdruck dafür aus, dass:
- von neuen Ausschreibeverfahren für soziale und sanitäre Dienste umgehend abzusehen ist, damit zuvor eine alternative Regelung getroffen wird
- bis dahin die bestehenden Aufträge provisorisch verlängert werden;
- eine neue, alternative Vergabeform vorgesehen und gesetzlich verankert wird, welche
* qualifizierte Dienste für die betreuten Personen,
* sicheres, langfristiges und professionelles Arbeiten für die gemeinnützigen
Organisationen und
* angemessene Kosten für die öffentliche Hand als Auftraggeber gewährleisten kann; - dieser Prozess mit einer umfassenden und partizipativen Gesamtplanung des Sozial- und Gesundheitswesens einher geht, wo geklärt wird, welche Basisleistungen auch künftig mit öffentlichen Mitteln gesichert bleiben müssen und können, wer hierzu die geeigneten Anbieter sind und wie bei den zuständigen Körperschaften die Funktion der Vergabe von jener der Eigenabwicklung klar differenziert werden kann.
„Es ist nicht so, dass wir uns nicht dem Wettbewerb stellen wollen. Wir sind auch für neue Entwicklungen offen, denn wir wollen die Dienstleistungen und Angebote für die betroffenen Menschen weiterentwickeln und verbessern. Landeshauptmann Arno Kompatscher und Landesrätin Martha Stocker haben bereits die Bereitschaft signalisiert, sich der Problematik anzunehmen. Wir hoffen, dass dies nun sofort und mit Nachdruck angegangen wird, um die Materie klar zu regeln“, so Martin Telser.