Politics | Interview

„Es kann nur besser werden“

Der Generalsekretär der CGIL Alfred Ebner sprach mit Salto über die neue italienische Regierung
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Kabinett Conte II
Foto: governo.it

salto.bz: Herr Ebner, Sie sagten einmal in einem Interview: „Das Beste Szenario für die Gewerkschaft ist immer eine solide Regierung, die in die Zukunft schaut und offen für Europa ist“. Wie solide schätzen sie die neue Konstellation Movimento 5 Stelle-PD ein?

Alfred Ebner: Meine damalige Aussage kann ich nur bestätigen. Wir brauchen eine solide und glaubwürdige Regierung. Wir haben als Gewerkschaft keine „Governi amici“ und wir beurteilen eine Regierung nach dem, was sie macht und auch, ob sie mit den Sozialpartnern den Dialog sucht.

 

Die aktuelle Regierung ist sehr Europa-orientiert. Aus Brüssel heißt es, Italien hätte seinen guten Ruf wiederhergestellt und seine Stimme zurückgewonnen. Bringt die neue Koalition in dieser Hinsicht positives für die Gewerkschaften mit sich?

Dass man wieder stärker nach Europa schaut erscheint mir derzeit positiv, ja. Dies ist notwendig, will man auch weiterhin mit den Großen auf der Welt – USA und China – auf Augenhöhe mitreden. Dafür braucht es aber ein anderes Europa, weitab von der bisher herrschenden Sparpolitik. Es gibt derzeit Vorschusslorbeeren, aber die Regierung muss nun beweisen, dass sie konstruktiv mitarbeiten will. Die abgewählte Regierung war in Europa alles andere als vertrauenswürdig, daher sind wir zuversichtlich, dass es nur besser werden kann.

 

Das Programm der neuen Regierungskoalition bleibt sehr vage. Beunruhigt das die Gewerkschaften? Oder versprechen Sie sich eine gute Entwicklung der 26 Punkte?

Wahlversprechen interessieren mich meist wenig, Regierungserklärungen zeigen zumindest die Prioritäten einer Regierung auf. Wer aber mit den Problemen der Angestellten und der Rentner konfrontiert ist, beurteilt die konkreten Maßnahmen einer Regierung.

 

Gibt es einen Bereich des Regierungsprogramms, von dem Sie sich besonders viel versprechen/ bzw. der Sie besonders beunruhigt?

Nein, es gilt nun abzuwarten. Die Annäherung an Europa und mildere Töne im Bereich der Einwanderung sind sicherlich positiv. Auch sind Steuererleichterungen für die unteren Einkommensstufen vorgesehen, ein Vorhaben, das mit der Linie der Gewerkschaft in Einklang ist. Investitionen in die Green Economy stehen im Regierungsprogramm ebenfalls weit oben. Gelder für eine ökologische Wirtschaft und die Digitalisierung sind unabdingbar und dürfen nicht als Neuverschuldung laut Stabilitätspakt berücksichtigt werden. Auch wir fordern seit langem eine derartige Regelung in der EU.

 

Einer der Kritikpunkte des Programms ist, dass es, genauso wie die Vorgängerregierung, Steuersenkungen und Mindestlohn vorsieht, ohne zu erklären, woher das Geld für diese Maßnahmen kommen soll. Sind die Pläne dennoch gut und notwendig, oder muss ein anderer Weg gefunden werden, um die Wirtschaft anzukurbeln und Arbeitsplätze zu schaffen?

Richtig ist eine Steuersenkung für die Minderbemittelten. Unsere Kritik an der Flat tax war, dass sie eindeutig die Besserverdiener bevorteilt. Gelänge es endlich, die Steuerhinterziehung zumindest teilweise einzudämmen, könnte man viele Probleme Italiens lösen und man würde auch das notwendige Geld auftreiben. Daran führt kein Weg vorbei. Die Niedrigzinspolitik der europäischen Zentralbank und ein dauerhaft niedriger Spread bedeuten weniger Zinsen auf die Staatsschulden und zusätzliches Geld für den Staat. Die Ankurbelung der Wirtschaft und des Konsums würde weitere Einnahmen garantieren.

 

Eine weitere Ausdehnung der Staatsschulden soll vermieden werden. Angesichts der geplanten Reformen scheint dies aber schwer vorstellbar. Wie glauben Sie, kann dieses Dilemma gelöst werden?

Es kommt auf die Schulden an. Investitionen in Infrastrukturen, digitale Netzwerke und erneuerbare Energien benötigen Geld. Die EU braucht eine expansive Investitionspolitik. Die Schuldenbremse ist auch eine Innovationsbremse und schadet der Wirtschaft und dem Klima.

Die Nagelprobe steht in den nächsten Wochen bevor: das Haushaltsgesetz. Die hohe Staatsverschuldung erfordert eine Gratwanderung zwischen Investitionen, Steuererleichterungen und den Regeln der EU. Der Sparkurs gerät immer stärker unter Druck und von vielen Seiten werden neue Regeln gefordert, was insbesondere für Italien Vorteile bringen würde.

 

Genau dieser Punkt wurde von Brüssel an der alten Regierung kritisiert. Nun hört man nichts mehr von Überschuldung und der Einhaltung der Drei-Prozent-Grenze. Glauben Sie, Brüssel wird Italien am Ende einen etwas breiteren Spielraum in seiner Schuldenlast gewähren?

Es fehlte bisher ein glaubwürdiges Projekt für die Zukunft. Man ging mit der EU auf Konfrontationskurs, um die Wahlversprechen einzuhalten. Die neue Strategie spricht hingegen von Schulden für Investitionen in die Zukunft. Diese müssen vom Stabilitätspakt ausgeschlossen werden. Auch hat Europa wohl kaum Interesse, den Populisten weiteren Auftrieb zu geben. Diese Regierung kann bei der Schaffung eines neuen Europas sicherlich mithelfen. Mehr Spielraum ist daher sicherlich möglich.

 

Digitalisierung, Datenschutz, Modernisierung der Arbeitswelt: das sind klassische Themenbereiche der 5-Sterne Bewegung. Wird das neue Regierungsprogramm diesen Fragen ausreichend gerecht?

Auch für die Gewerkschaft sind dies klassische Themen. Es gilt abzuwarten, welche konkreten Vorschläge eingebracht werden und ob es den Sozialpartner möglich sein wird, die eigenen Ideen einzubringen. Heute kann niemand genau sagen, was die Zukunft bringt. Sicher ist, dass man die Digitalisierung und die Veränderung der Arbeitswelt nicht aufhalten kann. Politik und Sozialpartner müssen diese Entwicklungen mitgestalten. Überlässt man alles den Unternehmen, wird es letztendlich nur einen Gewinner, aber viele Verlierer geben. Wer die Technik beherrscht, hat in Zukunft einen kaum einholbaren Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Dies ist aber gefährlich, will man sie für das Wohl aller einzusetzen. Forschung und Innovation sind nicht neutral. Es braucht hier Regeln und zwar nicht nur technischer Natur. Nicht alles was technisch möglich ist, ist auch ethisch vertretbar.