Politics | SALTO change

Pressefreiheit weltweit unter Druck

Sind Demokratien „out“ und autoritäre Führungsstile „in“? Was bedeutet das für die Pressefreiheit? Ein Blick in die Welt zeigt, es sieht nicht gut aus.
Karte der Pressefreiheit
Foto: Reporter ohne Grenzen eV
  • Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte eine weltweite Demokratisierungswelle ein. Nach dem Zusammenbruch des ehemaligen Ostblocks mit dessen nachfolgender Demokratisierung nach westlichem Muster, schien sich der Siegeszug der freiheitlich-demokratischen verfassten Staaten nicht mehr brechen zu lassen. 

    Heute allerdings scheint mit dem Aufkommen rechtskonservativer und autoritätsfreundlicher Politik eine postdemokratische Phase angebrochen zu sein. Diese These jedenfalls vertritt der englische Politikwissenschaftler Colin Crouch in seinem 2004 erschienen Buch „Postdemokratie“
     

    In 90 von 180 Ländern wird die Situation für Journalistinnen und Journalisten als „schwierig“ oder „sehr ernst“ bewertet – ein Rekordwert.


    Der Journalismus leidet in besonderem Maße unter dieser Entwicklung. Die Suche nach Wahrheit wird nach den Aussagen der renommierten und global tätigen Journalisten-Organisation „Reporter Sans Frontiers“ (RSF) immer stärker zum Berufsrisiko. Die unter Druck geratende Pressefreiheit wird zum Gradmesser des Entwicklungsstandes politischer Systeme, die Ausgangssituation und die aktuellen Perspektiven erscheinen besorgniserregend.  

    Im Mai 2025 präsentierte RSF alarmierende Zahlen: Die globale Lage der Pressefreiheit ist laut ihrem Index auf einem historischen Tiefpunkt angelangt. In 90 von 180 Ländern wird die Situation für Journalistinnen und Journalisten als „schwierig“ oder „sehr ernst“ bewertet – ein Rekordwert.

  • Der „World Press Freedom Index“

    Der jährlich im Frühling veröffentlichte „World Press Freedom Index“ vergleicht die Lage der Pressefreiheit in 180 Ländern anhand von fünf Kriterien, die Einfluss auf die Freiheit der Medienarbeit haben: 

    • Sicherheit 
    • politischer Kontext
    • rechtlicher Rahmen
    • wirtschaftliches Umfeld 
    • sozio-kulturelle Bedingungen 
  • Bedenkliche Entwicklungen in Italien

    Für Italien ergibt eine vertiefende Analyse des RSF-Index ein bedenkliches Gesamtbild. 2025 wird Italien auf Platz 49 von 180 geführt, ein Rückgang um drei Positionen im Vergleich zum Vorjahr, als das Land auf Platz 46 lag. Der Gesamtwert sank von 69,80 Punkten (2024) auf heute 68,01 Punkte (2025), dem niedrigsten Wert seit Beginn der Erhebungen.

    Die Pressefreiheit ist im Stiefelstaat in allen Index-Bereichen unter Druck. Der politische Indikator verschlechterte sich von etwa 64,44 auf 58,69 Punkte, während der ökonomische Indikator von rund 52,75 auf 50,32 fiel. Auch der rechtlich-gesetzliche Rahmen bleibt trotz einer leichten Verbesserung von 72,94 auf 74,4 im kritisch niedrigen Index-Bereich. Beim soziokulturellen Umfeld und bei der Sicherheit sind leichte Verschiebungen sichtbar – insbesondere bleibt die Sicherheit relativ hoch, mit 89,41 Punkten im Vergleich zu 88,86 im Vorjahr.

    Trotz eines grundsätzlich entwickelten Medienmarktes, in dem eine gewisse Vielfalt herrscht, besteht laut RSF ein Klima, das unabhängige Berichterstattung erschwert. Mafiaorganisationen, insbesondere im Süden des Landes, stellen eine schwere Bedrohung dar. Hinzu kommen gewaltbereite extremistische Gruppen, journalistische Selbstzensur und gesetzliche Einschränkungen wie die sattsam bekannte „legge bavaglio“.

  • SALTO change im September

    „Medien und Informationsarbeit unter Druck“, so lautet das Schwerpunkthema von SALTO change im September. Damit orientieren wir uns am Jahresthema des Kooperationspartners „Toblacher Gespräche“

    Alle Artikel der Reihe SALTO change findet ihr unter www.salto.bz/change

  • Foto: Screenshot Facebook, Reporter ohne Grenzen Deutschland, Österreich, Frankreich
  • Eskalation in den USA

    Geradezu exemplarisch für neue Formen des Angriffs auf die Pressefreiheit in vermeintlich demokratischen Systemen ist die Situation in den USA. 2025 fällt das Land auf Platz 57 zurück – ein weiterer Rückgang nach Platz 55 im Jahr vorher. Der Indexwert beträgt nun 65,49 Punkte, der  niedrigste Wert seit Beginn der Messungen. 

     

    Die USA fallen unter Trump auf Platz 57 zurück.

     

    RSF führt diesen Abstieg unter anderem auf die zweite Amtszeit von Donald Trump zurück. Sie ist geprägt von einem „alarmierenden Rückgang der Pressefreiheit“ mit deutlichen Zeichen eines autoritären Regierungsstils. Institutionen wurden instrumentalisiert, unabhängige Medien geschwächt und Journalistinnen und Journalisten systematisch ausgegrenzt. Dazu kommen Kürzungen staatlicher Fördermittel für wichtige Medien-Institutionen. 

    RSF weist darauf hin, dass in den sogenannten „Swing States“ – etwa Arizona, Florida, Nevada und Pennsylvania – zahlreiche Medienschaffende berichten, dass der Zugang zu öffentlichen Informationen aktiv behindert wird. Besonders alarmierend: 94 Prozent der Befragten klagen über blockierte Informationsanfragen, 66 Prozent nennen die Herausforderung, als Journalist einen existenzsichernden Lohn zu verdienen, und 75 Prozent sehen die wirtschaftliche Zukunft ihrer Medien gefährdet.

  • Die „Reporters sans frontiers“

    Im Jahr 1985 wurde in Montpellier (Frankreich) die Initiative „Reporters sans Frontiers“ (RSF) gegründet, die sich in kürzester Zeit zu einer der wichtigsten Stimmen im weltweiten Journalismus und Medienwesen entwickelte. RSF ist eine Nichtregierungsorganisation und besitzt einen assoziativen Status bei den Vereinten Nationen und der UNESCO. Der Hauptsitz befindet sich in Paris, zusätzlich dazu gibt es nationale Sektionen in vielen Ländern. In Italien gibt es keine eigenständige Organisation von RSF, wohl aber Mitglieder und eine informelle Korrespondenten- und Unterstützerstruktur.

  • Drastische Fälle und Tötungen nehmen zu

    Zu den aktuellenEntwicklungen zählen besonders drastische Fälle der Verfolgung von Journalistinnen und Journalisten: In Aserbaidschan wurden im Juni 2025 sieben Mitarbeitende von unabhängigen Medien – darunter ein RFE/RL-Reporter – zu Haftstrafen von bis zu neun Jahren verurteilt, was RSF als Teil eines systematischen Einschüchterungskampfs einordnet. Ebenfalls im Fokus: in der Türkei wurde ein BBC-Korrespondent nach der Berichterstattung über Proteste inhaftiert und später ausgewiesen. 

    In Sudan hat der seit 2023 andauernde Bürgerkrieg die Medienlandschaft praktisch zerstört: Zahlreiche Zeitungen, Radiosender und TV-Stationen sind zerstört oder geschlossen, etwa 31 Journalistinnen und Journalisten wurden getötet, rund 1.000 verloren ihre Arbeitsplätze. 

     

    2024 wurden 54 Journalistinnen und Journalisten bei ihrer Arbeit oder aufgrund ihres Berufs getötet.

     

    Parallele Entwicklungen lassen sich auch in Palästina erkennen, insbesondere im Westjordanland: Journalisten sind Angriffen von Siedlern, israelischen Streitkräften und Einschränkungen durch die palästinensische Autonomiebehörde ausgesetzt. Die Verhaftung von Medienschaffenden hat ein solches Niveau erreicht, dass RSF die Lage als dramatisch bezeichnet.

    Im Jahr 2024 verzeichnete RSF weltweit 54 Journalistinnen und Journalisten, die bei ihrer Arbeit oder aufgrund ihres Berufs getötet wurden. Bei einem Drittel (18 Fälle) sind die israelischen Streitkräfte für den Tod der Medienleute verantwortlich, wobei 16 dieser Fälle in Gaza und zwei im Libanon registriert wurden. Der Gazastreifen wurde damit laut RSF zum gefährlichsten Ort für JournalistInnen weltweit. Seit Ausbruch des Krieges im Oktober 2023 hätten die israelischen Streitkräfte nach Angaben von RSF in Palästina über 145 JournalistInnen getötet, darunter mindestens 35 während der Ausführung ihrer journalistischen Tätigkeit. 

    Hinter Gaza folgen in der Todesrangliste 2024 Pakistan mit sieben Getöteten sowie Bangladesch und Mexiko mit jeweils fünf Opfern. Besonders in Asien zeigt sich eine alarmierende Risikolage für Medienschaffende – sie wurde 2024 zur zweitgefährlichsten Region für JournalistInnen in der Welt.

  • Hochrisikozone Gaza

    Erst vor wenigen Wochen ereignete sich ein weiterer erschütternder Vorfall: Bei einem israelischen Doppelangriff auf das Nasser-Krankenhaus in Khan Yunis am 25. August 2025 kamen insgesamt 22 Menschen ums Leben – darunter auch fünf JournalistInnen. Unter den Getöteten waren renommierte Medienschaffende wie der Reuters-Kameramann Hussam al-Masri und die AP-Journalistin Mariam Dagga. Laut Berichten wurde die Tat mit einer sogenannten “Double-Tap”-Attacke verübt, bei der medizinisches und journalistisches Personal gezielt bei Rettungsmaßnahmen getroffen wurde. Dies würde eindeutig in die Kategorie von Kriegsverbrechen fallen.  

    Der Press Freedom Index 2025 zeigt eine Welt, in der die Pressefreiheit stark unter Druck steht. Während nordeuropäische Staaten weiterhin als Leuchttürme unabhängiger Berichterstattung glänzen, geraten selbst gefestigte Demokratien zunehmend ins Wanken. Autoritäre Regime verschärfen ihre Repressionen, wirtschaftliche Krisen schwächen die Medienstrukturen und journalistische Arbeit wird vielerorts lebensgefährlich. Der globale Trend ist eindeutig – die Informationsfreiheit schrumpft, und der Kampf um unabhängigen Journalismus wird zu einer der zentralen demokratischen Fragen unserer Zeit. 

  • Das Positive zum Schluss

    Norwegen bleibt mit einer Punktzahl von 92,31 als Vorbild für Medienfreiheit unangefochten auf Platz 1. Ihm folgen Estland auf Platz 2 mit 89,46 Punkten, die Niederlande auf Platz 3 mit 88,64 Punkten. Auf den Plätzen vier bis zehn befinden sich Schweden, Finnland, Dänemark, Irland, Portugal, Schweiz und Tschechien: alle mit überzeugenden Werten zwischen rund 84 und 88 Punkten.

  • Die Toblacher Gespräche

    Das Jahresthema der  „Toblacher Gespräche“  lauutet: „Vertrauen zurückgewinnen: Medien und Gesellschaft auf dem Weg aus der Desinformationsfalle“. 

    Die Toblacher Gespräche finden vom 26. bis 28. September 2025 unter neuer Kuratierung durch David Hofmann und Jess Delves im Kulturzentrum Grandhotel Toblach statt. 

    Hier geht es zum Programm der Toblacher Gespräche.
    Programm in deutscher Sprache 
    Programm in italienischer Sprache