Kompatscher spricht Klartext
Arno total – der ff-Titel vor einigen Wochen würde heute dem Bild an den Zeitungskiosken gerecht. Gleich drei der vier Tageszeitungen machen mit dem Landeshauptmannkandidaten auf. Zumindest der Titel der Dolomiten ist alles andere als versteckte Wahlwerbung: „Kompatscher: Kein billiger Strom für alle“. Hintergrund dieser Äußerung des SVP-Spitzenkandidaten, die so manche WählerInnen enttäuschen mag? Eine CGIL-Tagung zum Thema Wasserkraft, bei der am Donnerstag die wichtigsten Player der heimischen Energiewirtschaft aufs Podium geholt wurden. Auf der machte Kompatscher laut Dolomiten unmissverständlich klar, dass der vielerorts geforderte Billigstrom für die gesamte Bevölkerung weder sozial, noch wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll wäre. Vorstellbar seien günstige Familientarife oder eine kostenlose Anhebung der Nennleistung für Haushalte – der Rest der Stromeinnahmen soll dagegen in soziale Maßnahmen fließen, meint der Anwärter für den Stuhl des Landeshauptmanns.
Ebenso unmissverständlich äußerte sich Kompatscher gestern zu anderen wichtigen Fragen im Bereich Energie. Energia: La rivoluzione di Kompatscher titelt dem entsprechend der Corriere dell’ Alto Adige, der auch die gestern skizzierte Road Map Kompatschers wieder gibt. Erster Schritt müsse die Streitbeilegung mit Etschwerken und Eisackwerk sein, dann brauche es ein neues und transparentes Gesetz zur Ausschreibung der Konzessionen, und schließlich sollte ein Newco, also eine neue Gesellschaft gegründet werden, an der alle lokalen Stromproduzenten und die 116 Südtiroler Gemeinden beteiligt werden. Diese soll dann mittelfristig zur einzigen Landesenergiegesellschaft werden, an der die Gemeinden auch dank Übertragung der SEL-Anteile durch das Land die Mehrheit halten.
Klare Worte findet Kompatscher im Alto Adige auch für Bereiche außerhalb der Energie: Dort erzählt er in einem ausführlichen Interview nicht nur, dass er im Fall seiner Wahl freie Hand bei der Auswahl seiner Regierungsmannschaft haben will und gerne gemischtsprachige Südtirolerinnen wie Tania Cagnotto unter den SVP-Kandidatinnen gehabt hätte, sondern grenzt sich bei der Aufzählung der wichtigsten Neuerungen, die es unter ihm im Palais Widmann geben würde, auch klar von Landeshauptmann Luis Durnwalder ab. Sprich: Kein Sonderfonds mehr für den Landeshauptmann, strengere Regeln für den Repräsentationsfonds, keine Sonntags-Interviews mehr, die die Entscheidungen der Landesregierung vom Montag vorwegnehmen. Und was wären die wichtigsten Themen, die er gleich nach der Wahl angehen würde? Energie, Schulen und schließlich eine grundlegende Durchforstung des Landeshaushalts – um Position für Position zu überprüfen, welche Ausgaben sinnvoll und gewinnbringend sind.
Einzige Außenseiterin im allgemeinen Kompatscher-Fieber ist heute die Neue Südtiroler Tageszeitung. Passend dazu auch ihr Aufmacher „Die kleinen Außenseiter“, mit dem sie das Thema Kinderarmut aufgreift: Immer mehr Kinder würde auch in Südtirol ausgegrenzt, weil sich ihre Eltern nicht die neuesten Trends leisten könnten. Zum Thema Energie bringt die Tageszeitung heute statt Kompatschers Visionen ein neues Gutachten zum umstrittenen Wert des Maschinenparks im Kraftwerk Mühlbach der Eisackwerk GmbH, das auch für andere Ex-Enel-Kraftwerke Konsequenzen mit sich bringen könnte. Darüber hinaus: ein Sex-Report, laut dem die Südtiroler die Bett Italiens Schlusslichter wären.
Die Anhebung der Nennleistung...
...klingt gut, ist aber nicht viel mehr als ein für die Anbieter eigentlich "kostenloses" Wahlzuckerle. Wer sich mit den physikalischen Grundlagen des Energiemarktes auseinandersetzt, weiss dass wir als Konsumenten eigentlich für die Energiemenge (Kilowattstunden) zahlen sollten, und nicht eine theoretische Spitzenlast vergüten sollten (maximal bezogene Leistung, also die 3.3 / 4.5 / 6 KW eines Haushaltsanschlusses).
Nur wir in Italien sind es gewohnt, unterschiedliche Strompreise zu zahlen, je nachdem wie hoch unsere Nennleistung ist: bei höherer Leistung wird nicht nur der Grundanschluss (Monatsgebühr) teurer, sondern auch die Stromkosten pro KWH steigen. Dabei ist das unsinnig: wir sollten letzten Endes den verbrauchten Strom zahlen - und nicht mehr oder weniger, je nachdem ob wir gleich viel Strom "schnell" oder "langsam" verbraten.
Beispiel Deutschland: kein Haushalt dort kennt diese "Limitierung" auf 3,3 kw, was auch eine ganz andere Haustechnik (Geräte) ermöglicht.
Wieso gibt es überhaupt diese Limitierung auf 3,3 kw? Nun, das macht den Strommarkt für den Betrieber "kalkulierbarer", da plötzliche Stromspitzen unwahrscheinlicher werden. Was aber bei Haushaltsanschlüssen sowieso bescheiden ausfällt. In der Industrie, das ist richtig, wird auch in Deutschland die Spitzenleistung mit bei der Tarifkalkulation berücksichtigt.
Nun zu den Strompreisen: sollten sie reduziert werden? Ein Beispiel gefällig? Der Strompreis in Italien liegt bei ca. 20 US$ cent/kwh. Deutschland 15, Österreich 11, USA 9. Schweden 8. Sollten wir also dafür sorgen, dass Strom billiger wird?
Nun, da bin ich mit Kompatscher einer Meinung: Strom muss nicht notwendigerweise billiger werden, da dann ein Anreiz zum Stromsparen ausfällt.
Was aber viel sinnvoller wäre: Energie zu den Gemeinden! Ist uns bewusst, dass alle Gemeinden in Südtirol seit Jahren versuchen, am Stromkuchen mitzunaschen, indem sie Klein- und Kleinstkraftwerke bauen? Und dass wir mit 784 Kleinkraftwerken in Südtirol (unter 220 Kw) nichtmal 2,6% des aus Wasserkraft erzeugten Stroms generieren? Was ich damit sagen will: die Gemeinden benötigen diese Finanzierung aus den Wassereinnahmen. Und da sie an den Großkraftwerken nicht mitverdienen, wird jedes noch so kleine Rinnsal in Südtirol geopfert. Hören wir auf damit, das ist doch unsinnig! Geben wir stattdessen die Stromproduktion der Großkraftwerke an die Gemeinden. Die damit erwirtschafteten Gewinne würden direkt in die Infrastruktur vor Ort gehen: Kindergärten, Grünflächen, Spielplätze, Schulen. Das sind Dinge, die dem Menschen vor Ort wichtig sind. Und für die wir auch bereit wären, auf billigeren Strom zu verzichten.
Lieber Arno, lasst uns das angehen. Stromproduktion zu den Gemeinden bringt den BürgerInnen Einsparungen (weil die Infrastruktur und die Lebensqualität vor Ort durch die Stromgewinne finanziert werden kann) und der Natur Entlastung (weil nicht jedes Rinnsal mehr der Stromproduktion geopfert werden muss). Eine Erhöhung der Anschlussleistung (die physikalisch betrachtet kostenneutral ist) ist ein zu kleines "Zuckerle".
Christoph Moar, Arbeitsgruppe "verdECOnomia" der Grünen Verdi Verc.