Wer ist Sauron?
Letzten Freitag wurde die 8. und damit letzte Folge der ersten Staffel von „Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht” veröffentlicht, der bislang teuersten Streaming-Serie, die je produziert wurde.
Wir waren nach den ersten drei Folgen bereits vorsichtig begeistert – hier entlang zur Besprechung –, jetzt, nachdem alle acht Folgen vorliegen können wir sagen: Yep, sehr schön!
Wenn Peter Jackson's Trilogie „Der Herr der Ringe“ 10 Punkte bekommt (eigentlich verdient Jackson's Verfilmung eine 11!), dann bekommt die Streaming-Serie, Stand heute, eine satte 8.
Am Anfang machte sich noch das Gefühl einer gewissen Überforderung breit: Zu viele Namen und Figuren, zu viele Orte, zu viele Erzählstränge auf einmal. Jetzt, acht Folgen später, ist man mit Mittelerde des zweiten Zeitalters einigermaßen vertraut. Der Nebel über der Landkarte hat sich einigermaßen verzogen und Númenor, Lindon, die Südlande oder Khazad-dûm sind ebenso geläufig wie der zukünftige Zwergenkönig Durin IV, die extrem sympathische Haarfuß-Familie Brandyfuß oder der junge Isildur, der alles versucht, Númenor zu verlassen.
Die Geschichte, die in dieser ersten Staffel erzählt wird, ist zudem nicht ganz so einfach, weil verzweigt und mit vielen Details versehen. Im Prinzip geht es darum, dass sich eine neue Bedrohung zusammenbraut und die junge Elbe Galadriel versucht sich dieser Bedrohung entgegenzustellen. Das wird schon in der ersten Folge klar, dieser Erzählbogen bleibt aber bis zum Ende hin spannend, weil es Widerstände gibt, es gibt den rätselhaften Fremden und es stellt sich schon relativ schnell die Frage: Wer ist Sauron? Die Antwort darauf erhält man erst in Folge 8, aber das ist weniger für die erste Staffel von wirklichem Gewicht, als mehr für die Staffeln, die noch kommen.
Was die erste Staffel betrifft ist man in jedem Falle gut bedient: Es gibt in jeder dieser über 60 Minuten langen acht Folgen ruhige Passagen, es gibt Hektik, es gibt Überraschungen, die man nicht erwarten würde und es gibt immer wieder sehr gute Musik zu hören. Nur schade, dass die Serie nicht im Kino zu sehen war.
Natürlich, perfekt ist die Serie nicht. Es gibt Ungereimtheiten im Verlauf der Geschichte und hin und wieder wird etwas dick aufgetragen, was den Pathos zum Beispiel betrifft und dadurch neigt der eh schon märchenhafte Stoff gefährlich in Richtung Kitsch. Aber darüber lässt sich hinwegsehen, das Gute überwiegt ganz klar.
Die Produzenten dieser Serie basieren ihre Geschichte auf den „Anhängen” zum Buch „Der Herr der Ringe”, in denen J.R.R. Tolkien vom zweiten Zeitalter erzählt, das zeitlich einige tausend Jahre vor den Hobbits, den Nachfahren der Haarfüße, liegt. Um diesen Stoff als Serie nacherzählen zu können, mussten die Produzenten vieles zeitlich straffen und einige Kunstgriffe tätigen, was Teile der Community erzürnt hat. Als einfacher Tolkien-Fan kann man sich aber nur freuen, denn die Produzenten haben sich wahrlich Mühe gegeben, die Fantasy-Welt Tolkiens (und Jacksons) überzeugend einzufangen, nachzuempfinden.
Auch die Schauspielerinnen und Schauspieler tragen das ihre dazu bei, dass man in diese Welt hineingezogen wird: Morfydd Clark als Galadriel überzeugt von Anfang an, ebenso Nazanin Boniadi als Südländerin Bronwyn und Ismael Cruz Córdova als Elb Arondir. Dasselbe gilt für Markella Kavenagh in ihrer Rolle als junge Haarfuß Elanor „Nori“ Brandyfuß.
Robert Aramayo als Elrond und Owain Arthur als Zwergenprinz Durin entwickeln ihre Rollen vor allem gemeinsam und sind einer der Höhepunkte der zweiten Hälfte dieser Staffel.
Leider, so war zu erfahren, wird es wohl 2024 werden, bis die zweite Staffel gestreamt wird, die Dreharbeiten dazu haben ja auch eben erst in England begonnen. Aber diese Serie eignet sich hervorragend für eine entspannte zweite Runde. Jetzt, wo klar ist, wohin die Reise geht, kann man sich in aller Ruhe auf die Details, die Stimmung und auf die letztlich doch nicht ganz unkomplizierte Geschichte einlassen.
„Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht” ist ein sehr breit angelegtes Märchen, ein sehr gut inszenierter Fantasy-Film. Wer damit etwas anfangen kann und kein Hardcore-Tolkien-Anhänger ist, wird mit dieser Serie seinen Spaß haben, für die nächsten knapp zehn Jahre eigentlich, denn es sind insgesamt fünf Staffeln geplant und es wird eine Weile dauern, bis alle abgedreht sind und mit den bisweilen sehr tollen Special Effects versehen wurden.
Links:
Prime Video: https://www.primevideo.com/region/eu
Trailer (deutsch): https://youtu.be/-aCsZkSYPGQ