pelicot
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50 ganz normale Männer

Die Banalität des Bösen: „Lo stupratore non è malato, è figlio sano del patriarcato”. Der Fall Gisèle Pélicot in Frankreich.
  • „Lo stupratore non è malato, è figlio sano del patriarcato”, so lautet einer der vielen feministischen Slogans, der gewöhnlich empörte Proteste seitens der Männer hervorruft. Dabei bezieht sich diese Behauptung auf die statistisch erhobene “Normalität“ von Vergewaltigern: In neun von zehn Fällen findet eine Vergewaltigung im familiären Kontext statt, und der Täter steht der Frau nahe. 

    Seit Wochen schlägt ein Prozess in Frankreich und darüber hinaus hohe Wellen und zwingt unsere Gesellschaften dazu, sich dringendst mit allen Aspekten der Vergewaltigung auseinanderzusetzen: Vergewaltigungskultur im Allgemeinen, juristische Definition und Auslegung von Konsens, Vergewaltigung unter Betäubung und die erschreckend banale „Normalität“ der Vergewaltiger.

    Zwischen 2011 und 2020 wurde Gisèle Pelicot von mindestens 83 Männern vergewaltigt, nachdem sie durch ihren Mann Dominique Pelicot medikamentös bewusstlos gemacht worden war. 54 dieser Männer wurden identifiziert, 50 plus Dominique Pelicot stehen vor Gericht. Es sind dies 50 ganz normale Männer zwischen 26 und 74 Jahren, dem französischen Alltag und der Nachbarschaft entrissene Männer: 41 davon leben in nächster Umgebung der Pelicots, fast ausschließlich sind es französische Staatsbürger. 30 davon sind Familienväter, einer Journalist, einer Supermarktdirektor, Pilot, Krankenpfleger, einige Handwerker und Bauarbeiter, dann noch Rentner, Arbeitslose, ein Soldat, ein Strafvollzugsbeamter ... Kurzum: Es sind dies durchaus Männer, die von den Zeugen als freundlich und unauffällig beschrieben werden. Gemeinsam haben sie nur eines: die Tatsache, dass sie eine bewusstlose, ergo willenlos gemachte, Frau vergewaltigt haben und ihre Tat nun auch noch bagatellisieren, kleinreden, rechtfertigen.

    Es gibt keine Spur hin zum monströsen Vergewaltiger der Alpträume, zum Anderen-Fremden-Verrückten. Genauso wenig gibt es eine Evidenz für eine illusorische Sicherheit. Nur sie würde es uns ermöglichen, die Vergewaltigungskultur, in der wir leben, zu ignorieren. Was wir hier medial wahrnehmen, sind einzig und allein 50 ganz normale Männer vor Gericht. Und dann noch zwei Zeugen, die das Angebot von Dominique Pelicot abgelehnt hatten. Mit dem Zusatz: „Wenn die Dame schläft, liegt offensichtlich keine Einwilligung vor“. 83:2.