Politics | Erste Hilfe
Das 25-Euro-Ticket
Foto: Othmar Seehauser
„Es ist wichtig, dass Rechtssicherheit besteht“, sagt Thomas Widmann, „deshalb müssen wir auch jetzt eine Entscheidung treffen“.
Die Landesregierung wird sich auf ihrer heutigen Sitzung mit einem Thema beschäftigen, das seit Jahren nicht nur immer wieder im Fokus der Öffentlichkeit steht, sondern auch die Agenda der Sanitätsverantwortlichen seit Jahren belastet.
„Neue Bestimmungen in Bezug auf die Notaufnahme“ heißt der Punkt auf der Tagesordnung. Dahinter verbirgt sich eine unfreiwillige Kehrtwende und eine Änderung des Planes, den Thomas Widmann erst vor 5 Monaten vorgestellt hat.
Die unendliche Geschichte
Das Problem der überlasteten Notaufnahmen in den Südtiroler Krankenhäusern ist eine unendliche Geschichte. Seit über einem Jahrzehnt versucht man eine tragfähige Lösung zu finden, um die Wartezeiten, die vor allem am Bozner Krankenhaus bis zu acht, neun Stunden betragen, endlich abzubauen. „Dabei geht es vordergründig darum, die Notaufnahme für jene Fälle freizubekommen, die wirkliche Notfälle sind“, beschreibt Landesrat Widmann das Ziel.
Bereits Widmanns Vorgänger und Vorgängerinnen im Sanitätsassessorat haben versucht das Problem in den Griff zu bekommen.
Unter Landesrat Richard Theiner hatte man 2003 für die Behandlung in der Ersten Hilfe ein Ticket von 15 Euro eingeführt. Das brachte aber nicht den gewünschten Erfolg. Weil sich die Situation in den vergangenen Jahren noch einmal deutlich zugespitzt hat, war es Landesrätin Martha Stocker, die energisch durchgreifen wollte. Auf ihren Vorschlag beschloss die Landesregierung für alle jene Patienten, die sich ohne Not in die Notaufnahmen der Krankenhäuser in Südtirol begeben, eine Art Strafzahlung einzuführen. 35 Euro sollten diese Patienten zahlen müssen.
Die Einführung dieser Strafen wurde zweimal verschoben. Eigentlich hätte das System mit 1. Juli 2019 flächendeckend starten sollen. Doch dazu kam es nicht.
Widmanns Wende
Dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen verwehrte sich das Gesundheitsministerium dagegen. Weil man in Rom davon ausgeht, dass das Land Südtirol mit dieser Regelung staatliche Kompetenzen verletze, drohte man die Südtiroler Regelung vor dem Verfassungsgericht anzufechten.
Zum anderen war und ist der neue Gesundheitslandesrat Thomas Widmann von dieser Regelung nicht überzeugt. „Man soll die Leute erziehen und nicht strafen“, sagt Widmann zu salto.bz.
Dass es dringend eine Maßnahme braucht, sagen die Zahlen. Nach neusten Analysen werden jährlich 160.000 Patientinnen und Patienten in Südtirols Notaufnahmen vorstellig, die dort nicht hingehören. Allein in Bozen sind es über 40.000.
Bereits im Juni beschloss die Landesregierung die geplante Strafaktion abzublasen und das Ganze anders zu verpacken. Die 35 Euro sollten nicht als Strafe gezahlt werden, sondern als Kostenbeteiligung.
Im Beamtendeutsch sollte der Beitrag „Selbstbeteiligung an der Gesundheitsausgabe in der Notaufnahme“ heißen.
Der Plan
Doch es sollte nicht nur eine reine Wortkosmetik sein. Sondern Thomas Widmann stellte wenig später auf einer Pressekonferenz seinen Plan zur Entlastung der Notaufnahmen vor.
Kernpunkt der neuen Regelung sollte eine Art Beratung durch das Krankenpflegepersonal der Triage sein. Kommt ein unangemessener Fall in die Erste Hilfe, werden der Patient oder die Patientin darauf hingewiesen. Der Bürger kann dann selbst entscheiden, ob er zum Hausarzt gegen oder sich in der Notaufnahme behandeln lassen will. Erst in diesem Fall wird die Kostenbeteiligung fällig. Diese sollte sich zwischen 35 und 50 Euro betragen.
„Mit diesem Beschluss haben wir das aktuelle Gesetz bis zum 1. Dezember ausgesetzt. Sobald der Nachtragshaushalt verabschiedet wurde, werden wir auch die genauen Kostenbeiträge definieren“, kündigt der Sanitätslandesrat damals an.
Zudem soll mit Jahresbeginn 2020 das Pilotprojekt: eine „Ambulanz für die Grundversorgung“ direkt in der Notaufnahme starten. Laut Sanitätsbetrieb ist dieses Ambulatorium „für all jene Patienten angedacht, deren gesundheitliche Probleme in die Kompetenz des Arztes für Allgemeinmedizin fallen und die sich unangemessen an die Notaufnahme wenden, wobei diese in der Triage mit dem Kodex ‚geringfügig/nicht dringend‘ eingestuft werden.“
Widmanns erklärtes Ziel ist es, die Wartezeiten in der Notaufnahme des Bozner Krankenhauses bis Ende 2020 fast zu halbieren „Wir müssen von durchschnittlich drei Stunden und 50 Minuten auf zwei Stunden kommen", sagte der Landesrat auf einer Pressekonferenz im Spätsommer.
Das Ticket
Doch jetzt ist wieder alles anders. Denn zwei Wochen vor dem Start der geplanten Kostenbeteiligung muss die Landesregierung noch einmal ihren Plan ändern. Der Grund ist wiederum die Haltung des römischen Gesundheitsministerium. „Man hat uns signalisiert, dass man auch die Kostenbeteiligung vor dem Verfassungsgericht anfechten werde“, sagt Thomas Widmann.
Weil der Sanitätslandesrat eine solche Klage nicht riskieren, anderseits aber seine Ankündigungen umsetzen will, bringt er an diesem Dienstag in der Landesregierung einen anderen Vorschlag.
Ab 1. Dezember sollen alle Patientinnen und Patienten, die mit einem "blauden Kodex" in der Notaufnahme der sieben Südtiroler Krankenhäuser aufgenommen werden - das heißt eigentlich zum Hausarzt gehören - ein Ticket von 25 Euro zahlen müssen. „Es ist genau jenes System, das man auch im Veneto oder in Piemont seit langem praktiziert“, meint der Gesundheitslanderat.
Die Landesregierung wird damit heute kurzerhand den geplanten Kostenbeitrag versenken und das Ticket wieder einführen. Weil rund die Hälfte der Bevölkerung ticketbefreit ist, wird allein diese Maßnahme wenig an der schwierigen Situation ändern.
Widmann setzt dabei aber auf die Kombination des Tickets mit dem neuen Ambulatorium neben der Notaufnahme. "Wenn den Leuten gesagt wird, schauen SIe, gehen Sie da rein, dann zahlen Sie nichts", meint der Landesrat. "dann werden viele diese Alternative wahrnehmen".
Widmann setzt dabei aber auf die Kombination des Tickets mit dem neuen Ambulatorium neben der Notaufnahme. "Wenn den Leuten gesagt wird, schauen SIe, gehen Sie da rein, dann zahlen Sie nichts", meint der Landesrat. "dann werden viele diese Alternative wahrnehmen".
Es wird sich spätestens 2020 zeigen, ob das der richtige Weg für die Erste Hilfe ist.
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Das hat doch keine Logik.
Das hat doch keine Logik. Wenn die Hälfte der Leute ticketbefreit sind, warum sollen sie
dann in das neue Ambulatorium gehen,wo sie nicht zahlen? Sie zahlen ja sowieso nichts.