“Ein Ja wäre höchst bedenklich”

Die skitechnische Verbindung zwischen Langtaufers und dem Kaunertaler Gletscher auf Nordtiroler Seite steht am Dienstag auf der Tagesordnung der Landesregierung. Wieder einmal. Ob man sich nach monatelangem Hinhalten zu einer Entscheidung durchringen wird, wird sich zeigen. Indes kommt ein weiterer Appell an die Landesregierung.
Konrad A. Roider hat sich bereits mehrmals öffentlich gegen die Skiverbindung gestellt – als Obmann des Tiroler Heimatschutzvereins. Roider ist auch Unternehmensberater und am Management Center Innsbruck (MCI) tätig. Als solcher hat er eine ausführliche Stellungnahme verfasst. Er zeigt sich “beunruhigt”, “mit welcher Sorglosigkeit der wirtschaftliche Aspekt des Vorhabens betrachtet wird”.
Die Befürworter des Projekts hatten stets damit geworben, dass die Skiverbindung wirtschaftlichen Aufschwung für das Langtauferer Tal und darüber hinaus bringen würde. Im Tal selbst sieht man das nicht überall so. Und auch Roider hegt große Zweifel. Er befürchtet, “dass eine positive Entscheidung zu diesem Vorhaben seitens der Landesregierung die ‘Büchse der Pandora’ für weitere fatale Fehlentwicklungen öffnen würde”. Und warnt vor “weitreichenden negativen volkswirtschaftlichen Folgen”.
Nachfolgend das – gekürzte – Schreiben, das Konrad A. Roider an die Medien geschickt hat (die vollständige Version gibt es hier nachzulesen):
“Sehr geehrte Damen und Herren
Wir vernehmen, dass das Vorhaben des skitechnischen Zusammenschlusses zwischen dem Langtauferertal und dem Kaunertal in der Südtiroler Landesregierung zur Beschlussfassung ansteht.
Nach unserem Wissensstand waren die bezüglich des Natur- und Umweltschutzes eingebrachten Stellungnahmen der einschlägigen Institutionen durchwegs negativ und hat der Umweltbeirat dementsprechend auch ein negatives Gutachten abgegeben (das vom Beirat im Oktober bestätigt wurde, Anm.d.Red.).
In Fragen des Natur- und Umweltschutzes kommt mir keine Expertise zu und ich kann und will mir daher kein Urteil über die Entscheidung anmaßen; ich habe aber keine Ursache, deren Richtigkeit anzuzweifeln.
Üblicherweise sollte ein negatives Gutachten des Umweltbeirates ein hinlänglicher Grund für die Ablehnung eines Vorhabens durch die Landesregierung sein (…). Allerdings wird dem Vernehmen nach nunmehr mit der enormen überregionalen (Südtirol und Nordtirol betreffenden) sozioökonomischen Bedeutung des Vorhabens argumentiert.
Und hierzu erlaube ich mir als Unternehmensberater und als am Management Center Innsbruck für den Bereich Innovations- und Technologiemanagement tätiger Lektor dennoch Stellung zu nehmen.
Eine belastbare Untersuchung, welche diese Behauptungen belegen würde, ist uns nicht bekannt. Wir können uns daher diesbezüglich nur auf die Machbarkeitsstudie stützen, welche von der Projektwerberin zusammen mit dem Umweltbericht bei der Gemeinde Graun im Vinschgau vorgelegt wurde, und daraus die nachstehenden Schlussfolgerungen ziehen:
- Die Machbarkeitsstudie enthält keine plausiblen Annahmen über die zu erwartenden aus der Auslastung der Aufstiegsanlagen resultierenden Umsätze, geschweige denn eine entsprechende Szenario- oder Sensitivitätsanalyse, wie sie bei seriösen wirtschaftlichen Betrachtungen üblich ist. Vielmehr werden "Umsätze dargestellt ..., welche die Aufstiegsanlage benötigt um selbständig (d.h. ohne Kapitalaufstockung) arbeiten zu können." Ein unter solchen Annahmen errechnetes Betriebsergebnis wird zwangsweise positiv ausfallen müssen (genau so sind ja die Annahmen getroffen!) und kann somit für eine Bewertung der Wirtschaftlichkeit nicht herangezogen werden, zumal
- die zur Erreichung der angesetzten Umsätze notwendigen Auslastungen in erheblichem Widerspruch zu den Erfahrungen aus dem Kaunertal stehen und
- die angesetzten Kosten nicht belegt sind und in einigen Punkten nicht mit der technischen Beschreibung der Anlage korrespondieren.
- Die Annahmen für die errechneten Steigerungen der Wertschöpfung in der Region und die daraus resultierenden "mindestens 76 neuen Arbeitsplätze im Tourismus" sind nicht empirisch belegt. Sie stützen sich auf
- Fallbeispiele aus anderen Regionen, deren Vergleichbarkeit mit der Region Obervinschgau nicht nachgewiesen wird, und
- darauf, dass aus vermuteten Korrelationen in unzulässiger Weise Kausalitäten abgeleitet werden.
- Ein betriebswirtschaftlicher Nutzen des Projektes und/oder ein aus dem Projekt resultierender positiver volkswirtschaftlicher Effekt für die Region Obervinschgau können somit nicht in nachvollziehbarer Weise aus der Machbarkeitsstudie abgeleitet werden.
(…) Es erschiene uns daher in hohem Maße bedenklich, wenn die Südtiroler Landesregierung dem Vorhaben die Zustimmung erteilen sollte.
Für mich als Unternehmensberater ist es besonders schmerzlich, beobachten zu müssen, dass das Vorhaben keinerlei Aspekte enthält, die auf die Besonderheiten des Langtauferertales eingehen, sondern einer phantasielosen Fortschreibung bestehender und abgenützter Konzepte nach dem Motto "mehr vom Gleichen" entspricht. Die einseitige Präjudizierung der Ausrichtung auf Massentourismus kann für Südtirol insgesamt – und schon gar nicht für das Langtauferertal – ein tragfähiges und nachhaltiges Konzept sein. (…)
Darauf angesprochen, wie denn im (hoffentlich nicht eintretenden) Falle eines wirtschaftlichen Scheiterns des Vorhabens die nach der Alpenkonvention vorgeschriebene Wiederherstellung des vorherigen (natürlichen) Zustandes finanziert würde (und die erfahrungsgemäß Kosten in ähnlicher Größenordnung wie die Errichtung erfordert), haben Projektbefürworter nur mit einem Achselzucken gemeint: "Das macht nichts, wir probieren es einmal, und wenn es schief geht, zahlt das sowieso das Land."
Es ist vor allem die damit zu Ausdruck gebrachte Erwartungshaltung im Umgang mit öffentlichem Vermögen, die mir als wirtschaftlich denkendem Menschen erhebliche Sorge bereitet und derentwegen ich eine Zustimmung der Landesregierung zu diesem Vorhaben für unverantwortlich erachte.
Soweit also meine Bedenken aus Südtiroler Sicht. Gänzlich unklar sind mir aber die behauptete grenzüberschreitende Bedeutung und der angebliche Wunsch der Nordtiroler nach diesem Vorhaben.
Worin soll denn im Kaunertal für die Wirtschaft im Allgemeinen und den Tourismus im Besonderen der Nutzen bestehen, wenn künftig der Kaunertaler Gletscher nicht alleinig aus dem Kaunertal erreichbar ist, sondern – zumindest für aus dem Westen Anreisende – verkehrstechnisch wesentlich günstiger über das Langtauferertal?
(…)
Noch immer in der Hoffnung, dass dieses Vorhaben mit weitreichenden negativen volkswirtschaftlichen Folgen nicht realisiert wird, und mit besten Grüßen
Konrad A. Roider”