Culture | TV-Dokumentation

Auf Schritt und Tritt

Was haben eine Männerwallfahrt, eine Wallfahrt in Südfrankreich und eine Wallfahrt zwischen Kärnten und Friaul gemeinsam? Sie sind Teil der Doku "Schritte im Glauben".
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Foto: Agostino Fuscaldo (Mediaart)
  • „Als einzige Frau fühlte ich mich verpflichtet, um Erlaubnis zu bitten“, erzählt die Filmemacherin Lydia Gasparini aus Salurn zu ihren Dreharbeiten bei einer Männerwallfahrt im Sommer für eine TV-Doku, die heute ab 20.20 Uhr auf dem lokalen Kanal der Rai unter dem Titel Schritte im Glauben - warum Minderheiten pilgern gezeigt wird und wo sie (mit Kameramann Agostino Fuscaldo) drei sehr unterschiedliche Wallfahrten mit Minderheitenbezug eingefangen hat. Die Gestalterin des Films zeichnet auch für die Montage verantwortlich. 

  • Dreh und Angelpunkt: Lydia Gasparini (l.) und Agostino Fuscaldo (3. v. l.) beim Dreh zu "Schritte im Glauben" Foto: Privat

    Lydia Gasparini, geboren 1998 in Trient, absolvierte das Sozialwissenschaftliche Gymnasium Maria Hueber in Bozen und begann anschließend das Studium an der Zelig – Schule für Dokumentarfilm, Fernsehen und New Media. Ihr Diplomfilm Dear Odesa, bei dem sie für Schnitt und Ton verantwortlich war, wurde auf mehreren Filmfestivals gezeigt und gewann unter anderem den Best Editing Award in International Competition beim Sole Luna Doc Film Festival in Palermo. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie an diversen TV-Produktionen, u.a. für das Minderheitenmagazin minet
    Überwältigende Aufnahmen liefert die Pilger*innen-Doku aus Südfrankreich. „Die Tage, die wir in Saintes-Maries-de-la-Mer verbracht haben, waren unglaublich intensiv. Die Straßen und kleinen Gassen der Kleinstadt waren voll Angehöriger der Minderheit der Roma. Außerdem waren zahlreiche Schaulustige da und alle paar Meter spielte ein Musiker oder eine Band. Die Atmosphäre war einfach einzigartig“, erinnert sich Gasparini. Ein "Dreh"-Moment ist ihr besonders in Erinnerung geblieben: „Die Kirche war so überfüllt, dass sich weder ich noch der Kameramann bewegen konnten. Alle hielten eine weiße Kerze in der Hand, streckten sie in die Luft und sangen sehr laut und intensiv immer wieder ein Lied zu Ehren der heiligen Sara.“ 
     

  • Großer Auflauf: Weiße Kerzen für die heilige Sara. Foto: Privat

    Zwar gestalteten sich aufgrund des Ansturms die Aufnahmen schwierig, dennoch gelangten von dieser Zeremonie beeindruckende Aufnahmen in den Film. „Die Prozession der heiligen Sara war ebenfalls ein überwältigendes Erlebnis – vor allem der Moment, als die Pilger gemeinsam mit den Stierhirten der Camargue (Guardians), mit ihren weißen Pferden ins Meer reiten.“
    Weniger sommerlich gestalteten sich die Dreharbeiten der Minderheitenwallfahrt (Plodar Kirchfort) aus dem Ort Sappada/Plodn (Friaul) nach Maria Luggau (Kärnten), bei der vor allem die sprachliche Verbundenheit über den Bergkamm hinweg zelebriert wird. Die Wallfahrt gibt es seit dem 17. Jahrhundert und inzwischen haben sich auch andere Pilger und Pilgerinnen aus den Dörfern Socchieve, Comelico und Cadore angeschlossen. Auch Sauris, ein weiteres deutschsprachiges Dorf im Friaul, ist bei der Kirchfort von Italien nach Österreich dabei  eine enge Freundschaft über die Berge hinweg. „Über Jahrhunderte gab es regelmäßigen Austausch, Handwerker arbeiteten in beiden Dörfern, Frauen aus Sappada heirateten Männer aus Maria Luggau“, erzählt Gasparini. 
     

    De Plodar Kirchfort in de Lukkaue...

  • Da hilft auch kein Gebet: Wintereinbruch im Sommer bei der Wallfahrt nach Maria Luggau Foto: Privat
  • Im Zusammenhang Männer/Frauen/Pilgerei verweist die Filmemacherin mit einer humorvollen Überlieferung auf die Männerwallfahrt der Ladiner, welche im Film ebenfalls dokumentarisch festgehalten wird: „Man sagt, dass früher auch Frauen mitpilgerten. Frau und Mann starteten zu zweit – kamen aber zu dritt nach Hause!“ Lüge oder Wahrheit? Heilig- oder Scheinheiligkeit? Die Wallfahrt der Ladiner aus dem Gadertal hat ihren Ursprung vor doch schon 1000 Jahren und in der Tat durften einst auch Frauen teilnehmen. 

  • Reine Männersache: Alle drei Jahre machen sich Männer aus Ladinien auf nach Säben. Foto: Privat

    „Im Lauf der Zeit wurde das zunehmend schwieriger, da jemand auf Kinder, Haus und Hof aufpassen musste. Immerhin sind die Pilger drei Tage lang unterwegs“, merkt Gasparini an. Und so beschlossen in früheren Zeiten "weise" Männer und noch "weisere" Pfaffen, dass das dreitätige Pilgern nur noch Männern vorbehalten sein sollte eine maskuline Gewohnheit, die sich bis heute gehalten hat. Vielleicht stoßen aber demnächst 2024 war die Filmemacherin selbst die einzige Teilnehmerin am Rande bzw. hinter der Kamera wieder Frauen dazu und begleiten ihre männlichen Wallfahrer beim Gebet?
    Ob Wallfahrt für tausende Romnia und Roma, Sinti, Manouches und Jenische, die alle drei Jahre stattfindende Ladiner-Wallfahrt für Männer oder das Pilgerband zwischen Sappada und Maria Luggau – wer kurz bei allen drei Wallfahrten dabei sein möchte: die TV-Dokumentation "Schritte im Glauben" machts möglich.

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Hartmuth Staffler Wed, 12/18/2024 - 14:28

Die Wallfahrt von Les Saintes-Maries-de-la-Mer ist für Südtirol deswegen so interessant, weil es um die in Europa öfters anzutreffende Legende der drei flüchtenden Jungfrauen geht, die wir in Südtirol von den drei Meransner Jungfrauen Aubet, Cubet und Quere kennen. In Saintes-Maries-de-la Mer wird ja nicht nur die schwarze Sara verehrt, sondern auch die Maria Kleophae und die Maria Salome. Die drei Jungfrauen waren angeblich von ihren Verfolgern in einem Boot ohne Segel und Ruder ausgesetzt und von der Vorsehung an die Küste der Provence gespült worden. Die "schwarze Sara" soll die Dienerin der beiden Marien gewesen sein. Die Bezeichnung der Sara als "schwarz" identifiziert sie als Angehörige der Roma und Sinti, weshalb Les Saintes Maries zu einem Wallfahrtsort und zu einem Identifikationsort dieser Volksgruppe geworden ist.

Wed, 12/18/2024 - 14:28 Permalink