Politics | Landesverwaltung
Unternehmer im Landesdienst
Foto: Salto.bz
„Es gibt hier weder einen potentiellen noch einen tatsächlichen Interessenkonflikt“, sagt Florian Zerzer. Noch kategorischer sieht es Ulrich Stofner: „Ein Interessenkonflikt ist ausgeschlossen, und vor allem verstoße ich gegen keinerlei Bestimmung“.
Beide sind durchaus freundlich im Gespräch, dennoch merkt man, dass die Nachfragen den zwei Ressortdirektoren alles andere als behagen. Auch sie wissen, dass das Thema, sollte es in der Öffentlichkeit ausgebreitet werden, für sie durchaus unangenehm werden könnte.
Der berufliche Werdegang der zwei hohen Landesbeamten weist mehrere Parallelen auf. Florian Zerzer ist von 1996 bis 2000 der persönliche Referent des damaligen Wirtschaftslandesrates Werner Frick. Danach steigt der Vinschger Wirtschaftsinformatiker im Frick-Ressort zum Direktor der Abteilung für Tourismus, Handel und Dienstleistungen auf.
Zerzers Nachfolger als Fricks persönlicher Sekretär wird 2001 Ulrich Stofner. Der Sarner Jurist wird dann zwei Jahre später von Werner Frick zum Ressortdirektor befördert. Wenig später schafft auch Florian Zerzer diesen Sprung. Er wird 2004 Ressortdirektor des Sanitäts- und Soziallandesrates Richard Theiner. Stofner wechselte nach Fricks Ausstieg aus der Politik 2009 als Direktor in die Landesgesellschaft BLS.
Heute sitzen beide wieder in der Führungskanzel der Landesverwaltung. Florian Zerzer ist 2014 Richard Theiner als Direktor ins Ressort Raumentwicklung, Umwelt und Energie gefolgt. Und Ulrich Stofner ist seit dem Spätsommer 2016 der neue Ressortdirektor von Landeshauptmann Arno Kompatscher. Zuständig für die Bereiche „Wirtschaft, Innovation und Europa“.
Ulrich Stofner und Florian Zerzer haben aber noch etwas gemeinsam, das sie lieber nicht an die große Glocke hängen. Beide sitzen neben ihrem öffentlichen Landesauftrag auch in einem privaten Unternehmen. Zerzer nur als Teilhaber, Stofner sogar als Verwaltungsratspräsident des Unternehmens.
Geht das überhaupt?
„Alles regulär“, sagen beide unisono zu salto.bz. So einfach ist das aber nicht.
Die Gesetzeslage
Die Spielregeln sind klar.
Am 26. Mai 2015 tritt die neue Personalordnung des Landes in Kraft. In Artikel 13 dieses Gesetzes werden unter dem Titel „Unvereinbarkeit und Verbot der Ämter- und Auftragshäufung“ auch die Nebenbeschäftigungen der Landesangestellten geregelt.
Im Gesetz heißt es:
- Nicht zulässig ist die Ausübung einer unternehmerischen oder freiberuflichen Tätigkeit;
-
Nicht zulässig ist es, Mandate in Gesellschaften zu übernehmen, die eine Gewinnabsicht verfolgen.
Es gibt aber eine Ausnahmebestimmung. Abweichend von diesen beiden Verboten darf man mit einer Ermächtigung des Generaldirektors der Landesverwaltung „außerhalb der Arbeitszeit gelegentlich geringfügige Tätigkeiten ausüben“.
Eine besondere Einschränkung gilt für die Führungskräfte des Landes. Im Gesetz heißt es: „Die Führungskräfte können nur zur Ausübung von gelegentlichen zeitweiligen Nebentätigkeiten ermächtigt werden, die einen minimalen Arbeitsaufwand bezogen auf die zugeteilten Aufgaben mit sich bringen“.
Das Personalgesetz sieht eine eigene Durchführungsverordnung zu den Nebentätigkeiten für Landesbedienstete vor. Diese erlässt Landeshauptmann Arno Kompatscher per Dekret am 15. Jänner 2016. In der Durchführungsverordnung wird noch einmal detailliert zusammengefasst, was erlaubt ist und was einer Meldung an den Arbeitgeber und einer Genehmigung durch die Personalabteilung bedarf. Unter den genehmigungspflichtigen Nebentätigkeiten sind dabei angeführt: Handelstätigkeit, gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit sowie Mandate in Gesellschaften, die eine Gewinnabsicht verfolgen.
Auch hier gibt es einen eigenen Artikel, der diese Regelung für die Führungskräfte noch einmal verschärft. Sie brauchen eine Stellungnahme ihres direkten Vorgesetzten und die Genehmigung des Generaldirektors der Landesverwaltung.
Stofners Elektromotorrad
Die Realität schaut aber anders aus.
Am 10. Dezember 2015 wird in Bozen die „Amo GmbH“ gegründet. Das Unternehmen gehört zu 76 Prozent Ulrich Stofner und zu 24 Prozent ausgerechnet dem früheren SVP-Landesrat und Stofner-Vorgesetzten Werner Frick. Der eingetragene Gesellschaftszweck: „Entwicklung und Verbesserung der urbanen Mobilität Entwicklung“. Genaueres steht in den Satzungen der Gesellschaft: „ Design, Engineering, Herstellung, Assembling, Vermarktung, Vertrieb und Verkauf von elektrobetriebenen Zweiradmobilen und Zubehör, sowie ...(...)... von Geräten (Hardware) und Programmen (Software) für die Digitalisierung und Konnektivität der Verkehrsteilnehmer, des Verkehrs im allgemeinen und des Zweiradverkehrs im Besonderen.“
Am 21. Dezember 2015 meldete die Amo GmbH bei der Bozner Handelskammer offiziell ihren Tätigkeitsbeginn an. Das Unternehmen wird bis heute als „aktiv“ geführt.
Zu diesem Zeitpunkt ist Ulrich Stofner noch Direktor der BLS. Weil die Bestimmungen zur Unvereinbarkeit und den Nebenbeschäftigungen auch für öffentliche Körperschaften gilt, die vom Land abhängig sind, hätte Stofner – laut Gesetz - die Firmengründung spätestens Anfang 2016 melden und eine Genehmigung einholen müssen.
„Mein damaliger Arbeitsvertrag sah vor, dass ich Nebenbeschäftigungen nachgehen kann“, sagt Ulrich Stofner. Es war ein Vertrag, der damit eindeutig gegen die geltenden Landebestimmungen verstoßen hat.
Spätestens mit dem Wechsel Ulrich Stofners ins Palais Widmann aber gelten für den Ressortdirektor die Spielregeln des Landes. Salto.bz liegen mehrere Arbeitsverträge von Ressortdirektoren vor. In diesen Standardverträgen des Landes heißt es: „...erklärt, neben seiner Tätigkeit als Landesbediensteter keine Handels-, gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit auszuüben“.
Es gibt keinen Arbeitsvertrag für Ressortdirektoren, der es erlaubt, Verwalter eines privaten Unternehmens zu sein. Denn das verstößt eindeutig gegen das Gesetz und seinen Arbeitsvertrag.
„Ich habe die Beteiligung gegenüber dem Landeshauptmann, aber auch dem Personalamt transparent dargelegt“, sagt Ulrich Stofner zu salto.bz. Dort habe es keine Einwände gegeben.
Verkehrte Welt
Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen.
Jeder Landesangestellte, der nebenbei auch nur zehn Quadratmeter landwirtschaftlichen Boden bearbeitet, muss das der Personalverwaltung melden und sich diese Nebentätigkeit genehmigen lassen. Auch wenn eine Landesangestellte in einer Band spielt und zwei bezahlte Auftritte im Jahr hat, muss sie dafür eine Ermächtigung der Personalabteilung einholen.
Und nicht nur das. Die Landesbestimmungen sehen auch vor, dass alle ermächtigten Nebentätigkeiten sowie die dafür kassierten Entschädigungen einmal im Jahr auf der Internetseite der Landesverwaltung veröffentlicht werden müssen. Allein vom 1. Jänner 2017 bis zum 21. Juli 2016 wurden in dieser Liste 1720 Angestellte geführt. Dabei geht es auch um Beträge von 50 Euro.
Und auf der anderen Seite gibt es die rechte Hand des Landeshauptmannes, der Besitzer, Verwaltungsratspräsident und Verwalter einer Beraterfirma für den urbanen Verkehr ist. Und hier wird das Ganze einfach mündlich abgesegnet.
Ulrich Stofner ist als Ressortdirektor nicht nur für die Wirtschaft zuständig, sondern auch für die Innovation. Die Amo GmbH will ein Elektromotorad projektieren und vertreiben sowie innovative Verkehrslösungen entwickeln. Man braucht kein Jurist zu sein, um hier einen potentiellen Interessenkonflikt zu sehen.
Jeder Landesangestellte, der nebenbei auch nur zehn Quadratmeter landwirtschaftlichen Boden bearbeitet, muss das der Personalverwaltung melden und sich diese Nebentätigkeit genehmigen lassen. Auf der anderen Seite gibt es die rechte Hand des Landeshauptmannes, der Besitzer, Verwaltungsratspräsident und Verwalter einer Beraterfirma für den urbanen Verkehr ist. Und hier wird das Ganze einfach mündlich abgesegnet.
„Ein Interessenkonflikt ist völlig ausgeschlossen,“ meint hingegen Ulrich Stofner, „weil das Unternehmen nicht tätig ist.“ Der Ressortdirektor argumentiert deshalb, dass er sein Unternehmen dem Land auch nicht melden muss und keine Ermächtigung braucht.
Damit wird die Logik der Bestimmungen auf den Kopf gestellt. Denn normalerweise entscheidet der Arbeitgeber, ob ein Interessenkonflikt besteht und nicht der Arbeitnehmer. Doch das Land weiß bis heute offiziell nichts von der Existenz des Stofner-Unternehmens.
Dass diese Situation nicht ganz koscher ist, zeigt die unmittelbare Reaktion des Betroffenen nach der Salto-Recherche. „Ich habe beschlossen mein Verwaltungsmandat in dem Unternehmen zurückzulegen“, sagt Ulrich Stofner am Mittwoch. So sei er auch formal in Ordnung.
Zerzers Baufirma
Auch Florian Zerzer befindet sich in einer Situation, der man getrost eine schiefe Optik zuschreiben kann.
Der Ressortdirektor von Richard Theiner und damit höchster Funktionär im Raumordnungsassessorat ist ausgerechnet Mitgesellschafter in einer Baufirma.
Die „Zerzer & Partner GmbH“ wurde am 28. September 2009 gegründet. Das Unternehmen mit Sitz in Mals gehört zu 60 Prozent Benedikta Brunner, der Partnerin von Florian Zerzer, zu 20 Prozent Agnes Zerzer, der Mutter von Florian Zerzer und zu 20 Prozent Florian Zerzer selbst. Der Gesellschaftszweck: Bau und Verkauf von Immobilien.
Der Ressortdirektor von Richard Theiner und damit höchster Funktionär im Raumordnungsassessorat ist ausgerechnet Mitgesellschafter in einer Baufirma.
„Wir haben aus steuerrechtlichen und Haftungsgründen dieses Unternehmen gegründet, um unser Elternhaus umzubauen“, erklärt Florian Zerzer die Firmengründung. Die „Zerzer & Partner GmbH“ hat zwischen 2013 und 2014 das Elternhaus in Mals umgebaut, ein halbes Dutzend Wohnungen errichtet und einige davon auch verkauft. „Es ist ein reiner Bauträger, der mit dem Wohnungsverkauf den Neubau finanziert hat“, sagt Zerzer zu salto.bz.
Florian Zerzer sagt, er habe bereits vor Jahren diese Firmengründung dem damaligen Personalchef des Landes Engelbert Schaller gemeldet. Und er bekam dafür eine Ermächtigung. Mit dem Erlass der neuen Durchführungsverordnung zu den Nebentätigkeiten im Jänner 2016 wurde per Rundschreiben das gesamte Landespersonal aufgefordert, die Nebenbeschäftigungen zu melden. „Man hat mir im Personalamt gesagt, dass ich nichts mehr melden muss und in Ordnung bin“, sagt Florian Zerzer.
Es ist eine merkwürdige Interpretation. War Zerzer bei der Firmengründung noch als Ressortdirektor in der Sanität und im Sozialen tätig, so sitzt er seit Anfang 2014 an der obersten Schaltstelle der Südtiroler Urbanistik. Dass der Ressortdirektor gleichzeitig Mitbesitzer einer Bau- und Immobilienfirma ist, dürfte ein klarer Interessenkonflikt sein.
Florian Zerzer sieht das nicht so. „Das Unternehmen war ja nur in Mals beim Umbau unseres Elternhauses tätig und sonst nirgends“. Deshalb gebe es keinen Interessenkonflikt.
Das kann man aber auch durchaus anders sehen.
Auf dem Papier ist die „Zerzer & Partner GmbH“ eine Baufirma, die aktiv ist, nach dem Umbau des Elternhauses weiterbesteht und jederzeit überall in Südtirol tätig werden kann. Zudem beackert das Unternehmen auch noch andere Wirtschaftszweige.
In den Jahren 2008 bis 2010 schrieb das Land einen Wettbewerb zur Förderung des weiblichen Unternehmertums aus. Insgesamt suchten rund 80 Neo-Unternehmerinnen um einen Beitrag an. Im November 2010 beschloss die Landesregierung, 64 Unternehmen zu unterstützen. 18 Gesuchsteller wurden abgewiesen.
Unter den Gesuchstellern, die leer ausgingen, findet man auch die „Zerzer & Partner GmbH“. Das Familienunternehmen des Ressortdirektors wollte vom Land 50.000 Euro. Offiziell für „Beratung bei Hotels und Pensionen“.
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Schon traurig, dass immer
Schon traurig, dass immer wieder zuerst der Franceschini herumstirgn muss, bis die hohen Herren mit den hohen Löhnen verstehen, was wie zu sein hat ... :-(
Franceschini ist für die
Franceschini ist für die Rechtsstaatlichkeit in Südtirol von unabschätzbarer Bedeutung. Was sagt das über unser Land, wenn es ihn stets aufs Neue braucht?
Es wäre sehr nützlich, wenn
Es wäre sehr nützlich, wenn der Artikel mehr verlinken würde, so z.B. auf die Seiten der veröffentlichten Nebentätigkeiten.