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Die Passion des Mathematik-Jongleurs

Der Mathematikprofessor Andreas Hamel wurde an der Wirtschaftsfakultät zum
best teacher gewählt. Er hält auch Jonglier-und Tangokurse

„Die Zeit, wo man Jobs hinterherrennt, ist irgendwann vorbei. Dann beginnt die Zeit, wo man sich einen Job sucht", sinniert Andreas Hamel. Dass seine Übersiedlung von New York nach Bruneck eine eher ungewöhnliche Entscheidung sei, mag der Mathematiker nicht bestreiten: „Nach acht Jahren USA wollten wir zurück nach Europa. Ich habe mich an einigen Universitäten beworben, darunter in Bozen. In Manhattan kann man mit Kindern schwer leben, hier aber  gut. Bruneck ist ein Ort, an dem man gerne verweilt. Ich komme weiß Gott genug in der Welt herum. Das hier ist wie ein Rückzugsort, in dem man sich gut erholen und wo man ungestört arbeiten kann." Nach Südtirol kam der gebürtige Sachse erstmals im Jahr 2000 - zum Wandern in der Texelgruppe. Im Pustertal war er vorher noch nie.

Best teacher

Hamel lehrt Mathematics for Economists am Uni Campus Bruneck, der von 300 Studenten im Bereich der Tourismus-Wissenschaften besucht wird. Dort habe er „gute Erfahrungen mit den Leuten gemacht". Von ihm vorgeschlagene Initiativen seien wohlwollend aufgenommen worden. Seine zwei Söhne besuchen den italienischen Kindergarten, "weil sie deutsch und englisch schon können." Die Studenten der Wirtschaftsfakultät wählten den 49-jährigen im letzten Studienjahr zum beliebtesten Professor. Eine ungewöhnliche Ehre für einen Mathematiker. Einen, der sein spröde wirkendes Lehrfach mit Engagement, Leidenschaft und Phantasie attraktiv gestaltet.
 

Mathematik ist nicht schwieriger als das Erlernen einer Sprache mit Vokabeln und Grammatik", gibt er sich überzeugt. "Wer sie verabscheut, hatte einen schlechten Lehrer.

Seine in Princeton entwickelte Unterrichtmethode versucht, negative  Vorurteile abzubauen und die Neugier der Studenten zu stimulieren. "Sie müssen einen Sinn erkennen in dem, was sie tun und die Überzeugung gewinnen, daß sie daraus Nutzen ziehen können. Wichtig ist, daß die Studenten untereinander ins Gespräch kommen und sich gemeinsam über Lösungen unterhalten", versichert Hamel.
Die Wahl des Studienfaches hatte einen direkten Bezug zu seiner Vergangenheit als DDR-Bürger: „Mathematik ist politisch und ideologisch nicht manipulierbar, Linientreue kann man dabei nicht fordern". Von der Wende habe er profitiert, weil sich der Weg ins Ausland öffnete. Das „schönste Jahr seines Lebens" verbrachte Hamel am Instituto Nacional de Matematica pura e aplicada in Rio de Janeiro. Dann übersiedelte er an die angesehene Princeton-University, wo seine Frau noch bis zum Sommer Finanzmathematik unterrichtet. Die letzten Jahre lehrte er an der jüdischen Jeshiva-Universität in New York.

Jonglieren als geometrisches Spiel

Auch seine Leidenschaft für das Jonglieren wurzelt in der Mathematik: „Jongliermuster lassen sich perfekt in Zahlensysteme übertragen", schwärmt der Professor und kritzelt gleichzeitig Zahlen und Verbindungslinien auf ein Blatt. "Bei jeder Zahlenreihe kann man überprüfen, ob sie jonglierbar ist oder nicht." In Leipzig und Nazareth hat der umtriebige Professor schon Workshops zum Thema „Juggling and Mathematics" gehalten. Es handelt sich nicht um seine einzige Passion: der seit 12 Jahren begeisterte Tango-Tänzer wandelt sich einmal wöchentlich zum Tanzlehrer für 20 Studenten, die an seinem Abendkurs Interesse bekundet haben. Sicher erinnert ihn auch das schwungvolle Drehen beim argentinischen Tango an eine Sequenz von Kreisen.

 

Geometrie des Feuers

Geometrie des Feuers

Snowbord wie Tango

Hamel reizt die Herausforderung. Während seine zwei Söhne den Skikurs am Kronplatz besuchen, versucht sich der Vater als Snowboarder. „Körperhaltung und Gewichtsverlagerung haben Ähnlichkeiten mit dem Tango", stellt er befriedigt fest. Sein vordringlicher Forschungsbereich ist die „Set-Optimization", ein mathematisches Teilgebiet, das nicht einzelne Daten vergleicht, sondern Datensätze:

Wie wenn man zwei Fußballmannschaften vergleicht statt einzelne Spieler - eine Ansammlung vieler Varianten, die als Ganzes komplexer und schwieriger zu berechnen sind.

Ein zukunftsträchtiges Fachgebiet, das etwa im Finanzsektor neue Perspektiven eröffnet - vor allem bei der Risikobewertung.  Die Titel seiner zahlreichen Publikationen freilich können bei Laien bestenfalls ratloses Schulterzucken auslösen: „Directional Derivatives, Subdifferential and Optimality Conditions for Set-Valued Convex Functions." Doch es müsste nicht mit rechten Dingen zugehen, wäre einer wie Andreas Hamel vom absoluten Nutzen der Mathematik im Alltag jedes Menschen nicht felsenfest überzeugt: „Es besteht kein Zweifel daran, dass gute Mathematikkenntnisse das Leben erheblich erleichtern." Dasselbe dürfte in den Augen des unothodoxen Professors allerdings auch auf den Tango zutreffen.