Politics | Kommentar

Polizeistadt

In Bozen regieren schon lange nicht mehr die Politiker, sondern die Polizei und die (Sicherheits-)Beamten.

Wenn Sie wissen wollen, wer das Sagen in der Landeshauptstadt hat, dann fragen Sie einmal einen Wirt, einen Ladenbesitzer oder einen Organisator. Alle drei werden Ihnen dieselbe Antwort geben: Die Stadtpolizei und die Beamten und Beamtinnen des Umwelt- oder Lizenzsamtes.
Nicht die Politiker, nicht der Bürgermeister oder die Stadträte bestimmen in Bozen, sondern jene, die mit preußischem Eifer über die Einhaltung zum Teil wahnwitziger Bestimmungen und Gesetze wachen.
Tagtäglich prallen hier Welten aufeinander. Unternehmer oder Privatpersonen, die etwas tun wollen, kollidieren mit den rigiden Vorgaben und Auslegungen der Gemeindebehörden. Es ist ein großes Reich in dem Amtsdirektoren wie Gianluca Segatto (Amt Amt für den Schutz der Umwelt und des Territoriums) oder Fabiola Petilli (Amt für Wirtschaftstätigkeiten und Konzessionen) herrschen. Die Politik schaut weg. Und wäscht ihre Hände in Unschuld.

Nicht die Politiker, nicht der Bürgermeister oder die Stadträte bestimmen in Bozen, sondern jene, die mit preußischem Eifer über die Einhaltung zum Teil wahnwitziger Bestimmungen und Gesetze wachen.

Jetzt werden Sie natürlich sagen: Das ist völlig übertrieben. Gesetze müssen eben eingehalten werden. Dazu sind sie ja da. Was natürlich stimmt.
Aber auch dann wenn die Bestimmungen völlig verrückt sind?
Lassen Sie mich zwei Episoden schildern, die sich in den letzten Tagen in Bozen zugetragen haben.

Ein befreundeter Unternehmer feiert den zehnjährigen Geburtstag seines Betriebes. Er plant ein Fest zu dem mehrere Hundert Leute persönlich eingeladen werden. Das Fest findet auf privaten Grund und Boden statt. Weil man aber auch dafür eine Genehmigung braucht, muss er bei der Gemeinde ansuchen. Für die Musik zahlt man sowieso SIAE-Gebühren. Der Gemeinde muss der Unternehmer einen Plan vorlegen, wie seine Gäste parken.
Bis hier hin, kann man sagen: Verwaltung eben, vielleicht etwas schwerfällig.
Dann aber: Das Lizenzamt der Gemeinde schreibt vor, dass der Unternehmer mindestens zwei Security-Leute für den Abend anstellen muss. Konkret heißt das, dass mir die Gemeinde vorschreibt, wie ich meine privaten Feste in meinem Betrieb oder bei mir zu Hause zu gestalten habe. Eben mit zwei Muskelpaketen im Anzug. Sonst gibt eben keine Lizenz. Es lebe die persönliche Freiheit!
Doch das ist noch nicht alles. In der Gemeinde Bozen gibt es eine Regelung, dass man bei privaten Festen mit mehr als 100 Eingeladenen zwei Tage vor dem Fest dem zuständigen Amt eine alphabetisch geordnete Liste der Eingeladenen zukommen lassen muss.
Nein, Sie haben sich nicht verlesen. Privacy? Zählt hier anscheinend nicht. Wahrscheinlich gehört es zu öffentlichen Sicherheit, dass das Lizenzamt und die Stadtpolizei wissen müssen, wer mit wem abfeiert.
Die Stasi lässt grüßen.

Haben Sie jemals etwas von der „Ente Nationale per L´ Aviazione Civile“ (ENAC) gehört?
Diese staatliche Behörde wird im nächsten Jahr 20 Jahre alt und spätestens seit die Bozner ENAC mit Manfred Mussner einen Südtiroler Direktor hat, scheint die Flugbehörde plötzlich über das gesellschaftliche Leben der Stadt Bozen mitzubestimmen.
Obwohl der Bozner Flughafen angeblich nicht funktioniert, tut man plötzlich so als sei der Flughafenrisikoplan wichtiger als die Verfassung, das Autonomiestatut und die Französische Revolution zusammen.
So beim geplanten Elysium School’s Out Festival, das am Mittwoch Abend in der Bozner Diskothek Life über die Bühne ging. Die Veranstaltung, bei der ab 19 Uhr einige Bands auftreten sollten, fand in der Bozner Industriezone statt. Dort liegt mehr oder weniger alles in der Einflugschneise des Flughafens: Twenty, Bozner Messe, Hotel Sheraton, das Eisstadion und auch das neue Mega-Einkaufszentrum der Aspiag, das demnächst entstehen soll.

Obwohl der Bozner Flughafen angeblich nicht funktioniert, tut man plötzlich so als sei der Flughafenrisikoplan wichtiger als die Verfassung, das Autonomiestatut und die Französische Revolution zusammen.

Die Bozner Stadtpolizei, die ENAC und Renzo Caramaschi gaben so den Organisatoren des School´s Out die Erlaubnis, das Fest erst nach Ende des Flugverkehr um 22 Uhr zu beginnen. “Wenn einem ein Flugzeug auf den Kopf fällt, dann schmerzt das!”, rechtfertigte Neo-Bürgermeister Renzo Caramaschi diese Gesetzesauslegung im Gespräch mit salto.bz.
Ebenso haben die Gemeindebehörden bereits Kontrollen im neuen Gebetszentrum der Muslime vorgenommen, das ebenso innerhalb der Einflugschneise liegt. Wahrscheinlich wird sich auch Allah an die Flugzeiten der Südtirol-Air halten müssen. Religionsfreiheit zählt nicht mehr, wenn Stadtpolizei und ENAC antanzen.
Bleibt die Frage, ob auch in Innsbruck, in Berlin oder hundert anderen Metropolen dieser Welt, in denen die Einflugschneise quer über die Stadt geht, das öffentliche Leben jedes mal erlischt, wenn ein Flugzeug landet.

Am Ende werden uns die zuständigen Herren und Damen sicher eine superlogische Erklärung auch für diese Bestimmungen servieren.
Das ändert aber nichts daran, dass das Regeln eines totalitären Regimes sind. Eines Polizeistaates. Bozen ist längst zur Polizeistadt geworden, in der weder der gesunde Menschenverstand, noch die Regel des normalen Zusammenlebens einer Zivilgesellschaft gelten. Was zählt ist nur das Gesetzbuch, die Paragraphen und der unbändige Wille der Gemeindeverwaltung den unmündigen Bürger per Strafe und Verboten erziehen zu müssen.

Was zählt ist nur das Gesetzbuch, die Paragraphen und der unbändige Wille der Gemeindeverwaltung den unmündigen Bürger per Strafe und Verboten erziehen zu müssen.

Renzo Caramaschi und Christoph Baur hätten es in der Hand, hier ein Umdenken in den Gemeindeämtern einzuleiten. Voraussetzungen dafür sind aber der Mut Verantwortung zu übernehmen und eine gewisse Freiheit im Kopf.
Doch beides ist in der heutigen Politik leider dünn gesät.