Society | Kaufhaus Tyrol

Zugpferd Benko

Misstrauisch beäugen die Bozner Kaufleute René Benkos Idee von einem Einkaufszentrum am Bahnhofsareal. Die Innsbrucker lehnen sich inzwischen entspannt zurück. Der Grund heißt KHT, Kaufhaus Tyrol. Sebastian Schneeman, Centermanager, über die Erfolgsgeschichte à la Benko.

Sebastian Schneemann ist Bundesdeutscher, 37 Jahre alt und seit 2011 Centermanager des Kaufhaus Tyrol (KHT) in Innsbruck. An der Erfolgsgeschichte des Lieblingskaufhauses in der Sammlung von René Benko bastelte er mit. In der Vergangenheit leitete Schneemann den Elbepark in Dresden, mit 180 Shops ist er dreimal so groß wie das Kaufhaus Tyrol. Das Attraktive hier sei "der Standort, die Historie des Gebäudes und der Anspruch an das Gebäude mit den darin angesiedelten Shops."

Mietpreise pro Quadratmeter wollte Schneemann für das KHT keine nennen, die würden individuell pro Branche verhandelt.

Herr Schneemann, die Innsbrucker Stadtverwaltung hat sich viel von dem Kaufhaus im Stadtzentrum erwartet. Auf welche Zahlenentwicklung können Sie verweisen?

Seit der Eröffnung im März 2010 erfreut sich das KHT großer Beliebtheit und hat mittlerweile mehr als 5,5 Millionen Besucher pro Jahr. Mit einem jährlichen Wachstum der Besucherzahlen zwischen sieben bis zehn Prozent sind wir mehr als zufrieden. 55 Prozent der Besucher kommen unmittelbar aus Innsbruck und weitere 20 Prozent aus Tirol bzw. den anderen Bundesländern. Rund 25 Prozent sind Touristen. Unsere Erwartungen, die der Stadt, aber auch die des unmittelbaren Umfeldes des KHT, wurden klar übertroffen.

Innsbruck wollte die Kaufkraft zurück ins Zentrum bringen – ist das gelungen?

Es gibt grundsätzlich einen Trend, der da lautet: „Weg von der Peripherie, weg von den Randlagen auf der grünen Wiese - zurück ins urbane Zentrum!“ und mit dem KHT haben wir sicherlich diese Entwicklung unterstützt. Dies sieht man einerseits an den neuesten Zahlen in der Maria Theresien Straße, aber auch an den durchschnittlich 18.000–20.000 Besuchern, die täglich das Kaufhaus besuchen. Der Neubau des Kaufhaus Tyrol war auch ein Anstoß für die Einzelhändler im Umfeld und für neue Marken wie etwa Nespresso oder Boss, die sich hier angesiedelt haben und zur weiteren Attraktivierung beitragen.

Alle scheinen von diesem Einkaufzentrum in der Stadt zu profitieren, gab es zunächst Skepsis von seiten der alt eingesessenen Innsbrucker Kaufleute?

Ja sicher, aber das ist ein ganz normaler Vorgang. Wenige Gebäude in einer Stadt werden so intensiv diskutiert und eng begleitet wie ein neues Einkaufszentren im Herzen der Stadt. Durch den intensiven und engen Dialog mit den Bürgern, mit Behörden und der lokalen Wirtschaft, gelang es aber die Skeptiker zu überzeugen. Jetzt sieht man die positiven Auswirkungen.

Laut einer Studie der Stadt Innsbruck ist die Frequenz in der Innenstadt durch das KHT um zehn Prozent gestiegen. Dies sagte René Benko in der Südtiroler Wochenzeitung FF. Können Sie etwas näher darauf eingehen?

Folgendes Beispiel besagt alles: 2010 war die Innsbrucker Maria Theresien Straße auf Platz 5 mit 121.800 gezählten Besuchern im österreichweiten Ranking der Frequenz der Einkaufsstraßen. 2012 schon auf Platz 2 mit 218.900 gezählten Besuchern.

Wo kaufen Menschen lieber ein: Im Einkaufszentrum oder flanierend durch die Straßen?

Die Erfahrung zeigt: Ein Center kann nur dann dauerhaft erfolgreich sein, wenn auch das Umfeld dauerhaft funktioniert. Die anspruchsvollen Kunden von heute wollen beides – die Vorteile eines Centers (hell, sicher, sauber, Parkplätze, witterungsunabhängig) sowie den Charme der gewachsenen Einkaufsstraßen und Fußgängerzonen – ich habe oben schon vom „Zurück in die Stadt gesprochen!“. Umfragen haben ergeben: Die allermeisten Centerbesucher gehen ins KHT und in die Fußgängerzone, weil sie das als ein Ganzes verstehen, als eine Art „gesamtes Innenstadtkaufhaus“.

Wie schaut das Verkehrskonzept des Kaufhaus Tyrol aus? Gibt es einen Verkehrsanstieg in der Innenstadt durch das Einkaufszentrum?

Die Tiefgarage ist in einer Gemeinschaftsanlage mit über 800 Parkplätzen mitten in der Stadt integriert. Der Anteil der täglichen Besucher, die mit dem Auto kommen, liegt nicht höher als zehn Prozent. Es hat somit keinen Verkehrsanstieg gegeben.

Das KHT bietet Platz für etwa 50 Geschäfte. Mit den Marken Swatch und Lindt konnten Sie 2012 starke Konzepte ins Kaufhaus holen. Wer sind die zentralen Anziehpunkte für die Käufer?

Anker bzw. Magnetmieter sind wesentlich. Im Kaufhaus Tyrol sind das die Geschäfte Mpreis, H&M, P&C, Intersport und Saturn. Ein einmaliger und maßgeschneiderter Branchenmix ist wesentlich, damit ein Kaufhaus gelingt, die Besucher müssen sich wohlfühlen, es soll ein Treffpunkt sein, für die Menschen. Ein gutes Marketingkonzept und ein vorausschauendes Management sind natürlich unerlässlich. Das bedeutet, ein Einkaufszentrum muss sich stets weiterentwickeln und verändern, auf die Anforderungen der Kunden reagieren.

Es gilt ein ganzes Paket an Faktoren zu berücksichtigen?

Zunächst ist ein gutes Grundkonzept das Um und Auf. Das Schlagwort hier: Architektur trifft Funktionalität. Wesentlich ist auch ein nachhaltiges Energiekonzept, damit die Nebenkosten niedrig bleiben. Wir kühlen und heizen das Kaufhaus Tyrol zum Großteil mit Hilfe von Innwasser, d.h. sogenannte Wärmetauscher bzw. Pumpen wandeln die Energie entsprechend um. Das verringert die Energiekosten, die Abhängigkeit und ist vor allem viel ökologischer und nachhaltig.

Neben diesen technischen Faktoren sind die menschlichen nicht zu unterschätzen?

Genau. Eine gute Partnerschaft mit Stadt und Händlerumfeld ist sehr wichtig. Wir können in Innsbruck auf intensive und gute Beziehungen zum Stadtmarketing und zu den Kaufleuten der Innenstadt sowie zu anderen Centerbetreibern verweisen. Wir sind sehr zufrieden, es findet ein starker Informationsaustausch statt.

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Klaus Egger Fri, 07/19/2013 - 16:13

Oje, das klingt doch so schön. Lassen wir den Benko nur machen und Bozen wird erblühen, oder? Einige Dinge werden hier aber bewusst verschwiegen:

-Einkaufsfläche: Das Kaufhaus Tyrol hat eine Verkaufsfläche von 26.000m² - in Bozen verlangt Benko 40.000m² (ähnlich viel wie die gesamte Verkaufsfläche der Innenstadt)

-Integrierter Struktur: Das Kaufhaus Tyrol gab es schon sehr lange. Benko hat eine bestehende Einkaufsstruktur minimal erweitert und optimiert - in Bozen würde ein komplett zusätzliches Einkaufserlebnis entstehen.

-Einkaufszentrum: "Bozen braucht ein Einkaufszentrum" heißt es schon lange. Dann kam Podini und baute eins. Ok, ist doch sogar in Ordnung und trägt dem Wunsch der Verbraucher Rechnung. Zur Zeit wird dieses gerade auf die doppelte Verkaufsfläche erweitert. Ja, wie viel brauchen wir noch?

-Mietpreise: Mietpreise will der Einkaufsmanager keine nennen. Klar, denn Insider wissen, dass die großen Ketten nichts zahlen (wenn sie nicht sogar noch was dafür bekommen), die Kleinen aber bluten müssen. Und wieder und noch mehr nicht mehr Herr oder Frau ihres eigenen Geschäftes sind, sondern abhängig von Einkaufszentrumsmanagern und die Vorgabe der großen Konzerne.

Der Tod der Kleinen Geschäfte findet meist nicht durch die besseren Produkte der anderen statt, sondern durch den langen Atem der Konzerne im Preisdumping, Lohndumping und Öffnungszeitenflexibilität. Hier gilt es als öffentliche Hand die Interessen der Kleinen zu schützen und den großen Konzernen die Grenzen aufzuzeigen.

Fri, 07/19/2013 - 16:13 Permalink