Es gibt da diesen Witz von den Virologen, die sich bei der Menschheit beschweren: „Seit eineinhalb Jahren sagen wir euch jetzt, was zu tun ist, aber ihr hört nicht auf uns!“ Derweil wälzen sich die Klimaforscher hysterisch lachend auf dem Boden. Es stimmt: Dass wir auf eine Klimakatastrophe zusteuern, ist keine sehr neue Information. Bereits 1912, also zu einer Zeit, als meine Großeltern Kinder waren, warnte ein kurzer Artikel in einer neuseeländischen Zeitung vor den verheerenden Folgen des Kohleverbrauchs für die Erdatmosphäre „in einigen Jahrhunderten“. Dass damals noch niemand in Panik verfiel: geschenkt, aber auch in den letzten Jahrzehnten ließ sich das Thema noch einigermaßen gut verdrängen. In der Schule redeten wir über das Great Barrier Reef und wie schade es doch sei, wenn es kaputt ginge, über Überschwemmungen in Bangladesch und ganze Landstriche, die im Meer verschwinden würden. Wir rechneten uns im Kopf heimlich durch, wie alt wir sein würden, bis das richtig losginge, die Lehrer*innen schon eher auf der älteren Seite, die Schüler*innen doch noch jung genug, um das voll mitzukriegen, und beschlossen dann, dass das schon irgendwer in die Hand nehmen würde. War ja doch noch einige Zeit hin, und die ganz schlimmen Dinge passierten sowieso ganz woanders, nicht bei uns. Ich erinnere mich an einen Radiobericht vor einigen Jahren über die Chancen des Klimawandels für Südtirol. Es werde möglich sein, auch in den höheren Lagen Äpfel anzubauen, hieß es da. Dass es vielleicht irgendwann auch möglich sein wird, im Tal eine Wüstenrallye auszutragen, davon war keine Rede.
Von der Politik wünsche ich mir Mut und Entschlossenheit, parteiübergreifend Dinge anzugehen, die vielleicht nicht bei allen auf Begeisterung stoßen werden, aber nötig sind
Nun ist es aber leider so, dass die ganze Chose einen Tick schneller vonstattengeht als erwartet. Wer es bisher erfolgreich geschafft hat, auszublenden, dass ein Rekordsommer den nächsten jagt, dass es jährlich mehr Unwetterkatastrophen, Dürreperioden, Gletscherschmelze etc. gibt, dem dürfte spätestens angesichts der Bilder von vergangener Woche Übles geschwant haben. Hochwasser praktisch vor unserer Haustür. Menschen, die nicht nur ihr Hab und Gut auf einen Schlag verlieren, sondern auch ihr Leben, und das nicht auf der anderen Seite der Weltkugel. Wir müssen halt immer selbst kalte Füße bekommen, sonst nehmen wir die Gefahr nicht ernst. Das war bei Corona nicht anders: War es anfangs doch ein „Problem der Chinesen da drüben“, vor dem man sich schon abzuschirmen wissen würde. Tja. Hat nicht wirklich gut geklappt. Die Hochwasserkatastrophe in Deutschland und Österreich muss keine direkte Folge der Erderwärmung gewesen sein. Möglicherweise wäre sie auch ohne unser eifriges Zutun geschehen. Dass solche Phänomene aber wegen der Erderwärmung zunehmen, daran besteht mittlerweile bei Wissenschaftler*innen kein Zweifel mehr. „Ober bei ins konn des net passieren“, hört man dieser Tage immer wieder, halb trotzig, halb flehend. „Wir können nichts ausschließen“, meint dazu leider der Direktor der Agentur für Bevölkerungsschutz. Wir sind keine Insel der Seligen mehr. Südtirol existiert nicht unter einer Käseglocke. Die Erderwärmung ist ein globales Problem, und wir werden uns spätestens jetzt mit ihr auseinandersetzen müssen, ob wir wollen oder nicht. Das ist natürlich unschön, weil wir dank Corona eh mal keine ganz so easy Zeit haben, aber wir haben keine Wahl. Die Zeiten sind so. Alltag mit Einsprengseln von Apokalypse.
Wir müssen halt immer selbst kalte Füße bekommen, sonst nehmen wir die Gefahr nicht ernst
Was ich mir also jetzt wünsche, das ist die Einsicht, dass wir alle ein bisschen zurückstecken müssen bei unserem Lebensstil und unseren Bequemlichkeiten. Dass ein*e jede*r von uns einen Beitrag dazu leisten muss, die Katastrophe wenn schon nicht mehr aufzuhalten, dann wenigstens abzuschwächen. Uns bei Konsum bewusst zu entscheiden oder einzuschränken, das Auto stehen zu lassen, auf Flugreisen zu verzichten (und hier insbesondre den Bozner Flughafen links liegen zu lassen, sorry Gostner Brothers), etc., das mag anfangs Unannehmlichkeiten bedeuten für diejenigen, die das nicht ohnehin schon seit Längerem so machen, aber hey: Die größte Unannehmlichkeit von allen wäre immer noch, dass wir uns selbst den Garaus machen, indem wir einfach nichts ändern. Von der Politik wünsche ich mir Mut und Entschlossenheit, parteiübergreifend Dinge anzugehen, die vielleicht nicht bei allen auf Begeisterung stoßen werden, aber nötig sind. Wir müssen nicht von heute auf morgen das perfekte grüne Vorzeigeland werden, aber Sachen vorantreiben, die länger schon drängen. Verträgliche Landwirtschaft, verträglichen Tourismus. Attraktive Öffis. Aus dem Bummelzug Meran-Bozen endlich eine wirkliche Alternative zum Auto machen. Begrünen statt Zubetonieren. Da gäbe es eine ganze Liste an Anliegen, für die es jetzt wirklich an der Zeit wäre. Weil die angesichts dessen, was wir alles schon verabsäumt haben, immer kostbarer wird. Gehen wir’s bitte an.