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Bis dass der Tod euch scheidet

Der Messner-Film "Sturm am Manaslu" lebt von authentischen Funkgesprächen und zeigt auch wie es zwischenmenschlich "funkt". Ob dadurch ein ganzer Film funktioniert?
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Foto: Salto.bz

„Herrliche Berge, sonnige Höhen, Bergvagabunden sind wir“, heißt es in einem alpenländischen Bergsteigerlied. Im Duktus des volkstümlichen Schlagers schleicht sich auch die Bergsteiger-Doku Sturm am Manaslu auf die Leinwand, versandet allerdings etwas seicht im verzerrten kollektiven Erinnerungsvolumen einer geselligen Herrenrunde (mit Dame). Dabei hat die spektakuläre Geschichte rund um die Ereignisse am Manaslu von vor 50 Jahren durchaus Potential, wie vor allem die in den Film eingesetzten Funksprüche von damals vermitteln. 
 

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Filmische Erinnerung: Die "fehlenden" Manaslu-Protagnisten Andi Schlick und Franz Jäger / Bildquelle: Dolomites Film


Lieben, Leben, Überleben und Tod. Genau ein halbes Jahrhundert nach der Tiroler Manaslu-Expedition 1972, die mit dem mysteriösen Tod der beiden Bergsteiger Andi Schlick und von Franz Jäger endete, kommt es im Film zu einem Treffen der überlebenden Wolfgang Nairz, Oswald (Bulle) Ölz, Hansjörg Hochfilzer, Horst Fankhauser. Sie besteigen in der Messner-Doku den Gipfel von Schloss Juwal und werden von Reinhold Messner und Diane Schumacher am Schlosstor empfangen. Alles folgt einer perfekten Inszenierung, die im Drehbuch sicher flott nachzulesen ist, im Film aber etwas zu aalglatt arrangiert und deshalb etwas abgekartet daherkommt.
 

So hängt das Filmdokument – als solches hat es unbestreitbar einen historischen Wert – dramaturgisch zu wenig in luftigen Höhnen und verlässt gestalterisch nur selten das Bodenständige.


Vorsichtig und bedacht beginnen die Bergfreunde ihr kollektives Erinnerungsgespräch. Man verzeiht es ihnen, dass sie sich behutsam annähern und man wartet geduldig bis der Film Fahrt aufnimmt. Doch das passiert irgendwie nicht, vielleicht weil sich der Hausherr beim Wiedersehen überraschend zurückhält und galant die Geladenen zu Wort kommen lässt. Dazwischen schnipseln sich Fotos und etwas hölzern gedrehte Reenactment-Szenen. Wunderbare Drohnenaufnahmen leisten das Ihrige, aber irgendwann fragen sich auch eingefleischte Drohnenaufnahmen-Liebhaber*innen: Die wievielte Schlossumrundung aus der Vogelperspektive war das jetzt? Dabei beginnt der Film vielversprechend: Die Kamera schleicht sich zu den Klängen einer Flöte durch das Tal, Richtung Manaslu. So wuchtig, wie der Berg auf der großen Leinwand da steht, ist auch die Erwartungshaltung. Doch sie kippt wie ein See. Der Film, der immer wieder aufzeigen will, dass er keine reine Nacherzählung ist, verheddert sich im (selbst-zensurierten) Erzähl-Korsett. Die um Jahrzehnte jüngere Partnerin Messners bleibt als Gastgeberin lediglich Zuhörerin, ist nie Vermittlerin zwischen den Generationen, oder zwischen dem jeweiligen Bergfex und den "gewöhnlichen Menschen", die nicht so mutig für derartige Gipfelstürme waren (und sind). So hängt das Filmdokument – als solches hat es unbestreitbar einen historischen Wert – dramaturgisch zu wenig in luftigen Höhnen und verlässt gestalterisch nur selten das Bodenständige.
 

Sehr hörenswert auch der "Leichen"-Song "Da Hofa" von Wolfgang Ambros während sich die Kamera von Berg und Publikum verabschiedet.


Von der erlebten Orientierungslosigkeit, dem bitteren Herumirren im Nebel, von möglichen Sinnestäuschungen in der körperlichen Überanstrengung, über eiseskalten Wahn im Gipfelrausch; ja, davon erfährt man, aber die filmische Erzählung wirkt in Teilen einfach unausgegoren. Auch beim "gemeinsamen" Erinnern an die Tragödie der beiden Freunde bleibt vieles in der Gletscherspalte. Schade.
 

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Kollektives Erinnern: Himmelbestattung oder Tod unter der Lawine? Bildquelle: Dolomites Film


Und dennoch lohnt sich der Bergsteigerfilm Messners. Etwa, wenn die Männer – drei der Expeditionsteilnehmer von 1972 waren damals werdende Väter – über ihr Vatersein sprechen (oder schweigen), wenn die halsbrecherischen Bergerlebnisse kurz auf der Strecke bleiben, wenn die ein oder andere Bergsteiger-Träne in den Film tropft und die zuhörende Männer-Seilschaft so versteinert und wortkarg dasteht, wie Schloss Juwal auf der Felskuppe.
Richtig dick Butter trägt der Film auf, wenn Hausherr Reinhold Messner seine Tischnachbarin Diane Schumacher (nach einem Plädoyer über hausgemachte Erfolgsstrategien) anscheinend überraschend anmoderiert: "Bei dieser Gelegenheit muss ich Diane fragen, ob sie mich ehelichen will." Sie entgegnet mit "Im Ernst?" kurz und knapp und weniger stürmisch, wie der Titel des Films. So ist der "Sturm am Manaslu" manchmal auch nur ein "Sturm im Wasserglas". Dabei war die Expedition 1972 doch ein richtiges (wenn auch tragisches) Abenteuer gewesen. Samt Gipfelsturm. Dies belegen (und beleben) zum Glück die großzügig in die Dramaturgie eingesetzten Funksprüche, die da immer wieder (und wohl auch im Sinne der Produzenten und Kinobetreiber) lauten: Bitte kommen!
 

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Zeitsprung: Touristische Entwicklung am Manaslu / Bildquelle: Dolomites Film