Politics | Regionalrat

Der Auszug der Opposition

Die Regierungsmehrheit wollte zeigen, dass sie sich durchsetzt. So hat man die umstrittenen neuen Kabinettsposten in der Region mit der Brechstange durchgesetzt.
Kompatscher, Consiglio regionale
Foto: SALTO/Val
  • Die Fronten sind seit Tagen klar verteilt.
    Auf der einen Seite die vereinte Opposition, die vor allem gegen die „haushaltfremden Passagiere“ im Nachtragshaushalt mobil macht. Auf der anderen Seite, die Regierungsmehrheit, die exemplarisch aufzeigen will, dass man sich auch gegen die Obstruktionspolitik der Minderheit durchsetzen kann. 
    Es ist ein politischer Fight, dessen Bedeutung längst über den eigentlichen politischen Inhalt der umstrittenen Bestimmungen hinausgeht. Bei der Auseinandersetzung im Regionalrat geht es nur mehr darum, zu zeigen, wer das Sagen hat.
    Seit Tagen läuft die Opposition vor allem gegen zwei Bestimmungen Sturm, die man in den Nachtragshaushalt der Region geschmuggelt hat. 
    Bisher haben nur der Präsident der Region und der Präsident des Regionalrates ein Kabinettsamt, jetzt will man dieses Amt aber auch für den Vizepräsidentin der Region, (derzeit Julia Zanotelli/Lega) und den Vizepräsidenten des Regionalrates (derzeit Sepp Noggler/SVP) einführen. Die politische Minderheit läuft gegen diese Postenvermehrung Sturm. 
    Der zweite Zankapfel ist die Herabsetzung des Beteiligungsquorums bei den Gemeinderatswahlen 2025. Die Wahlen sollen auch dann gültig sein, wenn ein Kandidat oder eine Kandidatin, der als Einziger für das Bürgermeisteramt antritt, nur 40 Prozent der Stimmen der in den Wählerlisten eingetragenen Wählerinnern und Wähler auf sich vereinen kann. Bisher sind es 50 Prozent . 

  • Abgewürgte Obstruktion

    Mehrmals versucht vor allem Arno Kompatscher eine Einigung mit der Opposition zu finden. So wird die Regionalratssitzung immer wieder zu Beratungen und Fraktionssprechersitzungen unterbrochen. Das Angebot: Die Mehrheit zieht einen der umstrittenen Artikel zurück. Dieser soll dann im September behandelt werden. Dafür muss die politische Minderheit aber jetzt schon versprechen, dann auf Obstruktion zu verzichten.

  • Präsident Arno Kompatscher: Opposition steigt auf Kuhhandel nicht ein. Foto: Kompatscher, Consiglio regionale
  • Darauf will sich die Opposition verständlicherweise aber nicht einlassen. Schon in den vergangenen Tagen hatte die Minderheit mehrere hundert Abänderungsanträge eingereicht. Am Donnerstag wachsen diese Anträge auf beinahe 600 an. Zudem reizen die Abgeordneten der politischen Minderheit in der Generaldebatte ihre Redezeit von einer Stunde aus, um so den Übergang in die Artikeldebatte und die Behandlung zu verzögern.
    In der Generaldebatte greift die Mehrheit kaum ein, man überlässt der Minderheit die Bühne. 
    Am Donnerstagabend schafft man dann mit 34 Ja- und 21 Neinstimmen den Übergang in die Artikeldebatte. 
    Hier kontern die Regierungsparteien aber mit einem beliebten Trick. Man legt eine Art Maxi-Änderungsantrag vor, der alle Artikel des Gesetzentwurfs ersetzt. Regionalratspräsident Roberto Paccher stellt den Antrag als ersten zur Debatte und Abstimmung. Wird diese Änderungsantrag angenommen, verfallen aber alle Anträge der Opposition, weil diese sich noch auf den alten Gesetzestext beziehen.
    Die Opposition allen voran Brigitte Foppa (Grüne) und Paul Köllensperger (Team K) protestieren vehement gegen diese undemokratische Vorgangsweise. Nach einer Unterbrechung und Beratung erklärte Köllensperger, dass die Opposition den Saal verlassen werde. 

  • Kompatschers Grinsen

    Für die Grünen war diese Debatte und Abstimmung eine der miserabelste Stunden des Regionalrates

    Es ging um eine wichtige Sache, nämlich um die Demokratie. Im Regionalrat hat man die letzten zwei Tage über die Demokratie diskutiert. Soll man künftig in kleineren Gemeinden, wenn nur 1 Bürgermeisterkandidat:in zur Wahl antritt, das Beteiligungsquorum auf 40% heruntersetzen, ja oder nein? „Wir finden: Nein. Es ist ein verheerendes Signal, dass es immer weniger Beteiligung braucht. Man müsste auf Erleichterung der Beteiligung setzen, anstatt sich selbst eine Bankrotterklärung auszustellen,“ sagen die grünen Regionalratsabgeordneten Brigitte Foppa, Madeleine Rohrer, Zeno Oberkofler und Lucia Coppola in einer Aussendung. Sie erinnern an den zweiten strittigen Punkt, nämlich die Einführung des Kabinettschefs für den wirklich ziemlich bedeutungslosen Vizepräsident der Region – auch dies ein ungutes Signal von Postenbeschaffung und unnützen Privilegien.
    Die grüne Fraktion hat in dieser Sitzung für die Sache gearbeitet, sich zu Wort gemeldet, Streichungsanträge und Tagesordnungen vorgelegt. „Das ist unser parlamentarischer Auftrag, wir nehmen ihn sehr ernst – auch im Gegensatz zu anderen Kollegen, die sich gar nicht erst blicken ließen, ihren Urlaub genossen oder auf Hälfte der Arbeiten verschwanden,“ so die Grünen.
    Es war dann ein unerhörtes Vorgehen, dass die Mehrheit um 23:40 Uhr einen Änderungsantrag (erstunterzeichnet von Maurizio Fugatti) vorlegte, der alle anderen übersprang und somit verfallen ließ. Da er erst 22 Minuten vorher eingebracht worden war und nicht auf der digitalen Plattform der Abgeordneten zu finden war, gab es keine Möglichkeit, hier noch Änderungen vorzunehmen. Präsident Paccher erklärte diese Frist kurzerhand für abgelaufen und somit war die gesamte Arbeit der Opposition umsonst. „In allgemeiner Stille und mit manchem verhohlenen Grinsen hat die SVP und LH Kompatscher dieses miese Spiel mitgetragen. Man hat über Demokratie diskutiert, und am Ende hat man sie im eigenen Gremium regelrecht zunichte gemacht. Es ist die niederste und miserabelste Stunde des Regionalrats, die gestern um 23.18 Uhr geschlagen hat,“ so die Abgeordneten der Grünen Fraktion. Ihre Arbeit an der Sache werden sie fortführen.

    Foto: Seehauserfoto
  • Die Verabschiedung

    Ihr könnt euch dieses Gesetz allein genehmigen“, erklärt der Team-K-Chef Paul Köllensperger , „wir gehen“. Unmittelbar danach verlassen sowohl die Trentiner als auch die Südtiroler Abgeordneten der Opposition den Sitzungssaal. 

  • Kritiker Paul Köllensperger: „Ihr könnt euch diesen Haushalt allein genehmigen“. Foto: Seehauserfoto
  • Jetzt geht es schnell. Weil niemand aus der Mehrheit das Wort ergreift, werden der Nachtragshaushalt und die entsprechenden Begleitgesetze im Schnelldurchgang verabschiedet. Kurz nach Mitternacht wird der Nachtragshaushalt mit den Stimmen der Mehrheit genehmigt. Mit einem kleinen Schönheitsfehler.
    Der Haushalt wird von den Trentiner und Südtiroler Regionalratsabgeordneten getrennt abgestimmt. Dabei bedarf es der absoluten Mehrheit. Diese erreichen aber nur die Trentiner Abgeordneten mit 20 Stimmen. Weil die Südtiroler Regierungsmehrheit klein ist und die zwei Abgeordneten Waltraud Deeg und Angelo Gennaccaro bei der Abstimmung fehlen, schafft man am Ende nur 16 von nötigen 18 Stimmen. 
    Daher wird der Haushalt an das regionale Organ zur neuerlichen Prüfung der Haushaltsvoranschläge und Rechnungslegungen weitergeleitet.
    Eine Formsache.

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Günther Stocker Fri, 07/19/2024 - 10:09

Nur mehr zum Schämen!
Die SVP weiss nicht mehr wo ihr der Kopf steht!
Ohne jegliche Verantwortung, nur mehr ein Postenschacher ersten Grades!

Kompliment an die SVP und Kompatscher Wähler!

Fri, 07/19/2024 - 10:09 Permalink
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Peter Gasser Fri, 07/19/2024 - 10:24

Demokratieverständnis: Null!

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Man möge mal in einer Volksschule, Mittelschule oder Oberschule erklären, wie diese Demokratie faktisch funktioniert, und wie hier unhygienisch herumgetrickst, anstatt gemeinsam ein Konsens gesucht wird.

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Sonntagsreden versus Praxis...

... und wir wollen in Punkto Demokratie ein Beispiel für die restliche Welt geben....!???

Fri, 07/19/2024 - 10:24 Permalink
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Salto User
Cicero Fri, 07/19/2024 - 11:37

Ein peinlicher Provinzstadel aller erster Güte. Die betreffenden Damen und Herrn, egal welcher Parteicouleur, begreifen nicht im Ansatz welchen Schaden sie mit ihrem Auftreten der Demokratie zufügen. Furchtbar.

Noch etwas zu Herrn Kompatscher. Ich war am Anfang ein großer Unterstützer und habe eine Menge Hoffnungen in ihn gesetzt. Er wollte alles anders machen. Den Mief der Durnwalder Jahre vertreiben, Politik transparenter machen, die SVP öffnen, Hinterzimmer Deals und "Packteleien" sollten der Vergangenheit angehören. Nach nun mehr als zehn Jahren kann man nur zum Schluss kommen, dass er kolossal gescheitert ist. Unter seiner Ägide hat die SVP nahezu 20% ihrer Stimmen verloren, seine Entscheidungen sind oft schwer nachvollziehbar, alles andere als transparent und teils von persönlicher Eitelkeit geprägt. Schade, aber seine Regierungszeit wird am Ende eine verpasste Chance für ein moderneres Südtirol sein.

Ich schreibe das als langjähriges (enttäuschtes) SVP Mitglied und SVP Wähler.

Fri, 07/19/2024 - 11:37 Permalink