Gurgisers Ungeduld
Wo liegt der Unterschied zwischen einem Tiroler und einem Südtiroler? „Bei uns steht das Handeln an erster Stelle, bei Euch das Diskutieren“, lautet die Antwort von Fritz Gurgiser. Zumindest in Sachen Beschränkungen des Transitverkehrs ist dem Gründer des Tiroler Transitforums wenig entgegenzuhalten. Auch wenn das Sektorale Fahrverbot Ende 2011 vom Europäischen Gerichtshof gekippt wurde, gilt für LKW ab dem Brenner ein weit strengeres Regiment als in Südtirol. Ob Nachtfahrverbot oder generelles Fahrverbot für Lastkraftwägen der Schadstoffklassen Euro 0 bis 2, ob Mautaufschläge oder Roadpricing: Spätestens seit die Inntalstrecke im Jahr 2002 als Luftsanierungsgebiet ausgewiesen wurde, reißen die Bemühungen nicht ab, die hohe Schadstoffbelastung der Bevölkerung einzudämmen. Wie die neue Grüne Tiroler Verkehrslandesrätin Ingrid Felipe zuletzt in einem Interview mit der Tiroler Tageszeitung ankündigte, soll noch heuer das sektorale LKW-Fahrverbot wieder eingeführt werden sowie das Tempo-100-Limit für PKW auf der Inntalautobahn kommen. Auch über ein noch strengeres Tempolimit für LKW sowie ein Fahrverbot für Euro-3-LKW wird bereits seit längerem diskutiert.
Auf der anderen Seite des Brenners ist von solchem Aktionismus nur zu Träumen. Eine der wenigen Schutzmaßnahmen, das Fahrverbot für LKW der Klasse Euro 0 für die A22, wieder abgeschafft. Vor allem aber kommen LKW auf der Strecke Brenner-Verona weit billiger zu fahren als in Tirol. Wie eine Berechnung des Transitforums auf Basis der Tarife vom September 2012 zeigt, zahlt ein 40-Tonner auf der A22 0,13 Cent pro Kilometer, auf der Strecke zwischen Kufstein und Innsbruck mit 0,33 Cent mehr als doppelt so viel. Noch weit ausgeprägter wird die Differenz zwischen Innsbruck und Brenner mit 1,32 Euro.
Fehlende Unterstützung in Südtirol
Doch nicht nur starke Einbrüche im Schienentransport, sondern auch die Tiroler Luftwerte zeigen, dass alle Bemühungen jenseits des Brenners bislang wenig Effekt zeigen. Laut dem Anfang August veröffentlichten Luftgütebericht des Landes Tirols bleiben die Stickstoffdioxid-Emissionen seit sieben Jahren stabil auf hohem Niveau; immer noch werden die EU-Grenzwerte an mehr als der Hälfte der Prüfstationen überschritten. Für Transitgegner Fritz Gurgiser gibt es dafür eine klare Erklärung: „Der große Fehler ist, dass sich alle Bemühungen der Vergangenheit auf die Strecke Kufstein - Brenner reduziert haben, während von Brenner bis Verona nichts passiert ist.“ Die Folge? Bis zu einem Drittel der rund 1,8 Millionen Transitfahrten über den Brenner machen bewusst einen Umweg, weil die Brenner-Strecke die mit Abstand billigste Alpenüberquerung sei.
Zahlen, die auch in Südtirol längst bekannt sind. Obwohl sie, nicht zuletzt seit der Auflösung der Südtiroler Transitinitiative, mittlerweile weit weniger oft vorgebracht werden als in der Vergangenheit. Denn sieht man von einer jüngst vorgestellten Studie ab, die laut Landesrat Richard Theiner belegt, dass das Leben entlang einer Transitstrecke alleine keine höhere Gesundheitsgefährdung mit sich bringe, wird über das Thema trotz sommerlicher Verkehrswelle und Wahlkampf zumindest auf politischer Ebene nicht einmal diskutiert. Weit höher im Kurs sind derzeit Baustellenbesichtigungen des Brennerbasistunnels. Der ist neben dem Verweis auf mangelnde Kompetenzen auch die liebste Ausrede der Landesregierung , wenn es um Maßnahmen gegen die Emissionsbelastung geht. „Seit dem Jahr 2000 wird uns der BBT jedes Mal als Beruhigungspille serviert, wenn wir das Thema wieder einmal aufs Tapet bringen“, meint der Geschäftsführer des Dachverbandes für Natur- und Umweltschuz Andreas Riedl. "Damals hieß es allerdings noch, dass er 2014 oder spätestens 2017 fertig wäre.“
Auftrag für länderübergreifende Maßnahmen
Ähnlich schwach ist zumindest laut dem Chef des Transitforums die oft vorgebrachte Begründung, dass Südtirol bei Verkehrsbeschränkungen die Hände gebunden seien, weil die Kompetenz in Rom liege. „Das ist eine reine Schutzbehauptung“, meint Fritz Gurgiser. „Für die Umsetzung der EU-Luftreinhaltrichtlinie sind die Länder verantwortlich.“ Doch was tun, wenn diese Verantwortung nicht wahrgenommen wird? Zumindest auf politischer Ebene hat Gurgiser noch während seiner Zeit im Tirol Landtag einen Impuls gegeben: Mit einem von seinem Bürgerklub-Tirol eingebrachten und im Oktober 2011 angenommenen Beschlussantrag wird die Tiroler Landesregierung zu umgehenden Verhandlungen mit Bayern, Südtirol und dem Trentino sowie Deutschland und Italien aufgefordert. Das Ziel? Erstmals gemeinsame Maßnahmen von Rosenheim bis Verona zu verordnen, mit denen gleiche Bedingungen wie auf den anderen Alpentransitrouten hergestellt werden. Ein ähnlicher Antrag wurde übrigens im heurigen Februar vom Südtiroler Landtag angenommen – eingebracht vom Abgeordneten der Südtiroler Freiheit Sven Knoll.
Passiert ist bislang nichts. Und das wird es laut Gurgiser auch nicht, solange die Bevölkerung nicht mehr politischen Druck macht. „Die Südtiroler müssen endlich einmal klipp und klar sagen, dass es hier um ihre Gesundheit geht, darauf haben sie schließlich ein Grundrecht.“ Vielleicht, meint er, muss er auch einfach wieder selbst öfter nach Südtirol kommen. „Denn sonst geht hier nie etwas weiter.“
(k)eine Gesundheitsgefährdung
und wie erleben das die Anrainer an der Brennerautobahn?