Culture | Salto Weekend
Kinderspiel mit Krawatten
Foto: Rene Gamper
Es ist ein dankbarer Text, den das Freie Theater Bozen auf die Bühne bringt und einer der, wie der Prinz selbst (Rebecca Halm, sie spielt den Prinzen sanft, macht ihn aber nicht kleiner und leiser, als er es auf einer Bühne sein muss und ohne, dass man das Gefühl hätte, hier wird künstlich Kind gespielt) mit geringen Mitteln zufriedenzustellen ist: Drei Schauspieler teilen sich die in der Fassung von Regisseur und Dramaturg Reinhard Auer neun Rollen auf und das so, dass die Zeit für die Kostümwechsel nicht mal knapp ist, oder einer im selben Kostüm zwei Figuren spielen müsste. Die Kostüme (Sieglinde Michaeler und Walter Granuzzo) sind dabei einfach, schlicht und ähnlich dem, was im kollektiven Gedächtnis durch die Illustrationen und die Lektüre aus Kindertagen festsitzt. Allein beim Prinzen wundert man sich etwas über Sakko und Krawatte, wo er doch die großen Leute nicht immer verstehen kann und sich gerade sein Freund der Pilot anfangs über das Krawattentragen auslässt. Das Sakko hilft mit der Besetzung von Halm, so muss auf der Bühne keine Prinzessin aus dem Prinzen werden, Fliege statt Schlips hätte es aber schon sein dürfen.
Der Look ist jedenfalls gewollt, man schafft die Verbindung auch zur Krawatte tragenden Band. Diese wirkt mit Tamburin, E-Bass und Akkordeon etwas zusammengewürfelt, ihre Hauptaufgabe ist es die Szenenübergänge glatter zu gestalten. Auch die anderen beiden Schauspieler tragen mehrheitlich (Christoph Morais Fortmann als Pilot, König und Weichensteller, nicht aber als Geograph mit Fliege), oder gelegentlich ( Gabriele Langes als Fuchs, nicht aber als Blume, Geschäftsfrau oder Schlange). Besonders tut man sich in zwei Rollen hervor: Marais Fortmann als schizophren anmutender, leicht verstörender König (eine gelungene Neuinterpretation) auf einem der Asteroiden, die der Prinz bereist und Gabriele Langes als Schlange und Metapher für den Tod. Der Tod will, wenn er personifiziert auf die Bühne tritt, ein gewisses Maß an Gravitas, welches hier nicht zu vermissen war.
Gestrafft wird das Stück, welches mit Pause fast zwei Stunden dauert, auf dem Weg zur Erde: Von den Asteroiden 325 bis 330 die der Prinz besucht, werden 326 (die Welt des Eitlen), 327 (die des Säufers) und 329 (die des Laternenanzünders) nacherzählt statt gespielt. Die Asteroiden oder Planeten - hier war schon der Autor Antoine de Saint-Exupéry nicht wirklich konsequent - sowie die Sahara sind dabei auf ein und die selbe Bühne von Albert Gross verpflanzt, die, alles mit einheitlichem Stoff bedeckend die Erwartung eines Aufdecken weckt, die ausbleibt. Man hält sich bedeckt. einmal kommt es zu tektonischer Aktivität und eine Bühnenhälfte verformt sich unter einem zu ungestümen Sprung, die vom Publikum aus gesehen rechte Bühnenhälfte wird umspielt.
Die anderen Verschiebungen im Stück sind subtiler, eine Sache der Interpretation. Zum einen verschiebt sich die Erzähl-Perspektive weg vom Ich des Piloten der dem Prinzen in der Wüste begegnet und dem Buch als Pseudo-Autor und Projektionsfläche für Saint-Exupéry dient. Der Pilot rahmt das Stück nur noch, indem er durch Bruchlandung und Abflug mit Modellflugzeug und selbstgemachte Motorengeräusche eine Klammer schafft und sich anfangs und am Ende direkt ans Publikum wendet. Es wurde weniger zum Bericht des Piloten und mehr zum Stück des Prinzen, von welchem die großen Leute ohnehin mehr zu lernen hatten. Andererseits lädt Langes die Blume des kleinen Prinzen mit sexueller Energie auf und verdreht Halm durch streicheln und einen Beinahe-Kuss den Kopf, lässt die eitle Blume noch kalkulierender als in der Vorlage erscheinen. Das passt wenig zur unschuldigen Verliebtheit des Prinzen.
Ein Kuriosum gab es noch bei der Landung auf der Erde, im Grunde eine Wiederholung eines solchen des Autors. Saint-Exupéry beschrieb im Buch von 1943 zu Beginn des 16. Kapitels die Erde in Zahlen und sprach von Rund 2 Milliarden „großen Personen“, beim Freien Theater Bozen sind es „fast acht“. Dass man auf diese Zahlen nur mit der gesamten Weltbevölkerung und nicht nur mit den Erwachsenen kommt, sei erwähnt. Dass man selbst in einem Werk für Kinder - sowie für einen Erwachsenen, Widmungsträger Léon Werth - noch immer die Kinder zu den Erwachsenen zählt ist zumindest nennenswert, wo man die Rechnung schon neu gemacht hat.
Genau solche kleinen Unterschiede zeigen allerdings auch auf die Schönheit des Texts der seit 2015 gemeinfrei und somit nur eine Google-Suche entfernt ist: Der kleine Prinz lässt sich nicht nur zweimal - im Kindesalter und als Erwachsener - sondern fast beliebig oft lesen. Dass man dabei die täuschend einfachen Metaphern komplett neu deutet, ist selten. Subtile Verschiebungen gibt es dabei allerdings immer und an einige der Sentenzen des Textes - ich zitiere sie an dieser Stelle lieber nicht, da sie ohnehin zu oft ihrem Kontext entnommen werden - kann man uns nicht oft genug erinnern.
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