Politics | Unvollständiges Bild

Klimaplan:Graue Energie bleibt außen vor

Bei den Klimaschutzzielen ist die Landesregierung ehrgeizig, aber ausgehend von einem unvollständigen Datenbild. Ein erheblicher Teil der Treibhausgase bleibt außen vor.
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Die Landesregierung setzt sich beim Klimaschutz ehrgeizigere Ziele als der Green Deal der EU, sagte LH Kompatscher bei der Vorstellung des Klimaplans letzte Woche. So will man die derzeit angeblich 4,4 t CO2 pro Person bis 2030 auf 3,3 t senken und bis 2050 gar auf 1,5 t. Das entspräche dann mehr oder weniger Klimaneutralität, weil der Rest durch CO2-Senken kompensiert würde. 2030 nur mehr 3 t CO2 pro Kopf: das geht freilich nur, wenn man einen gehörigen Teil der vom Durchschnittssüdtiroler verursachten Treibhausgase einfach ausblendet, nämlich die gesamte im Land verbrauchte „graue Energie“ und zudem ganze Sektoren unter den Tisch fallen lässt.

Tatsächlich stellt der angekündigte Klimaplan (der Volltext ist noch nicht online, nur einige Daten) nicht auf den tatsächlichen ökologischen Fußabdruck der Südtiroler:innen ab, sondern basiert auf einem anderen Ansatz. Im sog. Inlandskonzept oder Territorialkonzept werden sämtliche Energieverbräuche in einem bestimmten Gebiet erfasst und monitoriert. Darin ist nicht enthalten, was ein „Inländer“ außerhalb des Gebiets an Treibhausgasen verursacht. Vor allem nicht die in der Unmenge an importierten Gütern und Dienstleistungen enthaltene sog. Graue Energie. „Im Klimaplan wird von den 4,5 t CO2 pro Einwohner ausgegangen, die das System Land Südtirol verbraucht," sagte der Chef der Umweltagentur Flavio Ruffini im RAI-Frühstücksradio am 16.9., „und den wollen wir reduzieren.“ Nun wäre das System Südtirol aber ohne die graue Energie in wenigen Tagen am Ende. Die Bilanz ist so nicht vollständig.

Zum Vergleich: für die Schweiz wird geschätzt, dass gut 60% aller Umweltschäden, die von Schweizern verursacht werden, außerhalb des Landes zu verorten sind (Studie des Bundesamtes für Umwelt). Für Österreich zeigen Daten zu den konsumbasierten Emissionen, dass diese zu 50-60% über den produktionsbezogenen (territorialen) Emissionen liegen, also jenen Emissionen, die in Österreich selbst erfasst werden. Die CO2-Pro-Kopf-Emissionen Italiens liegen 2020 bei 6,5 t. Dieser Umstand trifft auf mitteleuropäische Konsumgesellschaften wohl allgemein zu, und ohne Zweifel auch auf die Provinz Italiens mit dem höchsten BIP pro Kopf und hoher Tourismusintensität. Den einzigen Vorsprung, den Südtirol aufweist, ist der hohe Anteil an Erneuerbarer Energie bei der Strom- und Wärmeerzeugung. Doch das ist kein Grund, sich auf für Klimaneutralität nicht ausreichenden Lorbeeren auszuruhen.

Außerdem bleiben zwei wichtige Bereiche komplett außen vor: „Zum einen die Autobahn, weil wir Promotoren sind, aber keine Entscheidungskompetenz haben. Zum anderen Die Landwirtschaft aufgrund der Komplexität,“ sagte LH Kompatscher (DOLOMITEN, 15.9.21). Was ist daran so komplex: man muss nur GVE, Futtermittelinput und Gülleoutput zählen. Hat doch der EURAC-Klimareport schon ermittelt, dass 18% der Treibhausgase in Südtirol aus der Landwirtschaft stammt. Wenn LR Schuler Reduktionsziele für die Milchwirtschaft anstrebt, warum werden diese Daten nicht erfasst und publik? Wenn tausende Tonnen Futtermittel, Dünger, Pestizide, Ausrüstungsmaterial in diesen Sektor fließen, verursachen sie anderswo eben CO2. Oder sind Kühe in einem Südtiroler Stall klimaneutral und auch die 1,6 Millionen Hammen Schwein, die jährlich im Land zu Speck geräuchert werden? Auch ein beträchtlicher Teil des Verkehrs auf der A22 ist Ziel- und Quellverkehr für Südtirol und damit Teil des Systems.

„Beim Klimaplan geht es darum, ein System umzustellen und Daten zur Verfügung zu haben,“ sagte Ruffini am 14.9. auf RAI Südtirol, „wir haben die Daten zum jährlichen Energieverbrauch.“ Doch ist in den bisher bekannt gegebenen Zahlen weder die gesamte vom System benötigte Energie enthalten, noch die graue Energie, mit welcher Emissionen nach außen verlagert werden. Ein seriöser Klimaanpassungsplan müsste das leisten. Zu Recht schreibt der DfNUS: „Diese offensichtliche Beliebigkeit und Austauschbarkeit der Zahlen und damit der Zielsetzungen in Dokumenten, die beide von der Landesregierung in einem Abstand von nicht einmal zwei Monaten vorgestellt wurden, werden der Wichtigkeit und Dringlichkeit der Themen Klimakrise und Klimaschutz einfach nicht gerecht.“

Mehr zu solchen Fragen gibt es in der Veranstaltungsreihe "Laboratorium Klimaschutz" alle zwei Wochen vom 28.9. bis zum 14.12.2021 in Bozen.