Culture | Salto Afternoon

Mare e Monti

Gestern noch am Berg, seit heute morgen bereits auf hoher See. Das Festival Transart kennt keine Höhenunterschiede und Berührungsängste.
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Foto: Salto.bz

Es gehört schon fast „zum guten Ton“ – um es im Transart-Slang zu sagen –, dass das Festival alljährlich auch einmal am Vigljoch Halt macht. Auch in diesem Jahr waren viele am Zeitgenössischen interessierte Besucherinnen und Besucher mit der Seilbahn auf das Vigljoch gelangt und erkundeten von der Bergstation aus einige Sommerfrisch-Residenzen und die auf sie zugeschnittenen musikalischen Inhalte. Seit weit über 100 Jahren ist der Hügel hoch über der Großgemeinde Lana ein passender Rückzugsort – für gut betuchte Hotelgäste, Wanderer, Nostalgiker, Musiker und sonstige Kulturliebhaber.
 


„Die kleinen Sommerfrische-Häuser beherbergen in ihrer Intimität unzählige – ungehörte – Geschichten“, hieß es in der Ankündigung, und das Projekt Frische/Otium gewähre ein „Eintreten und Eintauchen in ebendiese.“  Von Haus zu Haus flanierend entdeckte das Publikum demnach „vielfältige Mikrokosmen“, welche vom Mailänder mdi-Ensemble „mit Werken aus dem 20. und 21. Jahrhundert zum Klingen gebracht wurden.“
 


Bereits in Haus 1 (The Mad Piano House), einem Bauwerk aus den 1911/12 Jahren und geplant vom bekannten Architekten Josef Musch, geht es beim Klavierspiel mit vollem Körpereinsatz zur Sache. Zu hören gibt es Kompositionen von Sylvano Bussotti, Francesco Filidei, Helmuth Lachenmann, Henry Covell, Arnold Schönberg und John Cage. Daneben erfahren die Zuhörer auch Spannendes zur Geschichte des Gebäudes, etwa, dass die Räume in den 1930er Jahren auch für den Unterricht mit jüdischen Kindern aus Meran genutzt wurden.
Im House of Ghosts ertönte Musik von Alvin Lucier, in Wald und Wiese bei Haus 3 Raffaele Marsicano und im Haus selbst (Bei Helmut) Kompositionen von Helmuth Lachenmann, Giorgio Netti und Luigi Nono.

Ab 1. November 2022 wird die Seilbahn komplett erneuert. Zukunftsmusik.

Wandernd und in städtischer Kleidung – wie einst Vigljoch-Ausflügler Erich Kästner – geht es dahin, ins Haus der Erinnerung (zu Musik von Beat Furrer, Silvia Borzelli und Anton Webern), in die Feldman Chapel, in die Stanze di Luciano (Luciano Berio, Bruno Maderna), in die Casa del futuro (Alessandro Bono. Arianna Pittino, Carlo Elia Praderio, Maurizio Azzan, Giulia Lorusso, Zeno Baldi, Ingrid Macus) oder in den Giardino di Salvo (Salvatore Sciarrino).
Dazwischen gab es immer wieder Geschichten vom Vigljoch am Wegrand oder in den Häusern und Gärten. Insbesondere der Maler Hans Josef Weber Tyrol war es gewesen, der zur Bahneröffnung 1912 in großformatigen Bildern der Meraner Wandelhalle diesen Zauberberg bildhaft und einladend zu Papier brachte. 110 Jahre später hat sich am Vigljoch nicht vieles, aber dennoch einiges geändert. Und eine nächste große Veränderung steht demnächst an: ab 1. November 2022 wird die Seilbahn komplett erneuert. Zukunftsmusik.
 

Frische Luft und Musik und Abschied von der alten Bahn / Video: Salto.bz


Mit Overseas geht das Festival Transart in seine letzte Veranstaltungswoche. Dabei handelt es sich um die seit heute, 10 Uhr, in Gang gesetzte Videoinstallation des in Hamburg lebenden Südtiroler Künstler*innenduos TÒ SU (Martina Mahlknecht und Martin Prinoth). Es ist der erste Teil einer Trilogie über Arbeitsbedingungen auf Hoher See und entstand in Kollaboration mit sechs Seeleuten aus dem pazifischen Inselatoll Kiribati, die während der Covid-19-Pandemie im Hafen von Hamburg festsaßen. Die Installation ist bis 22. September (10 bis 18 Uhr) im NOI-Techpark zugänglich.