Economy | Landtagswahlen 2013

Stegers zweite Chance

Er ist der große Herausforderer von Wirtschaftslandes Thomas Widmann. Kaufleutedirektor Dieter Steger präsentiert sich in seinem zweiten Wahlkampf als wirtschaftlicher Erneuerer mit Hang zum Gemeinwohl. Doch reicht das für einen Sitz in der Landesregierung?

Es läuft nicht schlecht, in diesen letzten Wahlkampfwochen für SVP-Wirtschaftskandidat Dieter Steger. Den besten Beweis liefert der Donnerstag der abgelaufenen Woche. In der ff wird er als einer von sechs SVP-KanditatInnen aufgezählt, die am vergangenen Samstag an einer exklusiven Törggele-Runde mit Spitzenkandidat Arno Kompatscher und Österreichs Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle teilnehmen durften – und somit laut Spekulationen der ff auch in die künftige Landesregierung einziehen könnten. Am selben Tag im Alto Adige: „Widmann e Steger“: duello per la giunta“.

Als wäre das nicht genug, widmet am selben Tag auch die Neue Südtiroler Tageszeitung dem ehemaligen Landtagspräsidenten und Kaufleute-Direktor ihre Seite 2. Der Anlass? Stegers freiwilliger Verzicht auf die Unterstützung durch seinen Verband. Ein bewusstes Risiko, das ihn laut eigenen Einschätzungen 2000 bis 3000 Wählerstimmen kosten könnte. Doch zumindest die facebook-Kommentatoren lassen Hoffnung auf das Gegenteil aufkommen. „Die 7000 Mitglieder werden Dich und Deine Arbeit nicht vergessen“, wird dort unter anderem versprochen. Auch die grüne Konkurrenz applaudiert: „Hut ab, doppelt und dreifach“, schreibt Klaus Egger. Und selbst Markus Lobis bescheinigt dem Wahl-Bozner mit Pusterer Wurzeln seinem Bild von einem guten Politiker sehr nahe zu kommen. „Deine Ausführungen bei der Jahresversammlung des hds in Brixen spiegeln einen verantwortungsvollen, nachdenklichen und maßgerechten ökosozialen Ansatz wieder.“

„Es ist Zeit, umzudenken“

Dieter Steger ist zweifelsohne jener der fünf SVP-Wirtschaftskandidaten, der derzeit am überzeugendsten auf der Erneuerungswelle Arno Kompatschers mitsurft. Da gilt nicht nur im Vergleich zu Landesrat Thomas Widmann, über dem allen voran das Damoklesschwert einer laufenden Ermittlung wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs und der Bestechung hängt. Zu lange im Geschäft Brunecks Bürgermeister Christian Tschurtschenthaler, zu klar der Tourismuslobby zuordenbar Hansi Pichler und vielleicht doch eine Spur zu bodenständig und praktisch die einzige Frau in der Runde Heidi Felderer. Bei Dieter Steger scheint die Mischung dagegen am nächsten an jene Art von Politik heranzukommen, die Kompatscher nun verheißt. Ehrlich-transparent, weltoffen und vor allem höchstmotiviert Veränderungen herbeizuführen. Dass gilt bei Steger vor allem für die Wirtschaftspolitik, bei der der hds-Direktor auch über sein berufsbedingtes Eintreten für Regionalität und kleine Kreisläufe mit der Gemeinwohlökonomie liebäugelt und gegen reines Profitdenken und Neoliberalismus wettert. „Es ist dringend an der Zeit, umzudenken“, sagt er, „und auch wenn ich kein Rezept bei der Hand habe, ist klar, dass wir eine neue Wirtschaftsordnung definieren müssen, in denen Werte wie Vertrauen, Solidarität, Kooperation und Orientierung am Gemeinwohl eine Rolle spielen.“

 

Diskussion im Wirtschaftsflügel

Ansagen, die man bisher eher von den Arbeitnehmern erwartete als aus dem  Wirtschaftsflügel. Bricht nun also auch innerhalb der SVP-Wirtschaft ein ideologischer Richtungsstreit aus? „Wir haben in einer Sammelpartei eben auch innerhalb der Wirtschaft unterschiedlichen Grundhaltungen – von den Neoliberalen über die Liberalen bis hin zu Leuten wir mir“, meint Steger. Problem sieht er darin keines; zumindest solange es eine demokratische und partizipative Diskussion gibt. „Denn wir erleben derzeit eine Zeitenwende, in der niemand die Lösung dafür hat, was die richtige Wirtschaftspolitik ist“, sagt er. Deshalb laute die Losung der Stunde: Unterschiedliche Konzepte offen zu diskutieren und darüber zu streiten. „Nur so kann Entwicklung stattfinden“, ist er überzeugt.

Klar ist trotzdem, dass bei aller schönen Meinungsvielfalt nur einer oder eine die Hauptverantwortung für Südtirols Wirtschaftspolitik übernehmen wird. Und hier hat Landesrat Thomas Widmann einen mehrfachen Startvorteil. Zumindest 2008 konnte er mit über 18.000 Stimmen mehr als doppelt so viele WählerInnen von sich überzeugen als Dieter Steger mit etwas über 8000. Doch auch innerhalb der Partei kann sich Widmann nicht zuletzt der Unterstützung des langjährigen starken Manns des SVP-Wirtschaft, Präsident Gerhard Brandstätter sicher sein. Das zeigte sich erst am vergangenen Mittwoch, als die SVP-Wirtschaft den ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber nach Bozen lud – und der Landesrat entgegen vorheriger Absprachen auf dem Podium mit einer kurze Rede  ebenfalls staatsmännische Qualitäten beweisen durfte.

Enttäuschte Wirtschaftsverbände

Doch auch wenn Widmann selbst sich im Alto Adige siegessicher gibt und dazu einlädt, besser Steger als einen Arbeitnehmer zu wählen – schon wenn es nach den Wirtschaftsverbänden geht, sitzt er keineswegs ganz so fest im Sattel. Der mächtige Hoteliers- und Gastwirteverband mit seinen 5000 Mitgliedern hat mit Hansi Pichler seinen eigenen Kandidaten, mit dem sich Widmann mit teils absurden Methoden  einen Wettkampf lieferte. Die jüngste Watsche kam erst diese Woche vom Landesverband der Handwerker (LVH), der dem amtierenden Wirtschaftslandesrat in einer Umfrage ein Ungenügend  ausstellte. Steger wiederum ortet nicht nur bei seinem eigenen Verband hds Unterstützung für seinen wirtschaftspolitischen Ansatz. „Mit der Landwirtschaft gibt es schon lange ein klares gemeinsames Bekenntnis, doch erstmals gibt es auch einen breitesten Konsens mit dem HGV und seit der neuen LVH-Führung auch mit den Handwerkern, die immer mehr darauf kommen, wie wichtig Regionalität und Arbeitsplätze vor Ort sind“, sagt er.

Wie sicher ist ein Wirtschaftslandesrat Widmann in der kommenden Legislatur also für Steger selbst? „Das entscheidet der Souverän und der künftige Landeshauptmann“, sagt er, „doch ich würde sagen, die Situation ist diesmal noch recht offen.“ Nicht zuletzt aufgrund der Änderungen im Wahlgesetz, laut denen der designierte Landeshauptmann seine Mannschaft im  Block statt wie bisher einzeln vom Landtag absegnen lassen muss. „Das heißt, wenn er keine Mehrheit bekommet, sind alle baden gegangen, und im anderen Fall alle durch“, so Steger. Spannend wird’s in jedem Fall – ab kommenden Sonntag.