Society | Homosexuelle

"Alles ist besser als nichts"

Bringt das Parlament im 46. Anlauf eine Regelung für gleichgeschichtliche Partnerschaften durch? „So gut waren die Chancen noch nie“, sagt Andreas Unterkircher.

Es ist, wie der Fatto Quotidiano nachrecherchiert hat, der 46. Anlauf. 45 Mal wurde im Parlament in Rom in den vergangenen 30 Jahren der Anlauf gestartet, die Rechte gleichgeschlechtlicher Paare zu regeln. Doch obwohl in dieser langen Zeit jede Menge neuer Wortschöpfungen kreiert wurden – famiglie di fatto, coppie di fatto, Pacs, Dico, Didore -, obwohl das Thema regelmäßig Regierungen unter Hochspannung gesetzt und Koalitionen an den Rande ihrer Belastungsfähigkeit versetzt hat, bleibt Italien eines der wenigen europäischen Länder, in denen Partnerschaften gleichgeschlechtlicher Paare gesetzlich nicht vorgesehen sind. Das führt im Alltag zu einer Reihe kleiner und großer Diskriminierungen, erklärt Centaurus-Vorsitzender Andreas Unterkircher. Den eigenen Partner nur mit Einverständnis seiner Angehörigen im Spital besuchen zu können, kein Recht auf eine Erbschaft oder Hinterbliebenenrente zu haben oder beispielsweise in Südtirol nicht einmal als Paar in Ranglisten zur Wohnbauförderung aufgenommen zu werden.

Schwule und lesbische Paare sind Paare zweiter Klasse – und bleiben es auch laut dem aktuellen Gesetzentwurf, den Premier Matteo Renzi an den Kommissionen vorbei direkt ins Plenum bringen will. Denn auch in den Reihen von Homosexuelleninitiativen ist man nicht nur glücklich mit dem so genannten Cirinnà bis. Von einer Gleichstellung mit traditionellen Partnerschaften ist man auch mit diesem Gesetzesentwurf weit entfernt. Vielmehr werden gleichgeschlechtliche Partnerschaften bereits im einleitenden Artikel alsspecifica formazione sociale” definiert, die in einem anderen Artikel der Verfassung verankert wird als die Ehe. Angesichts der scharfen Kritik der italienischen Bischofskonferenz, die in den Bemühungen Matteo Renzis einen Angriff auf die traditionelle Familie und damit den Grundpfeiler unserer Gesellschaft sieht, können solche Formulierungen aber auch als Fingerspitzengefühl definiert werden, mit dem die Erfolgschancen des Entwurfs steigen. Andreas Unterkircher jedenfalls setzt konkrete Hoffnungen darauf. „Ich bin zwar bereits von so manchen Bekannten als naiv bezeichnet worden, doch ich würde sagen, so nah waren wir noch nie dran“, sagt er.

"Leben wir in einem laizistischen Staat oder nicht?"

Angesichts jeder Menge Abänderungsanträge ist allerdings nicht sicher, was von dem Gesetzesentwurf im Fall einer erfolgreichen Abstimmung übrigbleiben würde. Obwohl das heiße Eisen Adoption ohnehin außen vor gelassen wurde, stößt selbst die vorgesehene stepchild adoption, also die Adoption von leiblichen Kindern des Partners oder der Partnerin, in den konservativeren Teilen der Mehrheit und des Parlaments auf heftige Kritik. Wichtig wäre laut dem Centaurus-Vorsitzenden, dass zumindest einmal ein erster Schritt gesetzt wird. „Alles ist besser als nichts“, sagt Andreas Unterkircher. „Denn für Verbesserungen kann man dann auch in einem zweiten Moment sorgen.“ Bestes Beispiel dafür sei Deutschland, wo man zuerst ein sehr softes Partnerschaftsgesetz hatte und mittlerweile fast bei einer Gleichstellung mit der Ehe angelangt sei.

Doch in Berlin hatte man schließlich auch einen schwulen Oberbürgermeister – und keine Bischofskonferenz im Nacken. Was dagegen im Rom eines Matteo Renzi möglich ist, werden die nächsten Monate zeigen. Oder wie der Centaurus-Vorsitzende meint: „Dann werden wir sehen, ob wir in einem laizistischen Staat leben oder nicht.“ 

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Sepp Bacher Mon, 10/19/2015 - 17:32

Zum Glück gibt es die Bezeichnung "gleichgeschichtliche Partnerschaften" nur im Titel.
Ich glaube auch, dass man sich auch über einen Teilerfolg freuen kann/soll. Ich kenne einige schwule Paare, für die sind Kinder bzw. Adoption keine Thema. Viele Schwule finden es nicht erstrebenswert, eine geregelte gleichgeschlechtliche Partnerschaft als Ehe bzw. als Familie zu bezeichnen. Für diese würde das im Gesetzt vorgesehene genügen. Ich weiß, dass Kinder zu haben, bei lesbischen Paaren ein größeres Thema ist. Also soll es für diese Paare die Möglichkeit der künstlichen Befruchtung bzw. der Adoption auch geben. Den Idealfall: Mutter, Vater, Kind(er), gibt es auch bei Hetero-Paaren/-Familien nicht immer. Außerdem gibt es Beispiele, dass sogar Einzelpersonen ein Kind adoptieren durften; warum also nicht zwei Mütter oder zwei Väter?

Mon, 10/19/2015 - 17:32 Permalink