Society | Pandemie

Zurück an die Uni

Zwei Studentinnen, ein Professor und eine Professorin berichten.
Note: This article was written in collaboration with the partner and does not necessarily reflect the opinion of the salto.bz editorial team.
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Foto: Uni Bozen

Im März haben die Universitäten von einem Tag auf den anderen auf digitale Lehre umgestellt. Seit September ist wieder Leben in die Räumlichkeiten der Universitäten zurückgekehrt. 

Von Mexiko City nach Bozen

„Ich habe nie in Betracht gezogen, wegen Corona, nicht in Italien zu studieren. In Mexiko ist die Situation auch sehr schlimm, also macht es für mich keinen großen Unterschied, wo ich bin“, erzählt Ana Cecilia Bautista. A. Cecilia ist 18 Jahre alt, in Mexico City aufgewachsen und seit September Studierende an der Uni Bozen. Ihr Weg nach Bozen war mühsam: Nach erfolgreicher Uni-Zulassung, erhaltenem Visum, musste sie nur noch physisch nach Italien kommen. Das war jedoch nicht so leicht: Nach der langen Flugreise musste sie direkt vom Flughafen Mailand in ein Hotel fahren und dort zwei Wochen in Quarantäne verbringen. Erst danach ging es für sie endlich weiter nach Bozen. Von der Universität Bozen hat A. Cecilia im Zuge ihres Austauschjahres in Erfurt erfahren, die Dreisprachigkeit und der Studiengang haben sie auf Anhieb begeistert. Als Studentin im ersten Semester finden ihre Kurse fast ausschließlich vor Ort statt, in kleineren Gruppen und mit allen notwendigen Maßnahmen. Die kommunikationsfreudige Mexikanerin probiert der Situation mit Dankbarkeit zu begegnen. So oft sie es schade findet, dass sie nicht alle Leute ihres Studienganges auf Anhieb kennenlernen kann, so oft ist sie dankbar, dass sie wenigstens ihre Kleingruppe sieht. Ana freut sich auf die Zeit in Bozen, der im Vergleich zu ihrer Heimatstadt Mexico City, sehr überschaubaren Kleinstadt.

 

Lösungsorientierter Umgang mit dem neuen Alltag

Die Umstellung auf digitale Lehre hat Studiengänge mit Praxisbezug vor besondere Herausforderungen gestellt. Professor Roberto Gigliotti ist Studiengangsleiter des Bachelors  in Design und Künste an der Freien Universität Bozen. Gleich nach der Umstellung auf digitale Lehre im März haben Professor*innen, Verwaltung und die interne Organisaton gelernt, mit der speziellen Situation bestmöglich umzugehen und haben im Laufe der Monate immer wieder neue, kreative Modelle entwickelt. So konnten Designstudierende bereits im vorigen Semester ihre Projekte umsetzen, wenn auch in reduzierter Form. Sie konnten mit den jeweiligen Werkstattleiter*innen Kontakt aufnehmen und diese haben dann  zum Teil die ausgearbeiteten Vorschläge umgesetzt. Die Studierenden konnten diese dann am Welcome Desk  am Eingang der Universität abholen. „Interessanterweise ist dieses Konzept sehr realitätsnah. Denn als Designer*in muss man mit den Handwerker*innen kommunizieren können. Die Studierenden haben gelernt, ihre Gedanken so klar zu formulieren, dass sie auch von Dritten umgesetzt werden können“, erklärt Prof. Gigliotti. Im Gegensatz zu anderen Universitäten hat man versucht, eine vollständige Digitalisierung zu vermeiden und haptische Elemente beizubehalten.

 

Wie im restlichen Italien wird auch an der Uni Bozen versucht, die Studierenden aus dem ersten Semester so gut es geht vor Ort zu unterrichten. Für Studierende höherer Semester wird eine alternierende Lehre angeboten, was bedeutet eine Woche in Präsenz und eine Woche digital. Auch die Werkstätten können von den Studierenden, immer in derselben Gruppe und bei ständigem Desinfizieren, für einen Zeitraum reserviert werden.

Professor Gigliotti zieht persönlich folgenden Schluss: „Ich habe gelernt, dass wir in dieser unsicheren Situation für Studierende Ansprechpartner sind und alle Kommunikationskanäle offenhalten müssen. Wir müssen diese Situation gemeinsam überwinden: Weiter arbeiten, offen sein für Dialoge und jeden Tag etwas Neues erfinden, um der Situation gerecht zu werden“.

Freude am neuen Lebenskapitel

Petra Augschöll ist die beste Maturantin Südtirols und seit einigen Wochen Studentin an der Universität Bozen. Ihr erster Eindruck von der Uni Bozen ist gut, die Aufregung des ersten Tages hat sich gelegt und jetzt ist sie schon mitten drin im Uni Alltag. All ihre Vorlesungen werden online übertragen werden, dennoch nimmt sie den Weg nach Bozen auf sich. Auch die Maskenpflicht, das Temperaturmessen am Eingang, das ständige Desinfizieren und die gekennzeichneten Sitzplätze in den Hörsälen können ihr die Freunde am neuen Kapitel in ihrem Leben nicht nehmen. Und die ausbleibenden Uni-Partys? „Ich habe bereits vor Corona nicht viel gefeiert. Die Partys fehlen mir persönlich überhaupt nicht“, stellt Petra Augschöll mit einem Lächeln fest.

Digitale Lehre als Herausforderung

„Ich war gerührt, als ich das erste Mal wieder Studierende vor dem Eingang der Uni gesehen habe. Die Eingangssituation mit Anstehen und Temperaturmessen, Abstand und Maskenpflicht ist ganz anders, trotzdem bin ich sehr froh, dass wieder Leben in die Uni eingekehrt ist“, schildert Professorin Stephanie Risse ihre Eindrücke. Seit diesem Semester ist sie Studiengangsleiterin des Bachelors in “Kultur- und Kommunikationswissenschaften“ in Brixen. Trotz Corona war die Nachfrage für den Studiengang unvermindert groß, auch dieses Semester gibt es neben Südtiroler*innen auch Studierenden aus Deutschland, anderen Regionen Italiens und Slowenien.

 

Für Professorin Risse war die Umstellung auf die digitale Lehre eine große Herausforderung. „Ich bin Sprachwissenschaftlerin, Austausch findet immer im Austausch mit anderen Menschen stattfindet. Meine ursprüngliche Abneigung gegen die Online-Lehre konnte ich mittlerweile beiseitelegen. Ich habe auch gemerkt bei Gruppen bis zu 20 Personen ist es möglich, digital einen Diskurs zu führen. Bei Vorlesungen mit 120 Studierenden ist das unmöglich, aber da ist die Interaktion auch im Hörsaal begrenzt“, so Professorin Risse über Ihre Erfahrungen. Überrascht war sie darüber, wie gut die Umstellung in den digitalen Raum funktioniert hat, denn vor allem bei Prüfungen ist der technische und organisatorische Aufwand dahinter enorm. Und dennoch ist nicht alles an der digitalen Lehre schlecht: „Wir hatten voriges Semester Studierende, die im März zu ihren Familien nach Bergamo und Brescia zurückgekehrt sind. Die digitale Lehre hat ihnen geholfen, wenigstens für eine kurze Zeit ihr Umfeld zu vergessen. Da haben wir gemerkt, dass Universitäten einen bedeutenden psychologischen Effekt haben. Für Menschen, in Krisengebieten oder mit Krankheiten, kann eine Vorlesung auch ein Stück Normalität bedeuten.