Economy | Kaufleuteverband

In der Streitergasse

Unter den Bozner Kaufleuten schwelt seit Wochen ein harter Konflikt. Eine Gruppe um Thomas Rizzolli will die Macht übernehmen. Ein Blick hinter die Lauben-Schaufenster.
Lauben
Foto: Othmar Seehauser
Die Stimmung ist im Keller“, sagt der Bozner Kaufmann, „und ich gehe davon aus, dass es in den nächsten Wochen und Monaten noch einige Rücktritte geben wird“. Einer, der in den Bozner Lauben aufgewachsen ist, sieht das Ganze ähnlich: „Es ist ein absurder Machtkampf, bei dem es in Wirklichkeit, um ganz andere Dinge geht“.
Der Machtkampf spielt sich im Verband der Handelstreibenden und Dienstleister (hds) ab. In der Bozner Ortsgruppe, der früher als Kaufleuteverband bekannten Interessenvertretung, schwelt seit Monaten ein Konflikt, der spätestens Ende dieser Woche auf seinen Höhepunkt zusteuert.
Am Freitagabend wählen die 13 Vorstandsmitglieder der hds-Ortsgruppe Bozen am Verbandssitz am Bozner Boden aus ihren Reihen den neuen Präsidenten. Dabei wird es zu einem Stechen kommen, bei dem sich entscheidet, ob Thomas Rizzolli und seine Gruppe die alleinige Hoheit über den Bozner hds-Bezirk übernehmen. „Diese Machübernahme ist von langer Hand vorbereitet worden“, meint ein langjähriges Bozner Vorstandsmitglied.
 

Bruch der Tradition

 
Der Konflikt beginnt vor rund einem Jahr mit einer unscheinbaren Änderung der Statuten bzw. der jahrzehntelangen Tradition im hds.
Der hds ist landesweit in Bezirke und Ortsgruppen gegliedert. Jeder Ortsgruppe steht ein Präsident oder Ortsobmann vor. Ebenso in den verschiedenen Bezirken. Die Landeshauptstadt Bozen ist im hds ein eigener Bezirk.
 
 
 
In Bozen galt fast 30 Jahre lang eine Ausnahme. Hier gab es immer zwei Bezirksobmänner. Einen Deutschen und einen Italiener. Offiziell wechselte nach 2,5 Jahren die Präsidentschaft zwischen diesen beiden. In Wirklichkeit war es aber so, dass beide als Kaufleutechefs gemeinsam auftraten.
Diese Lösung entsprach nicht nur der Größe und Komplexität der Landeshauptstadt, sondern war auch für den ethnischen Ausgleich äußerst wichtig. Während sich die deutschen Kaufleute eher auf das Stadtzentrum konzentrieren, sind die italienischen hds-Mitglieder vor allem in der Peripherie zu finden. Durch die Doppelspitze sahen beide Gruppen an der Spitze des Bozner Verbandes ihre Interessen vertreten.
 
 
 
 
Es war ein Modell, das sich 30 Jahre lang bewährt hat. So auch in der vergangenen Amtszeit, wo der Bozner hds-Bezirk von den beiden Präsidenten Thomas Rizzolli und Simone Buratti geführt wurde. „Es ist absolut gut gegangen und niemand sah die Notwendigkeit dieses Modell zu ändern“, sagt ein Vorstandsmitglied.
Doch dann kam die Weisung von oben. Verbandschef Philipp Moser will in allen Landesteilen und Bezirken nur einen Ansprechpartner. Deshalb diktierte die hds-Führung, dass es zukünftig auch in Bozen nur mehr einen Kaufleutechef geben darf. Man änderte die Spielregeln.
 

Rizzollis Werbeagentur

 
Welche Auswirkungen dieses Diktat Mosers hat, wird am 4. Oktober deutlich.
An diesem Montagabend gehen am hds-Sitz die Wahlen der Bozner Kaufleute über die Bühne. Gewählt wird der 13-köpfige Bozner Bezirksauschuss.
Es ist keine normale Wahl. Denn an diesem Abend stimmen genau 181 hds-Mitglieder ab. „So etwas hat es in der Geschichte des Verbandes noch nie gegeben“, meint einer, der dabei war. Normalerweise gehen kaum die Hälfte davon zur Wahl. Noch nie waren so viele Kaufleute anwesend.
Der Grund dafür ist einfach: Vor allem Thomas Rizzolli hat bereits im Vorfeld alles getan, um sich den Vorsitz der Bozner Kaufleute zu sichern. So hat der Kaufmann im wahrsten Sinn des Wortes einen professionellen Wahlkampf geführt. Mit einer Werbeagentur und Postings in den sozialen Medien. Ein hds-Mitglied schüttelt nur mehr den Kopf: „Wenn man bedenkt, dass es sich beim Bezirksobmann um ein Ehrenamt handelt, dann ist das doch Wahnsinn“.
 
 
 
Wer die Kaufmannsfamilie Rizzolli kennt, der weiß, dass politischer Einfluss im Haus der noblen Patschenmacher großgeschrieben wird. Vater Helmut Rizzolli war jahrzehntelang im Bozner Stadtrat und Gemeinderat eine der einflussreichsten Figuren. Sohn Thomas Rizzolli ist in seine Fußstapfen getreten. Unterstützt von seiner Gattin Paula Aspmair, die zwischen SVP, Alperia AG und Raiffeisen sich fleißig am Sammeln politischer Mandate und Ämter übt. Das Duo Rizzolli/Aspmair ist auch das Herz der Genossenschaft „BZ Heart-Beat“, die als Konkurrenz zur Bozner Kurverwaltung gegründet wurde.
Durch die laute Werbetrommel der Rizzolli-Gruppe werden die Wahlen im Bozner hds schnell zu einem Lagerkampf, bei dem sich zwei Gruppen gegenüberstehen.
Der Bozner Jung-Kaufmann Simone Buratti, der in den vergangenen fünf Jahren gemeinsam mit Rizzolli die Bezirksspitze gebildet hat, will sich keineswegs so verräumen lassen. Er sammelt eine Gruppe von hds-Mitgliedern um sich, die gegen diese Machtübernahme antreten.
 

Unerwartete Niederlage

 
Ausgerechnet am Tag der Wahl spielt Thomas Rizzolli den letzten Trumpf.
Das Haus Rizzolli hat auch beste Kontakte zum Machtblock Athesia. So ist es kein Zufall, dass am Wahlmorgen in der Tageszeitung Dolomiten ein großes Interview mit Thomas Rizzolli erscheint. Am Abend am hds-Sitz kann man zudem Paula Aspmair beobachten, wie sie hds-Mitglieder für die Wahl instruiert.
Am Ende kommt trotz aller Bemühungen aber nicht das erwartete Ergebnis heraus.
Es ist Simone Buratti, der mit 93 Stimmen die meisten Stimmen erhält. Knapp dahinter Thomas Rizzolli mit 88 Stimmen. Zudem werden in den Vorstand Eva Ritter (79), Damian Alber (73), Thomas von Bosio (63), Jürgen Pfitscher (61), Paul Wojnar (54), Carlotta Bonvicini (52), Egon Thurner (52), Stefano Sartori (37), Mario Brazzo (35), Jan Mair (34) und Daniele Vinante (27) gewählt.
 
 
 
Dass Thomas Rizzolli und Paula Aspmair nach der Wahl trotzdem sichtlich erfreut abklatschen, liegt an den Mehrheiten im 13-köpfigen hds-Vorstand. Die Rizzolli-Gruppe hat acht Kandidaten durchgebracht. Nur fünf Ausschussmitglieder gehören der Gruppe um Simone Buratti an.
Damit sind die Mehrheiten im Bozner hds klar verteilt.
Weil die hds-Wahl eine Mitgliederwahl ist, wird normalerweise der Meistgewählte automatisch zum Obmann gewählt. Der Bezirksausschuss formalisiert diese Wahl.
So etwas darf es in Bozen aber nicht gehen.
Nach gesicherten Informationen von Salto.bz hat Thomas Rizzolli versucht, in mehreren Gesprächen Simone Buratti zu überzeugen, dass dieser seine Obmann-Kandidatur zurückziehe. Rizzollis Angebot: Buratti werde dann Vizepräsident.
Weil Simone Buratti das Angebot aber energisch abgelehnt hat, erklärte der Laubenkaufmann, dass Buratti bei der Wahl zum Präsidenten dann baden gehe. Im Klartext: Die acht Rizzolli-Getrauen werden ihn, Thomas Rizzolli zum Obmann wählen.
Am Freitag kommt der 13köpfige Bezirksausschuss zu seiner ersten konstituierenden Sitzung zusammen. Als erster Punkt steht die Wahl des Präsidenten auf der Tagesordnung. Dann will die Rizzolli-Gruppe die Machtübernahme abrunden.
Es dürfte auch inhaltlich für den Bozner hds eine Zäsur werden.
Ein Bozner Kaufmann kleidet seine Befürchtung in eine rhetorische Frage: „Unter den 13 Ausschussmitgliedern finden sich sechs Gastronomen und das soll ein Kaufleuteverband sein?