Politics | Staatsbürgerschaft

Doppelte Passform

Die Diskussion um den Doppelpass für Südtiroler zieht weiter Kreise. Der Landeshauptmann versucht die Wogen zu glätten: “Alarmstimmung und Aufgeregtheit überzogen.”
Flipper
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Gefragt oder ungefragt – die Stellungnahmen zur doppelten Staatsbürgerschaft für Südtiroler reißen nicht ab. Verhalten bis ablehnend – wenn auch mit unterschiedlichen Begründungen – fallen die Reaktionen in Italien aus. In Österreich ist es vor allem die neue Regierungspartei FPÖ, die auf eine schnelle Umsetzung der Doppelstaatsbürgerschaft drängt. Und Südtirol? Ist gespalten.

 

Im Doppelpack zum Doppelpass

Es war das erste Fernseh-Interview mit dem frischgebackenen Bundeskanzler Sebastian Kern und seinem Vize Heinz-Christian Strache. Am Montag Abend waren die beiden beim ORF zu Gast. Es ging um die Pläne der neuen Regierung. Gegen Ende kam die Rede auf die Absicht von ÖVP und FPÖ, die Doppelstaatsbürgerschaft neu zu denken. So steht es im schwarz-blauen Koalitionsprogramm. Unter anderem will die Regierung die “Doppelstaatsbürgerschaft für Nachfahren der Opfer des Nationalsozialismus aus Österreich” ermöglichen. Hätten demnach die Nachfahren von rund 200.000 Juden, “die in Österreich ermordet oder von hier vertrieben wurden, Anspruch auf die österreichische Staatsbürgerschaft”, wollten die Journalisten Armin Wolf und Claudia Reiterer vom schwarz-blauen Duo wissen. Ja, die Antwort von Kurz. “So wie die Südtiroler in Zukunft!”, meinte Heinz-Christian Strache sogleich. Er ließ es sich nicht nehmen, ein zweites Mal darauf hinzuweisen, dass “auch die Südtiroler” in Zukunft die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten könnten.

Einen fahlen Nachgeschmack hinterließ diese Szene bei der Grazer Stadträtin für Umwelt, Frauen und Gleichstellung, Tina Wirnsberger. Die Grünen-Politikerin twitterte:

Einen Tag später gab es ein weiteres erstes Mal für Kurz und Strache: Die erste Pressekonferenz. Dieses Mal wird der österreichische Kanzler direkt auf den Doppelpass für Südtiroler angesprochen. Man sei einem “Wunsch der Südtiroler” nachgekommen indem man die Absicht, die österreichische Staatsbürgerschaft für Südtiroler umzusetzen, ins Regierungsprogramm aufgenommen habe. Und natürlich werde man die Realisierung “ausschließlich in enger Zusammenarbeit mit Italien und der Regierung in Rom” angehen.
Soweit Sebastian Kurz, der damit am Dienstag auch auf die laute, parteiübergreifende Kritik aus Italien reagierte.

 

Stolz und Selbstbestimmung

“Propaganda nach dem Wahlkampf” sind die Pläne der österreichischen Regierung für den Staatssekretär für Europafragen, Sandro Gozi (PD). Die Präsidentin der Region Friaul Julisch Venetien, Debora Serracchiani, ebenfalls PD, schreibt auf Twitter:

Dieselben Töne kommen auch von Gianclaudio Bressa, Staatssekretär für regionale Angelegenheiten und Autonomien. “Die Errungenschaften der Geschichte geringschätzen lässt uns Gefahr laufen, uns im Labyrinth des Nationalismus’ und des Populismus’ zu verirren.”

Wenig Gefallen findet Reinhold Messner am Gedanken, künftig einen zweiten Pass besitzen zu können. “Ich bin stolz, Südtiroler mit italienischem Pass zu sein”, sagt der Extrembergsteiger und Medienliebling zur RAI. Der Doppelpass sei “politische Propaganda, die niemals zu konkreten Schritten führen wird”. Absolut anders sieht es Eva Klotz. Für sie ist die Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft “erst der Anfang”. In einem Interview mit Euronews sagt die Grande Dame der Süd-Tiroler Freiheit: “Seit jeher führen wir den Kampf für die doppelte Staatsbürgerschaft, aber das letzte Ziel ist die Selbstbestimmung.”

 

Kein Öl ins Feuer

Eine klare Absage für die Visionen von Klotz & Co. kommt vom Landeshauptmann. Mit der Absichtserklärung der neuen Regierung und dem Wunsch nach der österreichischen Staatsbürgerschaft seien “keinerlei territoriale Gebietsansprüche verbunden”, ebensowenig Sezessionsgedanken oder Grenzverschiebungen. Sondern?
Die Position der Landesregierung sei klar, betont Arno Kompatscher am Dienstag: “Der Wunsch besteht seit Jahrzehnten, insbesondere nachdem auch Italien 2006 für seine ‘connazionali’ in den ehemaligen italienischen Gebieten Istrien, Fiume und Dalmatien eine solche Möglichkeit geschaffen hat. Wir verstehen diese Staatsbürgerschaft als Ausdruck der persönlichen Verbindung zu Österreich. In diesem Sinne ist es uns wichtig, dass sie in einer Form gestaltet wird, die einem europäischen Geist entspricht – einem Geist, der verbindet und nicht trennt.”

Noch seien allerdings “viele Fragen offen”, erinnert der Landeshauptmann. Vor allem jene, wer schlussendlich Anspruch auf die österreichische Staatsbürgerschaft haben wird. Dass Wien dabei über die Köpfe Roms hinweg entscheiden wird, ist für Kompatscher unvorstellbar. Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten sei seit Jahren “ausgezeichnet” und die Vertreter der österreichischen Regierung hätten schließlich schon bekundet, sich in der Frage mit Rom zusammensetzen zu wollen. Die Landesregierung sieht Kompatscher in einer Vermittlerrolle, etwa bei der Definition der Kriterien für den Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft.

“Es ist wichtig, damit nicht irgendwelche Gedanken zu verbinden, die damit nicht zu verbinden sind.”
(LH Kompatscher zur doppelten Staatsbürgerschaft)

Eines steht für den Landeshauptmann fest: “Wir haben keine Absicht, diese Debatte in Richtung irgendwelcher Extrempositionen zu führen oder sie jenen zu überlassen, die solche vertreten.” Die “Alarmstimmung und Aufgeregtheit” dieser Tage “scheint doch etwas überzogen”, versucht Arno Kompatscher die Wogen zu glätten: “Das Ganze wird mit Sicherheit nicht so heiß gegessen wie es gekocht wird.”