Economy | Milchwirtschaft

„Frau Kaser, wir bitten um Antworten“

Die Bauern von ZSB (Zukunft Südtiroler Bergmilch) wenden sich in einem offenen Brief an den Sennereiverband und bitten seine Geschäftsführerin um Klärung.
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Foto: Sennereiverband Südtirol/Angelika Oberkofler
Die Plattform „Zukunft Südtiroler Bergmilch“ hat seit ihrer Gründung im Frühjahr des vergangenen Jahres bereits ordentlich Bewegung in die Diskussion rund um angemessene Milchauszahlungspreise seitens der Südtiroler Sennereien gebracht. In einem Schreiben forderten sie beispielsweise einen einheitlichen Milchauszahlungspreis von über 80 Cent für konventionelle Milch und von über einem Euro für Bio-Milch.  Auch die Völlaner Bauernversammlung hat die Thematik – und vor allem die Problematik rund um die Frage „Arbeiten die landwirtschaftlichen Betriebe Vollkosten deckend?“ – in der breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht.
Ein Interview, das die Geschäftsführerin des Sennereiverbandes, Annemarie Kaser, RAI Südtirol gegeben hat, hat die ZSB veranlasst, einen offenen Brief zu verfassen. In besagtem Interview, das am 8. Jänner in der Reihe Land&Leben ausgestrahlt wurde, bezieht Annemarie Kaser unter anderem Stellung zum „Zukunftsbild 2032“.
Für die Bauern von ZSB sind die Antworten allerdings nicht zufriedenstellend, hier der offene Brief im Wortlaut:
 
 
Geschätzte Frau Annemarie Kaser – Direktorin Südtiroler Sennereiverband,
wir haben Ihr Interview mit Marianne Kasseroler in der Sendung „Land und Leben“ mit großem Interesse zur Kenntnis genommen. Allerdings wurden unsere Fragen nur teilweise beantwortet. Im Gegenteil, das Interview hat neue Frage aufgeworfen, die von unseren Mitgliedern an uns herangetragen wurden. Deshalb erlauben wir uns, Ihnen mit diesem Brief einige Fragen zukommen zu lassen und bitten Sie höflichst, uns diese zu beantworten.
Nach Ihren Angaben wurde am Zukunftsbild und Vision nahezu ein Jahr „intensiv“ gearbeitet. Nach unserer Auffassung und der vieler Mitglieder ist „Beste Milchprodukte aus einer lebendigen Berglandwirtschaft“ allerdings keine neue Vision, sondern schon lange Realität! Es überrascht auch, dass das wichtigste Ergebnis der Treffen das „sich näher gekommen“ ist. Wir sind bisher davon ausgegangen, dass es durch den Sennereiverband gesteuert schon lange einen intensiven Austausch und ein gutes Verständnis zwischen den Genossenschaften gab. Ist diese Annahme falsch?
 
Zu den einzelnen Punkten:
 
Intensive Kooperationen
Was wurde bisher unternommen, um diese zu vertiefen? Können Sie uns bitte konkrete Beispiele geben?
Was haben die Genossenschaften für die Zukunft konkret geplant? Wieviel an Einsparungen könnte das bringen? Habt Sie dazu konkrete Zahlen ermittelt?
Beispiel: Warum haben nicht alle Milchhöfe gemeinsam mit dem Meraner Milchhof in die CO2-neutrale Verpackung investiert oder gibt es entsprechende Absprachen und Planungen?
 
 
Warum haben nicht alle Milchhöfe gemeinsam mit dem Meraner Milchhof in die CO2-neutrale Verpackung investiert oder gibt es entsprechende Absprachen und Planungen?
 
 
Auszahlungspreis
Nach Ihren Aussagen lag der Auszahlungspreis für die Milch unserer Bauern in den letzten 20 Jahren 20 bis 30 Cent über dem Versandmilchpreis. Auf welchen Versandmilchpreis beziehen Sie sich? Den europäischen Durchschnittswert? Ist es korrekt diesen zum Vergleichsmaßstab zu nehmen? Die Produktionsbedingungen unserer Bergbauern für den Rohstoff Milch lassen sich nicht mit den europäischen Durchschnittswerten vergleichen! Ergibt sich daraus nicht ein völlig verzerrtes Bild, das wir der Öffentlichkeit nicht geben sollten? Und könnten Sie uns bitte sagen, wieviel des Auszahlungspreises durch Förderungen getragen wird, also keine echte Leistung der Milchhöfe ist?
Was bedeutet die Aussage, dass der Milchpreis „entsprechend“ angepasst wird? Bedeutet das, dass es auf eine Anhebung zur Deckung der Vollkosten kommen wird oder sogar Gewinne auf unseren Betrieben erwirtschaftet werden können?
 
 
Könnten Sie uns bitte sagen, wieviel des Auszahlungspreises durch Förderungen getragen wird, also keine echte Leistung der Milchhöfe ist?
 
 
In Kommunikation investieren
Sie sagen, dass Sie in die Kommunikation investieren wollen. Was heißt das konkret und welche Ergebnisse erwartet man sich damit? Geht es hier nur um Werbung oder um eine interne Kommunikation?
 
In Nachhaltigkeit investieren
Wer soll in Nachhaltigkeit investieren? Wir Produzenten und/oder unser Verarbeitungsbetrieb? Von welchen Nachhaltigkeitsinvestitionen sprechen wir? Könnten Sie das bitte definieren!
 
Tierwohl
Wenn sich Tierwohl nach Aussage von Marianne Kasseroler im Auszahlungspreis widerspiegeln soll, wie und nach welchen Kriterien sollen Preiszuschläge bzw. -abschläge ermittelt werden? Wurde nicht kommuniziert, dass Classyfarm keinen Einfluss auf den Auszahlungspreis haben wird?
 
 
Wurde nicht kommuniziert, dass Classyfarm keinen Einfluss auf den Auszahlungspreis haben wird?
 
 
Lebendige Berglandwirtschaft
Der Milchauszahlungspreis muss Vollkostendeckung und im Idealfall Gewinne erreichen, sonst wird die Milchwirtschaft im Berggebiet langfristig nicht überleben oder sieht das der Sennereiverband anders? Wenn nein, welche konkreten Maßnahmen sind über die wenigen im Interview genannten Punkte konkret geplant, um Vollkostendeckung für Milcherzeuger zu erreichen?
 
Abschließend stellen wir fest, dass leider an keiner Stelle des Interviews von Innovation und/oder den Alleinstellungsmerkmalen der Produkte die Rede Ist. Wird das nicht als zentraler Ansatz zur Erhöhung der Preise und damit Auszahlungspreise gesehen? Ist in diesen Bereichen etwas geplant?
Für uns ist und bleibt ein konstruktiver Dialog wichtig. Damit wollen wir unsere Genossenschaften unterstützen. Wir und viele Bauern erwarten sich auch deshalb Antworten auf unsere oben gestellten Fragen!
 
Wir danken Ihnen bereits im Vorfeld herzlich!
Hochachtungsvoll
Die Bauern von ZSB
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Sebastian Felderer Fri, 01/20/2023 - 17:16

Hut ab vor den Initiativen der ZSB, da wird Klartext gesprochen und die Bewegung wird ein rotes Tuch für viele Verantwortlichen sein. Genau so sollten Probleme in Südtirol angegangen werden, nicht nur bei der Bergmilch. Leute mit Hausverstand, die nicht akzeptieren, dass ihre Existenz von Leuten ohne Verantwortungsbewusstsein in Gefahr gebracht wird. Nur Mut und viel Ausdauer. Es wird sicher auch personelle Umbesetzungen brauchen, um den Karren in richtige Bahnen zu lenken. Ich würde mir ähnliche Kräfte wünschen, ganz einfach als "Zukunft Südtirol". Besonders heuer im Wahljahr.

Fri, 01/20/2023 - 17:16 Permalink
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Klemens Riegler Fri, 01/20/2023 - 23:08

Ich empfinde den ZSB auch als sehr interessant. Es werden betonierte Strukturen frontal angegangen. Strukturen (Verbände und Genossenschaften) an denen durchaus der Meißel angesetzt werden kann.
Aber den Milchbauern muss auch klar sein, dass die Zukunft nicht der konventionellen Kuhmilch gehört. Der Konsum wird weiter sinken und die Milchschwämme entsprechend weiter steigen. Die einzige Chance liegt wohl in der regionalen Bio-Milch und in der Umstellung auf andere gesunde Lebensmittel.

Und wofür steht der Begriff "Vollkosten-Deckung"? ... oder "sogar Gewinne". Hier kommt die (Land)Wirtschaft ins Spiel. Und das undurchschaubare Geflecht aus Förderungen, Beiträgen und Unterstützungen. Und die fragwürdigen Förderkriterien;
- Ein mega Traktor Ja, ein noch größerer oder auch kleinerer gebrauchter Nein.
* Schon hier ist ein ordentlicher Jahres-"Gewinn" drin.
- Keine Abfrage über Wohlstand, Bankkonto, Besitztümer ... wie bei allen Antragstellern in anderen Sektoren (ISEE, EEVE).
* Umverteilung auf jene die es wirklich nötig hätten.
- Braucht jeder Bauer jeweils jede Machine selbst? ... die u.U. 355 Tage im dafür ebenso öffentlich finanzierten Stadl-Zubau steht?
* Wäre es da nicht besser den Ausbau des "Maschinenrings" zu fördern?
- Vollkosten sind anscheinend nicht Fixkosten! Wenn bei den Vollkosten die reinen Arbeitsstunden mitgerechnet sind, dann beinhaltet dieser auch einen entsprechenden Gewinn. (auch ein Lohn wird nicht unbedingt als "Gewinn" bezeichnet. Andernfalls müsste eben der Fixkosten-Anteil inkl. Investitionsanteil angeschaut werden.

Jeder Berg- und Milchbauer genießt übrigens die Sympathie und Wertschätzung in der Gesamtbevölkerung, solange er ehrlich kommuniziert und nicht auf hohem Niveau raunzt. Es gibt 1000ende ArbeitnehmerInnen, KleinunternehmerInnen, Solo-Selbstständige und natürlich prekär Beschäftigte oder Sozialfälle, denen es wahrscheinlich noch wesentlich schlechter geht. Und zwar nicht weil sie zu viel ausgebaut, investiert oder sich ein zu großes Auto oder Motorboot angeschafft haben.

Fri, 01/20/2023 - 23:08 Permalink
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Josef Fulterer Sat, 01/21/2023 - 09:22

In reply to by Klemens Riegler

Vor rund 100 Jahren wurde mit der Gründung der Sennereien in den Dörfern begonnen, die Milch der damals 1.500 Liter-Kühe rationeller und hygienisch sicherer zu verarbeiten, um aus dem Verkauf von Butter und Käse einen Mehrerlös zu erzielen. Der Wasseranschluss auf den Bauernhöfen, war damals ein Trog mit fließenem Wasser in Stallnähe. Die Dorf / Stadt-nahen Bauern haben mit dem Milchverkauf bereits bessere Erlöse erzielt.
In den 1960er Jahren waren die Dorf-Sennereien infolge der zu geringen Milchmengen nicht mehr rentabel. Am 28.10. 1963 haben die Vintschgauer Sennereien im Gasthof Zwölfmalgreien von Bozen die MILA gegründet, an der sich die Sennereien bis Sterzing beteiligt haben. Die MILA nahm Fahrt auf, als der Geschäfts-führende Obmann des BOZNER-MILCHHOFs Luis Tutzer, 1969 zum Obman der MILA gewählt wurde. Die Sennerei Sterzing war mit der BAYERNLAND für die Mitglieder nachteilige Verbindung eingegangen und auch Brixen ist wieder ausgetreten.
Die MILA ist nach mehrmaligen Ankündigungen, am 1. Jänner 1977 mit dem Betrieb in Bozen / Kampill gestartet und konnte schon im ersten Betriebsjahr, mit der bereits 1974 in Betrieb gegangenen SENNI ein vergleichbares Ergebnis erzielen. Zu jener Zeit war den Bauern, die nach den Ideen von EU Kommissar Sicco Mansholt gegründete VIVES mit der Schlachtung aller Tiere in Bozen und dem Rücktransport des Fleisches bis in das letzte Dorf, von der Landesregierung aufgezwungen worden. Deren klägliches Ende hat die Verlegung auf die Milchproduktion befeuert.
Das Elend der MILA begann Ende 1989, mit dem Anschluss der DDR an Deutschland. Die MILA ist tiefer zurück gefallen und hat seither laufend unterdurchschnittliche Ergebnisse erzielt. Als dann 1996 auch noch "der Preiskrieg mit der SENNI ausgebrochen wurde," ist mit dem "zweifelhaften Segen des Raiffeisenverbandes und der Landespolitiker die MILKON erfunden worden." Bei einem Zusammenschluss von zwei kranken Betrieben, besteht sogar die Gefahr, dass sich die beiden Betriebe gegenseitig anstecken.
"Die MILKON mit ihrem aufgeblähten Verwaltungs-Aparat und der leichtfertigen Gründung von kostspieligen pummelwitzigen Töchtern: GASTROFRESH, SÜDTIROLMILCH, STELLA BIANCA, ALPIGUSTO, BUSTAFFA& CO, hat beim Milchgeld kräftig mit gefressen!"

Sat, 01/21/2023 - 09:22 Permalink
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Johann Georg B… Sat, 01/21/2023 - 09:56

Herr Fulterer ein sehr interessanter Kommentar,ich hoffe er wird gelesen und die Bürger und Bauer verstehen, wie hart das Überleben in der Milchwirtschaft ist.
Wie Sie schreiben uist die Politik mit Schuld,dass wir heute in dieser Situation sind, auch der Verwaltungsapparat muss reduziert werden, ingesamt müssen die Betriebskosten gesenkt werden.
Herr Felderer auch ihr Beitrag ist informativ, leider haben wir immer noch zu viele Freunde des Edelweisses in den Verwaltungen und diese pfeifen nach den Tönen ihrer ........
Liebe Milchbauern haltet durch auch wenn es zur Zeit schwer ist, es kommen wieder bessere Zeiten.

Sat, 01/21/2023 - 09:56 Permalink
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josef burgmann Sat, 01/21/2023 - 12:02

In reply to by Johann Georg B…

Herr Fulterer ist ein absoluter Kenner der Entwicklung der Milchhöfe und versucht uns einen Einblick in deren Geschichte zu ermöglichen.
Wenn wir jedoch von Gewinn auf unseren Höfen sprechen, dann ist das ein Wort, welches im Grunde nicht verwendet werden dürfte.
Bei einem Großteil der Milchbauern geht es maximal um Kostendeckung, die Förderungen reichen mehr oder weniger zum Leben. Nebenbei werden diese nach dem Zufallprinzip ausbezahlt, welches nur im Jahr der Landtagswahlen halbwegs zeitgerecht eintrudelt (kann ich beweisen).
Was bedeuten "schwarze Zahlen"?
Betriebswirtschaftlich sollte das heißen: Ich decke meine Betriebskosten, zahle Versicherung und Sozialabgaben, kann eine bewegliche Maschine in 10 Jahren und eine Investition in Gebäude in 20 Jahren abschreiben. Wäre schön, wenn dann noch ein Lohn für die geleistete Arbeit übrig bliebe.
Die Risken in Bezug auf Minderernte, Hagelschlag, Krankheiten, Unfall oder größerer Maschinenschaden müßte man auch mit einberechnen.
Was kommt dann unten raus?
Meistens ein fettes Minus!
Im Grunde kann sich niemand einen Neueinsteiger als Bauer leisten:
Kostenbeispiel für einen 20 GVE (Großvieheinheiten) Betrieb:
In der Talsohle für Heuproduktion, ohne Silagekette
- Außenmechanisierung ohne Ackerbau (Traktor 80 PS-Ladewagen-Miststreuer oder Güllefass-Kipper-Mähwerk für Traktor-Kreiselheuer- Schwader)
ca. 200.000 €
-Außenmechanisierung für extremen Bergbauern mit Feldwegen für Traktoreinsatz (Traktor 80 PS- Ladewagen-Güllepume oder Seitenstreuer. Motormäher
mit Zusatzgeräten) ca. 180.000 €
_ Außenmechanisierung für Bergbauern mit befahrbaren Wiesen (Transorter mit Ladew.- Seitenstreuer oder Güllefaß Kipper Metrac mit Zusatzgeräten und
Motormäher) 280.000 - 350.000)
Gebäude und Innenmechanisierung wären noch gegtrennt zu betrachten.
Fortsetzung wenn gewünscht folgt!

Sat, 01/21/2023 - 12:02 Permalink