Riss in der PD immer tiefer
Ein „Destillat von Hass“ sei das Interview von Massimo D‘ Alema in der Tageszeitung „Corriere della Sera“ vor einigen Tagen, erklärte Renzi, Ministerpräsident und PD-Generalsekretär. D‘ Alema, einst ein „historischer“ Leader der PD, wurde zwar von Renzi offiziell „verschrottet“, ist aber im Hintergrund weiterhin politisch rege und sehr einflussreich. Seine Getreuen titulieren ihn – halb scherzhaft und halb ernst – mit „Lìder Maximo“ (in Anspielung auf den guten alten Fidel und auf D‘ Alemas Vornamen). Diejenigen, die ihm weniger zugeneigt sind, nennen ihn respektloser „Baffino“ („Schnauzbärtchen“). Doch auch sie wissen, dass „Baffino“ weder auf den Kopf noch auf den Mund gefallen ist. Die Neigung, bei politischen Auseinandersetzungen scharfe Geschütze aufzufahren, ist bei ihm mindestens genauso ausgeprägt wie bei Renzi, mit dem ihn eine herzliche Feindschaft verbindet. Er ist bekannt und gefürchtet für seine beißende Ironie, die – mit schief-süffisanten Lächeln vorgetragen – seine Gegner zur Raserei bringen kann.
„Baffino“ rechnet ab
D‘ Alema in Denkerpose
Die letzte Gelegenheit dazu bot besagtes Interview, dass er dem „Corriere“ anlässlich einer Tagung der linken PD-Minderheit in Perugia gab. Auf allen Fronten greift dort D‘ Alema die Politik von Renzi an, ob es nun um das Regierungshandeln oder den Kurs der Partei geht. Die von Renzi angepriesenen Wirtschaftsdaten seien in Wirklichkeit „sehr bescheiden, etwa die Hälfte des europäischen Durchschnitts“, die Vorwahlen für die Bürgermeisterkandidaten eine Katastrophe („Die PD ist nicht in der Lage, Kandidaten aufzustellen, die auf der Höhe sind“). Ganz zu schweigen von Renzis Umgang mit der Parteilinken: „Die Unzufriedenheit ist riesig, die PD befindet sich in einer extrem kritischen Lage. Und die Führungsriege reagiert darauf nur mit Beschimpfungen und Verleumdungen, die an stalinistische Methoden erinnern“.
Renzi gleiche eher Berlusconi als Prodi, gab er zu Protokoll. Die „Kultur dieser neuen PD hat sich von der ursprünglichen völlig entfremdet. Auch Renzis Reform des Wahlgesetzes ist von Berlusconi inspiriert. Man wählt damit nicht das Parlament, sondern den Boss“. Und er könne nur lachen über diejenigen, die vor einem neuen Partito della Nazione „warnen“, den gäbe es doch schon längst. Renzi Ziel sei es, Berlusconi zu beerben. Was übrigens eine Illusion sei, denn der Verlust an linken Wählerstimmen werde die Gewinne aus dem rechten Lager überwiegen. Zur Freude Grillos.
Strategietagung des linken Flügels
D‘ Alemas‘ Interview liest sich wie eine Generalabrechnung. Schwer vorstellbar, wie er angesichts einer solchen politischen Bewertung weiterhin in der PD bleiben kann. Er allerdings beteuert, genau das tun zu wollen. Was sich für Renzi eher wie eine Drohung als wie ein Zugeständnis anhören dürfte. Doch es geht nicht nur um D‘ Alema. Der Riss in der PD zwischen den Renzi-Getreuen und der linken Minderheit wird immer tiefer. Erst recht nachdem immer klarer wird, dass die Gruppe um den ehemaligen Berlusconi-Berater Verdini, die sich von Forza Italia abgespalten hat, mit ihren Stimmen im Parlament die Regierung stützt.
Auf der „Perugia-Convention“ vor zwei Wochen waren alle – noch in der Partei verbliebenen – wichtigen Vertreter des linken Flügels anwesend: u. a. Bersani, Cuperlo, Epifani, Gotor und natürlich Roberto Speranza, der früher Fraktionschef der PD in der Abgeordnetenkammer war und 2015 sein Amt wegen politischer Differenzen mit Renzi niederlegte. Der junge Speranza gilt – Nomen ist Omen – als Hoffnungsträger der von Renzi immer stärker ausgegrenzten innerparteilichen Kritiker. Und möglicherweise als Herausforderer von Renzi für das Amt des Generalsekretärs auf dem nächsten Parteikongress, der voraussichtlich im Herbst 2017 stattfinden wird.
Während des dreitägigen Strategietreffens, das unter dem Motto „Neue Energien für Italien“ stand, wurde Renzi sowohl als Regierungs- wie als Parteichef scharf angegriffen. „Wir sagen ja zu Mittelinks und nein zu einer Partei der Nation. Wir suchen die Diskussion nicht in Parteistuben, sondern auch außerhalb der PD. Und wir wollen eine Alternative zu Renzi aufbauen“ erklärte Speranza in einem für ihn ungewohntem kämpferischen Ton. Dabei betonten er und die anderen Redner, dass es um den Aufbau einer Alternative innerhalb der PD gehen müsste und nicht um eine Abspaltung. „Wir glauben an die PD und sind Teil von ihr, aber wir wollen sie verändern“.
Schwieriges Spagat mit ungewissem Ausgang
Ob und wie weit ein solches Spagat gelingen kann, ist fraglich. Der von Renzi gepflegte Führungsstil (in der Regierung wie in seiner Partei) ist nicht gerade dazu geeignet, einen offenen und konstruktiven Dialog mit seinen Kritikern zu führen. Und auch diese Kritiker lassen keine Gelegenheit aus, um ihn unter Druck zu setzen. In Perugia forderten sie vehement eine Änderung des bereits beschlossenen Wahlgesetzes, verbunden mit der Drohung, bei dem kommenden Referendum über die Abschaffung des Zweikammersystems für ein Nein zu werben. Im vollen Bewusstsein, dass Renzi vom (positiven) Ausgang just dieses Referendums über „die Mutter aller seiner Reformen“ sein politisches Schicksal abhängig macht.
Die Aussichten für die PD, ihre tiefe interne Zerrüttung zu überwinden, sind düster. Sie könnte sich damit trösten, dass die Fetzen im rechten Lager und auch in der 5-Sterne-Bewegung derzeit genauso heftig fliegen (siehe den Streit und die Querelen um die Kandidaturen für die kommenden Kommunal- und Bürgermeisterwahlen). Aber das wäre ein erbärmlicher Trost. Denn was bei diesen parteiübergreifenden Verfallserscheinungen immer mehr auf der Strecke bleibt, ist die Zukunft Italiens: seine politische Kultur, seine Reformfähigkeit, das Vertrauen der Bürger in die demokratischen Institutionen.