Sommersaison 2020: Wie geht es weiter?
Sabine Weissensteiner ist Junior-Chefin des „Hotel Sonnalp ****S“ in Obereggen. Ein Blick auf die Pisten zeugt von den traumhaften Bedingungen, unter denen die Wintersaison am Sonntag abgeschlossen hätte werden können. Betrachtet man die Natur, ist es schwer vorstellbar, dass ein Virus unsere Normalität dermaßen durcheinanderbringt und den Tourismus zum Stillstand gebracht hat.
salto.bz: Anfang März haben sich die Ereignisse überschlagen. Die frühzeitige Schließung der Skigebiete wurde innerhalb kürzester Zeit beschlossen. Wie habt Ihr diese surreale Situation erlebt?
Sabine Weissensteiner: In der Faschingswoche haben wir, ungefähr zeitgleich wie der erste Corona Fall Südtirols, unsere erste Stornierung erhalten. Innerhalb von vier Tagen hat sich die Anzahl der Stornierungen dermaßen vermehrt, dass wir am 1. März statt 80 nur mehr 22 gebuchte Gäste hatten. Wir haben einige Zeit gebraucht, um das Ausmaß zu begreifen. Dann hat sich alles etwas beruhigt und wir wollten mit wenigen Gästen die Saison beenden. Fünf Tage später, am 6. März, kam die Reisewarnung vom Robert-Koch-Institut. Das war der Auslöser für die zweite Stornierungswelle, das Telefon hat von morgens bis abends geklingelt. Am 10. März wurde im Skigebiet Obereggen die Saison beendet.
Es hat sich sichtbar angekündigt: Von 100 Gästen auf 20!
War die Schließung des Hotels für die Mitarbeiter überraschend?
Unsere Mitarbeiter haben die Entwicklungen wahrscheinlich eher kommen sehen als Mitarbeiter anderer Betriebe. Es hat sich sichtbar angekündigt: Von 100 auf 20 Gäste – von Arbeitsstress auf regelrechtes „Rumstehen“. Bei der Schließung des Skigebiets war es dann für alle klar. Unsere Mitarbeiter sind mittels Saisonsverträgen beschäftigt, dadurch konnte mit der Abänderung des Enddatums bereits am nächsten Tag Arbeitslosengeld beantragt werden.
Konnten die Mitarbeiter aus einem anderen Herkunftsland problemlos in ihre Heimat zurückkehren?
Ganz unproblematisch war es nicht, da viele Länder angekündigt hatten, die Grenzen zu schließen. Unser Zimmermädchen ist noch zu guter Letzt mit dem Taxi nach München gefahren und von dort aus weiter nach Rumänien. Sicher nicht die kostengünstigste Variante, aber zum Glück haben es alle noch rechtzeitig geschafft.
Gab es Hilfen von Staat oder Land?
Den Betrieben wurde es ermöglicht, Kredite und Zinsen um ein Jahr aufzuschieben. Liquiditätsmäßig stellt das eine große Hilfe dar, vor allem, wenn niemand weiß, wie es weitergeht. Das ist relativ unproblematisch und unbürokratisch organisiert worden.
Den Start im Juni sehen wir problematisch, wir setzen alle Hoffnungen auf Ende Juni oder Anfang Juli.
Wie geht es jetzt weiter?
Der Mai gibt uns etwas Spielraum. Den Start im Juni sehen wir, als Familie, problematisch, wir setzen alle Hoffnungen auf Ende Juni oder Anfang Juli. Für unsere Mitarbeiter ist eine Verschiebung des Öffnungsdatums sicher nicht so einschneidend, schlimmer wäre, überhaupt nicht zu öffnen. Unsere Hauptsaison ist der Winter, aber die Sommermonate sind auch sehr wichtig für uns.
Zieht ihr auch eine Öffnung mit wenigen Gästen in Betracht?
Wir haben fest gestellt: Öffnen ist schwieriger als schließen. Es ist wichtig, einen Neustart zu wagen. Mit einer guten Auslastung kann in dieser Saison nicht gerechnet werden. Aber wir sollten ohne Verlust arbeiten können. Auch klar ist, dass das mit 20 Mitarbeitern und 20 Hausgästen nicht klappt. Ferienwohnungen könnten diesen Sommer eher Zuspruch erfahren. Jedoch: Geht der Vier-Sterne-Gast in eine Ferienwohnung?
Gibt es Buchungen?
Viele unserer Gäste haben uns mitgeteilt, dass sie für den Sommer noch nicht stornieren, sondern abwarten. Momentan ist ein totaler Buchungsstillstand. Die letzte Buchung eines deutschen Gastes war im März. Buchungen brauchen Vorlauf, es ist nicht so, dass wenn ein Hotel heute öffnet, morgen jemand kommt. Der Gast muss wissen, ob es sich auszahlt zu warten, oder ob er sich lieber was anderes suchen soll. Bleiben die Grenzen im Sommer geschlossen, wird eine Öffnung schwierig.
Fahren die Leute trotz der vielen Einschränkungen in den Erholungs-Urlaub?
Kann sich da noch was ändern?
Im Tourismus kann man nichts planen, in drei Wochen könnte schon alles wieder ganz anders aussehen. Ich persönlich glaube schon, dass der Gast wieder kommt, aber dafür muss die Sicherheit wieder stehen. Das ist wichtig. Es werden auch neue Maßnahmen gelten: ein Meter Abstand, Mundschutzmasken. Wir fragen uns auch: Fahren die Leute trotz der vielen Einschränkungen in den Erholungs-Urlaub?
Das Robert-Koch-Institut hat Südtirol als Risikogebiet bezeichnet. Hat das noch Nachwirkungen?
Ich glaube nicht, auch nicht für Italien. Nirgends blieb man vom Virus verschont. Ich habe von sehr vielen Gästen positiven Zuspruch bekommen. In Südtirol haben wir noch rechtzeitig reagiert. Wir haben stets ehrlich kommuniziert. Die Transparenz in der Kommunikation danken uns die Gäste.
Wird jetzt verstärkt in Werbung investiert?
Zur Zeit passiert das Gegenteil. Wir haben die Werbung auf das Nötigste zurückgestuft. Momentan kommunizieren wir mit unseren Gästen auf einer emotionalen Ebene – der Osternewsletter mit Rezepten zum Nachkochen – und auf den Social-Media-Plattformen. Sobald es besser wird und wir mehr wissen, werden wir wieder Angebots-Pakete vermarkten und verstärkt in Werbung investieren.
Laut Experten ist das Virus im Herbst nicht Geschichte und es wird uns noch über Jahre begleiten. Wie verändert das die Gastronomie?
In einem Hotel kommen so viele verschiedene Menschen zusammen, das wirft Fragen auf. Sind die Zeiten des Buffets vorbei? Werden Salat und Frühstück in Zukunft serviert? Was passiert mit Kosmetikbehandlungen? Was geschieht mit dem Wellnessbereich, den dazugehörigen Duschen und Liegen? Der Südtiroler Gast gilt als sehr gesellig – darf ich noch die Bar betreiben? Muss der Gast selbst eine Mundschutzmaske tragen? Kann trotz allem ein Wohlfühlambiente geschaffen werden?
Was passiert, wenn ein Corona Fall im Hotel auftritt?
Diese Fragen wird sich jeder touristische Ort stellen müssen.
Ja. Vielleicht ist irgendwann egal, wo ich bin, wenn sich die Anzahl der Neuinfektion in Europa stabilisiert hat. Die Sicherheitsabstände können in den Bergen sicher besser gewährleistet werden als am Strand. Auch innerhalb des Betriebes werden sich die Menschen mehr verteilen müssen. Für uns ist auch wichtig zu wissen: Was passiert, wenn ein Corona-Fall im Hotel auftritt? Muss das Hotel wieder schließen? Was ist die Folge, wenn ein Mitarbeiter positiv getestet wird?
2020 wird sicher ein Dämpfer nach all diesen Rekordjahren.
Das Wachstum des Tourismus in Südtirol wurde in den letzten Jahren oft auch kritisiert. Nun sehen wir, was passiert, wenn die Gäste ausbleiben, welche Branchen zusammenhängen und davon betroffen sind: Floristen, Handwerker wie Elektriker, Hydrauliker, aber auch Restaurants, Lebensmittelhersteller und -verarbeiter.
Ihr blickt also zuversichtlich in die kommende Saison?
Ich muss überzeugt und zuversichtlich sein. Man muss damit rechnen, zu öffnen und keine gute Saison zu haben. Wenn man keine hohen Erwartungen hat, wird es oft besser als gedacht.
Es hängt von der Dauer der Corona-Krise ab. Sollten wir im Winter auch nicht öffnen, hätten wir ein riesiges Problem.
In Südtirol haben wir noch
In Südtirol haben wir noch rechtzeitig reagiert?
Nein, das hat man nicht. Die Politprominenz hat die Deutschen auch noch beschimpft als die vor Reisen nach Südtirol gewarnt haben.
Ich bin mit einem Kind, das zur Risikogruppe gehört, über Fasching zur Seiser Alm eine Woche zum Skifahren gefahren und habe vorher mehrmals nachgefragt, ob es dort sicher ist. Gemeinde, Tourismusverband und Hotelier haben mir das versichert. Wir sind also von vorne bis hinten angelogen worden, Südtirol war nur deshalb nicht befallen, weil nicht getestet wurde.
Jetzt zu sagen, man hätte alles richtig gemacht, ist faktisch falsch, sonst hätte man nicht die absurd hohen Fallzahlen und moralisch verwerflich.
Man wollte kurzfristig die Gewinne optimieren auf Kosten der Menschen.
Jetzt wird so getan, als wäre nichts gewesen.
Und da soll ich noch mal Urlaub machen?
In reply to In Südtirol haben wir noch by Thomas Wüst
Lieber Herr Wüst,
Hallo Herr Wüst,
ich denke im Februar zu Fasching hat man das Ausmaß der Situation nirgends absehen können. In Leipzig wurde sogar Mitte März noch Champions League mit Zuschauern gespielt.
Ebenfalls ist es nicht korrekt, dass es in Südtirol absurd hohe Fallzahlen gibt (ca.2.300 auf 500.000 Einwohner= 0,5%).
In Italien generell sind einige Regionen im Norden stärker betroffen, im Rest des Landes ist die Situation relativ ruhig.
Frau Weissensteiner, sie
Frau Weissensteiner, sie haben einen aufschlussreichen ehrlichen Bericht verfasst,ich kann ihnen nur beipflichten, sie haben ohne wenn und aber alle Themen angeschnitten, so wie ihnen geht es allen Beherbergunsbetrieben,für alle stellen sich die selben Fragen, wie sieht es morgen aus, keiner kann diese Frage in dieser schweren Zeit beantworten. Ich hoffe für alle Hotels,dass es so schnell wie möglich weitergeht,ich bin überzeugt, dass alte Gäste Südtirol die treue halten, denn schönsten und erholsamsten Urlaub finden sie bei uns.
Eines glaube ich auch Hotels im 4 Sterne bereich werden nicht das Problem haben ,denn Preis Leistung stimmt.
Mitarbeiter warten, dass Sie wieder arbeiten können und dürfen.vielleicht sind sie wieder etwas zufriedener. Allen eine schöne und gesunde zeit bis zur Wiedereröffnung.
Herr Wüst, Ihr Kommentar ist
Herr Wüst, Ihr Kommentar ist in dieser schwierigen Zeit . Ich finde Südtirol hat die Gäste und Bewohner des Landes ehrlich informiert, wir brauchen uns nicht von Ihnen beleidigen lassen. Bevor sie solche Kommentare abgeben sollten sie auch wissen, dass das Virus über Deutschland nach Italien gekommen ist.
In reply to Herr Wüst, Ihr Kommentar ist by Johann Georg B…
Herr Bernhardt,
Herr Bernhardt,
am 24.02. hätte Südtirol den ersten Coronafall, bis 04.03. würden nur 20 Tests in Südtirol durchgeführt, am 06.03. hat das RKI festgestellt, dass 36 Neuinfektionen aus Südtirol nach Deutschland kamen und vor Reisen dorthin gewarnt.
Daraufhin wurde Deutschland stark kritisiert, von Kompatscher bis Ebner, alle haben die Warnungen abgetan.
Das sind Fakten und keine Beleidigung.
Thomas Wüst hat doch
Thomas Wüst hat doch vollkommen Recht! Sogar als das Robert Koch Institut Südtirol zum Risikogebiet erklärt hat, wurde orchestriert durch die Weinbergschreiberlinge und von höchster politischer Stelle so getan, als wäre Südtirol Corona-frei. Ich erinnere an den Facebook-Eintrag der Schnalstaler Gleterscherbahnen, der dann "vorsichtshalber" einige Stunden später wieder gelöscht wurde. Aber, dass hier natürlich wieder die Hoteliers aufspringen und "zommholten", auch wenn es mehr als offensichtlich ist, dass aus reiner Profitgier heraus die Gesundheit von tausenden Menschen in diesem Land leichtfertig aufs Spiel gesetzt wurde, ist leider wieder einmal nur allzu typisch für diesen Lobbyverein. "Ehrlich kommuniziert"... Wollen Sie, die Leute auf den Arm nehmen?
In reply to Thomas Wüst hat doch by Thomas Kobler
Ja da gebe ich Ihnen Recht.
Ja da gebe ich Ihnen Recht. Diese Profitgier der Hoteliers und Unternehmer ist verabscheuungswürdig. Die sollten mit ihren Betrieben alle keine Gewinnabsichten, sondern Verlustabsichten haben, das wäre für das ganze System viel besser....dann wären endlich die Steuereinnahmen und die Beiträge für die Sozialsysteme nicht mehr so hoch...und dem ganzen System ginge es viel besser.....endlich mehr Firmenpleiten, endlich mehr Arbeitslose, endlich keine Investitionen mehr, endlich eine damit einhergehende Schrumpfung der öffentlichen Haushalte, .......ja wollen wir doch hoffen dass diese Gier nach Profiten endlich aufhören möge.....