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Die letzten Österreicher

Die Dokumentation eines Südtiroler Filmemachers soll das Leben einer österreichischen Minderheit in der Ukraine beleuchten. Zumindest diesen Anspruch erfüllt der Film.
Die letzten Österreicher
Foto: Pitscheider

Er klingt dramatisch, dieser Titel, man könnte beinahe meinen, das Ende einer Nation stehe bevor. In Wahrheit sind die Österreicher zahlreich und munter, Lukas Pitscheider bezieht sich auf ein kleines Dorf im Westen der Ukraine, zu Deutsch Königsfeld genannt, das im 18. Jahrhundert mit österreichischen Arbeitern aus dem Salzkammergut bevölkert wurde. Ein Teil von ihnen, respektive deren Nachfahren, leben noch immer dort und sprechen noch immer die Sprache ihres Herkunftslandes. Es sind nur noch wenige der ansässigen Familien, die den fremdartig klingenden Dialekt sprechen, trotz aller Fremdartigkeit jedoch versteht man das meiste von dem, was sie sagen. Das Deutsch ist deutlich erkennbar, gleichzeitig ist der Einfluss der ukrainischen Sprache zu bemerken, der Dialekt klingt nicht wie einer der anderen österreichischen Dialekte.

 

Pitscheider zeigt nun mehrere Protagonistinnen und Protagonisten in einem Zeitraum von drei Jahren. Man sieht das Dorfleben, die Lebensweise der Menschen, und die Frage nach dem Auswandern schwebt über ihrer aller Köpfe. Der Wald, der das Dorf einst reich umgab, wird abgeholzt, es gibt in dem Örtchen nicht viel, erzählt ein Mann. Perspektiven schon gar nicht. Nur wer die Ruhe sucht, die Idylle, und kein Problem mit der Trostlosigkeit hat, ist in Königsfeld gut aufgehoben.

 

Manche der Menschen wirken wie inszeniert, etwa der Vize-Bürgermeister des Dorfes, eine Karikatur, der liebenswürdig daherkommt und zum Schmunzeln anregt. Abgesehen davon werden wir Zeuge zahlreicher Instandhaltungsarbeiten, dem Bau eines Schilifts (immerhin sprechen wir von Österreichern), Gesprächen zwischen Familien, dem wachenden Auge der Natur, den Straßen, den Hunden, die einsam über die Wege wandern.

 

All das ist von großer Alltäglichkeit. Am Ende des Films bleibt die Frage, was Pitscheider am Thema interessiert hat. Abgesehen von der ungewöhnlichen Sprechweise, also der Anwesenheit österreichischer Sprache und kultureller Einflüsse, ist Königsfeld ein Dorf wie jedes andere. Man findet solche Orte zuhauf in der Ukraine, in Polen, Deutschland, Österreich und auch in Südtirol. Die Dokumentation erzählt einen Zeitraum von drei Jahren, jedoch kommt zu keinem Punkt ein Gefühl dafür auf, alles Gezeigte hätte sich auch innerhalb einer Woche abspielen können. Da Pitscheider auf einen Erzähler verzichtet und nur die Akteure vor der Kamera „erzählen“ lässt, fehlt eine inhaltliche Führung. Das wäre nicht weiter schlimm, würde das Gezeigte selbst etwas Relevantes erzählen. Das geschieht jedoch nicht, es wird lediglich beobachtet. Wer sich dafür interessiert, wird seine Freude an den letzten Österreichern haben. Eine halbstündige Reportage über den kuriosen Ort hätte jedoch genauso viel erzählt, dichter und schlüssiger. Pitscheider wollte eine Kino-Dokumentation drehen, erzählte er kürzlich in einem Interview, nicht aber einen Fernsehfilm. Das ist lobenswert und erklärt die schön inszenierten Bilder, die ruhige, atmosphärische Stimmung und meditative Musik. Doch sollte es der Anspruch guter Dokumentationen sein, Neues und Unbekanntes zu zeigen, dabei tief zu graben und nicht nur an der Oberfläche zu kratzen; oder aber man erzählt das Banale auf innovative Art und Weise. Ein gutes Beispiel ist der Dokumentarfilm „Space Dogs“, der Hunde durch Moskau begleitet, wo oberflächlich auch nicht viel geschieht, darunter aber eine große Erzählung wartet.

 

Apropos Moskau, der Elefant im Raum muss natürlich noch angesprochen werden. All das oben beschriebene wird von den meisten Zuschauerinnen und Zuschauern ohnehin ausgeblendet werden, da der Film durch die aktuelle Weltlage einen neuen, tragischen Kontext erhalten hat. Der Krieg ist wohl auch im Leben der letzten Österreicher angekommen, man fragt sich, ob er Königsfeld erreicht hat, und wie die Menschen dort damit umgehen. Der Film zeigt ein friedliches Dorf, er zeigt, selbst unwissend, uns Wissenden die Ruhe vor dem Sturm. Da ist man am Ende doch dankbar für die Langeweile der west-ukrainischen Provinz.

 

DIE LETZTEN ÖSTERREICHER (Trailer)