Society | Gastbeitrag

…denn wir waren immer schon hier.

Ein poetischer Text zur lesbischen Liebe, die es immer schon gab und immer geben wird.
Gastbeitrag zur lesbischen Liebe
Foto: privat
  • Die Geschichte lesbischer Liebe in Südtirol ist eine Geschichte der Unsichtbarkeit.
    Eine Geschichte von Mut, von Sehnsucht und Selbstbehauptung.
    Sie ist geprägt von auferlegter Scham und stillem Widerstand.
    Von einer Liebe, die nicht sein durfte – und trotzdem war.
    Von Kraft und Leidenschaft hinter verschlossenen Türen.
    Von einer Gesellschaft, die vorgibt, was Liebe zu sein hat –
    und alles andere verschweigt, verdrängt, verachtet.

    Aber wir waren immer schon hier.
    Wir waren heimlich, aber niemals weniger wahr.

    Unsere Liebe – sie war innig.

    So, wie sie nur unter zwei Frauen sein kann.

    Wir waren die Briefe ohne Absenderin.
    Wir waren die heimlichen Blicke, die langen Umarmungen unter Freundinnen.
    Wir waren die hübschen jungen Frauen, die doch “keinen Mann fanden“.
    Wir waren "Geisteskrank", "Verwirrt", "Unreif".
    Wir waren die, die man in Ehen zwang,
    die, die still ertrugen,
    die, die flohen,
    die, die Schuld bei sich selbst suchten.

    Die, die in der Einsamkeit landeten.
    Wir waren die, auf die die Familie Druck ausübte.
    Wir sind die, die auch heute noch Gewalt erfahren.
    Wir sind die, die angeblich nur den „richtigen Mann“ brauchen.

    Wir sind die, wovor Kinder „geschützt werden müssen“.
    Wir sind die, über die man nicht spricht.

    Aber wir sprechen.

    Mariasilvia ging auf die Straße. Marie ging ins Wasser.
    Edith küsste Anna in den Umkleiden des Geschäfts.

    Alena ist Aktivistin. Francesca wohnt im Altenheim.
    Giulia und Katharina halten sich in der Stadt an der Hand.
    Maurizia und Jasmin sind Mütter und heiraten. 

    Die Namen der Liebenden fielen nie im selben Satz.
    Man schwieg uns tot –
    aber wir flüsterten weiter,
    dann sprachen wir,
    und irgendwann riefen manche von uns laut.

    Auch für all jene, die sich nicht zeigen können oder möchten.

    Wir sind viele.
    Wir sind die Seiten eines Buchs, das nie gebunden wurde.
    Aber wir schreiben weiter.

    Wir sind da.
    Nicht neu, nur endlich ansatzweise gesehen.
    Von der Verachtung zur Beachtung,
    vom Schweigen zur Stimme.

    Und so gehen manche von uns auf die Straße,
    machen sich verletzlich, sichtbar, angreifbar –
    und verteidigen mit leiser Entschlossenheit
    etwas vom Schönsten, das wir haben:
    unsere Liebe.

    Denn: 

    Unsere Liebe ist echt. Und schön.
    Wir waren immer schon hier.
    Und wir bleiben.

     

  • Zu diesem Text

    SALTO hatte seine Leserinnen und Leser aufgerufen Geschichten queeren Lebens zu erzählen. Dieses Gedicht ist eine Zusendung, die uns unter [email protected] erreicht hat. Die Person, die das Gedicht verfasst hat, möchte gerne anonym bleiben, diesen Wunsch respektieren wir. Der Name des Autoren oder der Autorin ist der Redaktion aber bekannt.

    Wenn auch du deine Geschichte erzählen möchtest, schreib uns an [email protected] .

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Salto User
Josef Fulterer Sun, 06/22/2025 - 19:32

Menschen die nicht in die Rolle von Frau + Mann gepasst haben, hat es schon immer gegeben. Die Griechen hatten ihre Amazonen + im Mittelalter waren in den agrarischen Groß-Familien, ledige Frauen + Männer sehr anerkannte geschätzte Familien-Mitglieder. Einige davon sind in den Klöstern gelandet.
Erst unter dem grausamen VERBRECHER HITLER, der vermutlich "auch queere Neigungen hatte," wurden Lesben + Schwule in die Gaskammern getrieben.
Erst 80 Jahre danach wagen sich "die anders-artigen Menschen allmählich aus den auf-gezwungenen Rollen."

Sun, 06/22/2025 - 19:32 Permalink