Society | Daten

Der Dompteur wissenschaftlicher Daten

Woran kann es liegen, dass auch ein perfekt geplantes System wie vollautomatisierte Klimahäuser versagen kann? Informatikprofessor Johann Gamper analysierte...
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Prof. Johann Gamper
Foto: unibz

...bei einer internationalen Konferenz an der unibz mit Kollegen aus aller Welt Fragen, die sich bei der Verwaltung und Nutzung riesiger Datenmengen ergeben. Ein Überblick.

 

Es war ein rundes Jubiläum, das ein internationaler Kreis von Informatikspezialisten in der zweiten Juli-Woche an der Freien Universität Bozen beging: Dort fand die 30. Auflage der International Conference on Scientific and Statistical Database Management (SSDBM) statt, einem anfangs zweijährlichen und mittlerweile jährlichen Treffpunkt von Wissenschaftlern, Datenbank-Forschern, Anwendern und Entwicklern, der 1981 im kalifornischen Menlo Park aus der Taufe gehoben worden war. Aus heutiger Sicht in der digitalen Steinzeit – wenn man bedenkt, dass allein in den vergangenen zweieinhalb Jahren weltweit so viele Daten generiert wurden wie in der gesamten Menschheitsgeschichte davor. Datenbanken gab es in den ausklingenden Achtziger Jahren zwar klarerweise auch schon. Allerdings wurden sie damals vor allem von Banken und für Buchhaltungszwecke verwendet, erinnert der Informatikprofessor Johann Gamper. Die wissenschaftliche Community habe dagegen damals noch nicht von den effizienten digitalen Ablage - und Managementsystemen profitiert, ohne die unsere heutige Welt nicht funktionieren würde. Dies zu ändern und in Folge stets zu optimieren, haben sich die Gründer der SSDBM – mit Erfolg – auf die Fahnen geschrieben.

 

Die Arbeit geht der internationalen Community, die sich einmal jährlich abwechselnd in den USA und in Europa trifft, auch drei Jahrzehnte später nicht aus. Im Gegenteil: Das exponentielle Wachstum der Datenmengen und immer komplexere Anforderungen an ihre Analyse und Verarbeitung fordern die Informatikspezialisten heute mehr denn je heraus. „Jedes Jahr kommen neue Arten von Daten dazu, für die es wieder neue Algorithmen zu finden gilt“, sagt Johann Gamper.

 

Einige davon wurden auch auf der ersten Bozner Auflage der internationalen Konferenz präsentiert. Zum Beispiel ein vollkommen neuer Ansatz des Routing, mit dem der schnellste Weg zwischen zwei Punkten auf Basis historischer Daten berechnet wird. Sprich: Statt von der, unter optimalen Verkehrsbedingungen kürzesten Strecke auszugehen, wie es der seit den Sechziger Jahren für eine solche Routenberechnung verwendete Dijkstra-Algorithmus und seine Erweiterungen machen, fragt man nun vereinfacht gesagt ab, wie lange andere Menschen an diesem Wochentag und zu dieser Uhrzeit für die selbe Strecke gebraucht haben. „Über Millionen solcher Verläufe und deren Mittelwerte kommt man dann schneller zu genaueren Ergebnissen als mit den bisher gebräuchlichen Algorithmen“, erklärt Gamper.

 

Ein Paradigmenwechsel – der nur dadurch ermöglicht wurde, dass in unserem digitalen Zeitalter quasi jedes Auto über GPS geortet werden kann. Viele solcher Daten werden jedoch irgendwo gesammelt, ohne produktiv eingesetzt zu werden. Daraus noch viel mehr Nutzen für die Allgemeinheit zu ziehen, ohne Auflagen, wie jene hinsichtlich Anonymität zu verletzen, ist eine der Aufgaben, der sich das internationale Netzwerk aus Database-Spezialisten widmet. Und so ging es auch in Bozen nicht nur darum, wie Trillionen von Rechenoperationen oder gewaltige Datenmengen von wissenschaftlichen Anwendungen in der Astrophysik oder beispielsweise beim Teilchenbeschleuniger CERN effizient gespeichert und verarbeitet werden können – oder wie Computer unter dem Slogan „Deep Learning“ auch Probleme jenseits mathematischer Logiken lösen können. Eine der Fallstudien zeigte laut Tagungsorganisator Gamper auch, wie eine gute Datenanalyse aufdecken kann, warum perfekt geplante Systeme wie vollautomatisierte Klimahäuser dennoch nicht funktionieren. „In diesem Fall entdeckte man über die gesammelten Daten zum Beispiel, dass völlig banale Gründe wie das Abdecken von Klimaanlagen-Ventilatoren mit Jacken das ganze System kippen.“

 

Solch pragmatische Anwendungen sind für den Informatiker auch in seiner täglichen Arbeit immer wieder an der Tagesordnung. Schließlich wurden an der Fakultät für Informatik bereits seit längerem die Tore für die lokale Wirtschaft weit geöffnet. Unter dem Slogan „Look and touch“ erhalten Unternehmer dort eine jeweils halbstündige Einführung in die Forschungsarbeit der einzelnen Professoren. „Wenn sie dann konkrete Anliegen haben, haben sie bereits ein Gesicht und einen Namen, an den sie sich wenden können“, meint Gamper. Auch wenn die Universität klarerweise nicht dazu da sei, Softwarelösungen für Firmen zu entwickeln, sei der Austausch wichtig, um die akademische Arbeit auch immer wieder mit dem Boden der Realität zu konfrontieren.

 

Umso stolzer ist der Organisator der internationalen Datenbank-Tagung auf eine Premiere, die er sich für Bozen einfallen ließ: eine „Local Stakeholder Session“, bei der zwei lokale Unternehmen der internationalen wissenschaftlichen Community in einer Kurzpräsentation ihre größten aktuellen Herausforderungen präsentierten. Das neue Format stieß laut Gamper auf beiden Seiten auf Begeisterung. Und: „Beide Unternehmen haben anschließend Kontakte zu Universitätsprofessoren aus den USA bzw. Kanada geknüpft, die sie konkret unterstützen wollen bzw. einen Termin mit ihnen vereinbart haben.“