Economy | Destinationsmarken

Südtiroler Vielfalt

Gröden lanciert die zweite Dolomites-Dachmarke innerhalb eines Jahres. Bei der Hüterin der Südtiroler Dachmarke hat man dafür vollstes Verständnis.
Val Gardena Dolomites
Foto: Valgardena Dolomites

Der englische Begriff Kick-Off kann auf verschiedene Arten interpretiert werden. Die Tourismusvereine St. Ulrich, St. Christina und Wolkenstein verwendeten ihn am Montag Abend in der gebräuchlichsten Art - für eine Auftaktveranstaltung, auf der ihre neue Markenstrategie gestartet wurde. „Val Gardena – Dolomites“ – unter dieser neuen Marke wollen Grödens Touristiker mehr Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit bei ihrem Internationalisierungsbestrebungen gewinnen. Schließlich liegt das Tal mitten in einem weltberühmten Gebirge, das alles hat, das man sich von einer Marke wünschen kann. Nicht nur eine Adelung als Weltnaturerbe, sondern auch eine breite Bekanntheit und starke Assoziationen in unterschiedlichen Bereichen wie Film, Literatur, Musik oder natürlich Abenteuer und Outdoor. „Ausgangspunkt war also die Erkennntnis: Wir haben ein unglaubliches Juwel, lasst es uns stärker nutzen“, erzählt Klaus-Dieter Koch.  

Der Gründer der Nürnberger Unternehmensberatung BrandTrust ist in der Welt der Markenstrategieberatung ein ähnliches Schwergewicht wie die Dolomiten in Europas Gebirgslandschafen. Als solches half er den Grödnern nun dabei, einen Traum zu verwirklichen, den sie laut Christoph Vinatzer vom Tourismusverein Wolkenstein bereits seit gut zehn Jahren verfolgten. In einem mehrstufigen, zweieinhalb Jahre dauernden Prozess erarbeiteten die Touristiker und der Markenstratege eine Marke rund um das „geschichtsträchtigste Gebirge der Welt“. Die enthält laut offizieller Pressemitteilung nun Werte wie „imposant, verbunden, bereichernd, mythisch und herausfordernd“. Darauf aufbauend können Tourismusvereine und Hotels nun touristische Produkte entwickeln – und zwar nicht nur in Gröden. Denn die Marke und ihr von der Innsbrucker Agentur CIRCUS entwickeltes Logo wurden laut Klaus-Dieter Koch von Beginn an als offenes Konzept entwickelt. „Wir sind so überzeugt von der Idee, dass wir jetzt einmal starten“, spricht der Markenprofi von einer „ein bisschen weniger politisch als unternehmerischen Herangehensweise“. In einem zweiten Schritt können jedoch auch alle anderen Dolomiten-Destinationen aufspringen, die bereit sind, die entsprechenden Werte mitzutragen. Vom Eggental oder der Seiser Alm bis hin zum Gadertal oder auch Dolomiten-Tälern im Trentino oder dem Belluno. „Es gibt schon die Vision, alle Talschaften in den Dolomiten an dieser Marke zu beteiligen“, sagt Koch. „Auch wenn das dann sicherlich eine hoch komplexe Angelegenheit werden könnte.“

"Ausgangspunkt war also die Erkennntnis: Wir haben ein unglaubliches Juwel, lasst es uns stärker nutzen."

Ansagen, die nur wenige Tage nach Verabschiedung des Gesetzes zur Neuordnung der Tourismusorganisationen auch innerhalb der Branche für so manche Verwunderung sorgen. Und die auch an andere Bedeutungen des Terminus „Kick“ denken lassen. Gerade noch kündigte der Wirtschaftslandesrat und Landeshauptmann an, dass nun mit der Abschaffung der 14 Tourismusverbänden und Schaffung von drei Destinationsmanagementeinheiten (DME) die „Voraussetzungen geschaffen wurden, um Südtirol besser auf dem europäischen Markt zu positionieren“. Und nun präsentiert einer der abgeschafften Verbände oder besser seine drei Tourismusvereine eine eigene Positionierungsstrategie für eines der Gustostückln der Südtiroler Destinationsmarke? Zu dem möglicherweise mit weiteren Dolomiten-Destinationen schon bald einige andere Filets dazukommen. Allesamt beliebte Sujets der Dachmarke Südtirol, der in der Vergangenheit von Touristikern anderer Täler eine zu starke Aufladung mit Dolomiten-Motiven vorgeworfen wurde.

Kickt sich hier also jemand aus dem Landesspiel aus, an dem die Grödner bekanntlich seit der Reorganisation der Tourismusvermarktung ohnehin keine Freude mehr zu haben schienen? Kommt eine Dachmarke für die Dolomiten nicht einem Foul für die Südtiroler Destinationsmarke gleich? Für die sowohl in der Landesregierung als auch in der IDM die einstige Leidenschaft der Engl-Widmann-Ära ohnehin längst verglüht scheint, wie so manche Brancheninsider nörgeln. Keineswegs, versichert Markenkreator Klaus-Dieter Koch. Denn die Südtiroler Dachmarke werde ja auch von den Grödnern weiterhin gespielt. Doch wenn es zum Beispiel darum gehe, sich in einem attraktiven Marktsegment wie jenem der Aktivurlauber zu behaupten, gehe es darum, sich mit Spezialisten wie beispielsweise Zermatt zu messen. „In diesem speziellen Thema ist man dann mit der Marke Südtirol unterlegen, während man mit Dolomites konkurrenzfähig ist. Und das ist der Punkt“, sagt Koch.

"Marken verändern sich"

Marken werden responsiver, sagt auch IDM-Kommunikationschef  Thomas Aichner. Genauso wie Internetseiten, die auf dem Computer ein anderes Erscheinungsbild als auf dem Handy haben, könne auch eine Destination je nach Markt mit ihren Marken spielen. „Wenn man Gröden in Russland vermarktet, spielt die Südtirol-Marke eine größere Bedeutung.“ erklärt er. Spreche man dagegen Skitouristen in Mailand oder München an, werde man die Dolomiten in den Vordergrund stellen. Dort  wirkt die Südtiroler Dachmarke dann laut Aichner wie eine zusätzliche Sicherheit, wie eine Art „TÜV-Siegel“.

Klingt nicht gerade sexy – zumindest wenn man sich die „Begehrlichkeiten“  in Erinnerung ruft, die die Dachmarke laut dem früheren SMG-Chef Christoph Engl auslösen sollte. Heute dagegen kann selbst HGV-Präsident Manfred Pinzger nachvollziehen, dass man in Gröden eine stärkere Marke brauche als eine, die mittlerweile für „Joghurt, Speck und alles mögliche“ stehe. „Wenn diese Marke mit der IDM abgesprochen ist, ist das für uns schon in Ordnung“, meint der Hotelier.

Ist sie, beruhigt Thomas Aichner. Zumindest sei die IDM vor einem Jahr von den Grödnern  und BrandTrust über deren geplante Neupositionierung informiert worden und auf dem Laufenden gehalten worden. Ob bei solchen Sitzungen auch mal jemand auf den Tisch gehauen hat, bleibt offen. Eine Vernachlässigung oder mangelnde Verteidigung der Dachmarke will sich der IDM-Kommunikationschef in jedem Fall nicht nachsagen lassen. Vielmehr seien seit der Ära Engl einige Jahre ins Land gezogen und die Zeiten hätten sich verändert. „Engl hat damals bewusst darauf gesetzt, alle andere Marken tief zu halten“, sagt Thomas Aichner. Doch das sei ein strategischer Schritt gewesen, um eine damals noch schwächelnde Marke zu stärken. „Nun hat die Marke Südtirol ausreichend Kraft – und kann es sich aus dieser Position heraus auch leisten, nicht immer die erste Geige zu spielen“, sagt Thomas Aichner.

Dolomites versus Dolomites

 

Genauso wie es sich Christoph Engl mittlerweile leisten kann, an seinem neuen Arbeitsplatz im Nürnberg neue Marken für Südtirol zu entwickeln.  Schließlich hatte der Ex-SMG-Chef für BrandTrust erst vor einem Jahr die neue Destinationsmarke „Drei Zinnen – Dolomites“ für Toblach, Innichen, Sexten, Prags und Niederdorf entwickelt. Und: Trotz des gleichlautenden Zusatzes Dolomites haben die beiden Marken nichts miteinander zu tun, versichert Klaus-Dieter Koch. Es habe zwar ein „ähnliches Ansinnen“ gegeben. Doch von der Ausgangslage und dem Konzept gehe es um zwei unterschiedliche Paar Schuhe – bzw. zwei getrennte wie geschützte Wort-Bild-Marken. Sofern es für die Oberpustertaler Sinn mache, könnte sie sich aber gerne der offenen neuen Dolomites-Dachmarke anschließen, lässt der Markenspezialist ausrichten.

Vielfalt ist das Ass, um Südtirols Einzigartigkeit zum Glanz zu verhelfen, meinte Global-Forum-Veranstalter Christian Girardi dieser Tage sinngemäß  auf salto.bz. Ob darunter auch eine neue Destinationsmarken-Vielfalt fällt, sei schon allein aus finanziellen Gründen dahin gestellt. Nicht nur, weil man sich ausrechnen kann, dass sich europaweit anerkannte Markenprofis gut dafür zahlen lassen, nun die Vielfalt des Landes auf neue Art zur Geltung bringen. Sondern vor allem, weil die Tourismusbetriebe über die Ortsaxe schließlich bereits ihre DME und damit auch die Südtirol-Marke mitfinanzieren, wie HGV-Präsident Pinzger hervorhebt. „Diese Gelder aus den Betrieben sollten möglichst effizient und für eine Marke eingesetzt werden“, so der Hotelier. „Denn ich glaube nicht, dass sie bereit sind, doppelt zu zahlen.“ Mal sehen, wie lange sie bereit sind, für ein „TÜV-Siegel“ zu zahlen, das in Nachbartälern von schnittigen Plaketten überleuchtet wird.