Economy | Genossenschaften

„Wir haben eine Vorreiterrolle“

Heini Grandi über die Fusion der beiden Verbände Legacoopbund und Confcooperative, den Raiffeisenverband und die Frage, ob das Genossenschaftsmodell nicht überholt ist.
Grandi, Heini
Foto: Legacoop
Salto.bz: Herr Grandi, der Zusammenschluss von „Legacoopbund“ und „Confcooperative Alto Adige – Südtirol“ ist fast so wie das Zusammengehen des PCI mit der DC?
 
Heini Grandi: (lacht): Der Vergleich ehrt uns zwar, er trifft aber nicht zu. Denn wird sind keine Partei sondern die Vertretung von Genossenschaften, die nur eine besondere Form von Unternehmen sind. Natürlich stimmt es, dass sich damit zwei Verbände zusammenschließen, die historisch im politischen Spektrum völlig verschieden angesiedelt waren. Mittlerweile sind diese Fronten aber längst überholt.

Das heiß: Es gibt nicht mehr die roten und die schwarzen Genossenschaften?

Es gibt nur gute und schlechte Genossenschaften, würde ich sagen.
 
Was aber ist eine gute Genossenschaft?

Eine gute Genossenschaft ist eine funktionierende Genossenschaft, wo die Mitglieder wirklich mitbestimmen können. Im Grunde genommen geht es darum die international verankerten Grundwerte zu respektieren. Das heißt: Demokratie, Transparenz, nachhaltiges Wirken, Eintreten für die Mitglieder und die Gesellschaft. Die Besitzer einer Genossenschaft sind die Mitglieder, deshalb müssen sie auch das Sagen haben.
Es gibt nur gute und schlechte Genossenschaften, würde ich sagen.
Man kann aber auch kritisieren, dass die Genossenschaft in unserer schnelllebigen, vernetzten Welt ein völlig antiquiertes Modell sei?
 
Die Realität sagt aber genau das Gegenteil. Gerade in schwierigen Situationen entwickelt das Genossenschaftswesen seine besten Eigenschaften. Weltweit boom das Genossenschaftswesen. Etwa in den Entwicklungsländern aber auch in den Mutterländern des Kapitalismus wie in England oder den USA funktionieren Genossenschaften besonders gut. Dabei sind Genossenschaften gerade im digitalen Zeitalter eine besondere Herausforderung. Denn im Grunde genommen sind digitale Plattformen ein Modell, das dem Genossenschaftsmodell nachempfunden ist. Auch dort sharen, teilen, User Nachrichten, Informationen oder andere Dinge. Der große Unterschied aber: Die Plattform gehört dort nicht den Benutzern, sondern meistens Großkonzernen, die damit viel Geld verdienen.
 
Im Südtiroler Genossenschaftswesen gibt es einen großen Player: Den Raiffeisenverband. Alle anderen sind dagegen nur kleine Würstchen?
 
Man kann das so sehen. Sicher ist der Raiffeisenverband ein sehr starker, historisch  gewachsener Verband. Er hat eine Geschichte, die ins 19. Jahrhundert zurückgeht und er ist sehr stark in den wichtigsten Wirtschaftssektoren des Landes verankert. Im Kreditwesen und vor allem in der Landwirtschaft, wo der Raiffeisenverband nicht mehr wegzudenken ist. Es gibt eine gute Zusammenarbeit mit dem Raiffeisenverband und auch eine gegenseitige Wertschätzung.
 
Die Frage aber ist: Bleibt daneben noch Platz für andere Verbände?
 
Auf jeden Fall. Denn es gibt genügend andere Sektoren in Südtirol, wo das Genossenschaftsmodell funktioniert. Und genau das ist unser Terrain. Das sind Arbeitergenossenschaften, Wohnbaugenossenschaften oder Sozialgenossenschaften. Dazu kommen auch neue alternative Formen von Genossenschaften, wie Bürgergenossenschaften. Hier sind wir mit dem Raiffeisenverband sicher auf Augenhöhe.
Gerade in schwierigen Situationen entwickelt das Genossenschaftswesen seine besten Eigenschaften. Weltweit boom das Genossenschaftswesen
Italienweit ist ebenfalls ein Zusammengehen dieser Verbände geplant. Hat Südtirol damit eine Art Vorreiterrolle?

Auf jeden Fall. National versuchen drei Genossenschaftsverbände zu fusionieren. Das ist aber noch nicht gelungen. Deshalb haben wir hier sicher eine Vorreiterrolle. Ich war erst diese Woche in Rom und da haben wir genau darüber geredet. Man begrüßt dort unsere Entwicklung sehr. So werden auf dem Kongress am Samstag gleich zwei nationale Verbandspräsidenten anwesend sein. Man schaut in Rom auf Südtirol, gerade weil wir hier vorausgehen.
 
Sie gehen davon aus, dass man schlagkräftiger ist, wenn man die Kräfte vereint?
 
Ja sicher. Wenn man es richtig macht, dann auf jeden Fall. Denn man hat mehr Gewicht auch in der Politik. Zudem kann man die Dienstleistungen deutlich erweitern und ein besseres Sprachrohr für die Genossenschaften sein.
 
Tut die Politik und vor allem die Südtiroler Landesregierung genug für die Genossenschaften?
 
Hier muss man eines vorausschicken: Das Land hat  im Genossenschaftswesen nur eine Kontrollfunktion. Die eigentliche gesetzgeberische Rolle hat auf diesem Gebiet die Region. Auch dort liegt die Kompetenz mit Manfred Vallazza in den Händen eines SVP-Politikers. Wir haben mit ihm recht gute Kontakte. Wir arbeiten derzeit auch an einer Gesetzesänderung. Auf Landesebene hingegen geht es vor allem darum, die Kontrollfunktion auszuüben. Gerade diese Kontrollfunktion überträgt das Land den Verbänden, also uns. Das ist unsere Aufgabe.
 
Fusionen und Zusammenschlüsse scheitern meistens an Personen. Niemand will sein Amt verlieren...
 
Sie scheitern nicht nur an Personen, sondern sehr oft auch an Symbolen. Das kam auch in unserem Prozess des Zusammengehens, der zwei Jahre gedauert hat, klar zum Vorschein. Dinge wie Ressourcen oder Personen konnten wir eigentlich sehr schnell klären. Wo es dann aber länger brauchte, waren diese unantastbaren Symbole. Da geht es einfach um Namen und Identitäten. Hier mussten wir viel Überzeugungsarbeit leisten.
Man schaut in Rom auf Südtirol, gerade weil wir hier vorausgehen.
Sie haben für diesen Zusammenschluss ein partizipatives Modell gewählt. Alle sollten mitreden können. Das hat rund zwei Jahre gedauert. Ist das nicht zu lange?
 
Das ist eine Grundeigenschaft der Genossenschaften. Es dauert immer etwas länger. Denn man muss diskutieren, die Beschlüsse transparent vorbereiten. Das hat mit Partizipation zu tun. Findet man dann aber eine Lösung hält diese länger. Die Lösungen sind resilienter, wie man so schön auf Neudeutsch sagt.

Einer der Streitpunkte war der Namen. Wie wird der neue Verband heißen?

Auch die Namensfindung war ein partizipativer Prozess. Es wurden alle Mitglieder befragt. Das Ergebnis wird eine Überraschung sein. Wir werden den neuen Namen deshalb erst am Samstag beim Kongress bekanntgeben.
 
Sie werden auch nach dem Zusammenschluss Präsident bleiben?
 
Wenn es die Mitglieder wollen, werde ich weiterhin Präsident bleiben. Denn es gibt unmittelbar keine Neuwahlen. Am Samstag werden nur neue Mitglieder kooptiert. Die Neuwahlen der Gremien finden dann erst in zwei Jahren statt.