Culture | Tanz
Auf ganz eigenen Beinen
Foto: Privat
Wie Spinnenbeine (es sind zu viele für eine menschliche Metapher) greifen junge Tänzer:innen, welche ihre künstlerische Sprache entdeckt haben oder gerade dabei sind diese zu finden, über den Europäischen Kontinent (zum Teil auch darüber hinaus), etwa nach Frankreich, Deutschland, Österreich, Lettland, die Niederlande und Korea.
Für Alps Move werden diese Beine angewinkelt und kommen in Bozen, Lana, Meran und Brixen zum Stehen, wo sie bestenfalls Spuren hinterlassen.
Man wolle eine Plattform für jene sein, die sich mit Tanz befassen und die Präsenz von Südtiroler Tänzer:innen und Choreograf:innen auf dem Territorium erhöhen, hieß es seitens der Künstlerischen Koordinatorin bei der Pressekonferenz im Bozner Waaghaus. Um zur Spinnen-Metapher zurückzukehren: Ab Ende September wird die Webseite www.tanzkollektiv.it mit einer Neugestaltung nicht nur eine Aufhübschung erhalten, sondern soll auch, neben der Vorstellung der Projekte des Tanzkollektiv Südtirol, Alps Move und die Community Dance Academy, weiters noch ein „Netzwerk“ bilden.
Ziel sei es - da Tanz als Kunstform in Südtirol über keinen ausgewiesenen Ort verfügt - zumindest eine virtuelle Schnittstelle zu schaffen, über welche Personen, die für ein Projekt nach Tänzer:innen, Choreograf:innen oder etwa auch Tanzpädagog:innen suchen, zu diesen finden können. Weiters soll dieses Netzwerk auch für Journalist:innen und interessiertes Publikum eine nützliche Ressource sein, welche einen Überblick zu vorhandenen Projekten ermöglicht.
Dabei finden vom groß angelegten Projekt in der Stadtpfarrkirche St. Nikolaus in Meran mit Video, Tanz und sowohl barocker als auch zeitgenössischer Orgelmusik, „Balg - Teneri Frammenti“ (Evelin Stadler, 8. Oktober), Wiederaufnahmen und partizipativen Aktionen im öffentlichen Raum ( „Imago“ von Elena Molinaro am Bozner Siegesdenkmal, 8. Oktober), bis zur kleinen Produktion im Waaghaus mit begrenzter Platzzahl, verschiedenste Ansätze eine Bühne. In eines eben jener kleineren Projekte ließ sich durch einen kurzen Teaser auf der Pressekonferenz blicken. Mit Ambient-Audio im Innenraum und Vanessa Morandell im Außenbereich des Waag Cafés war es eine stimmungsvolle Performance der Tänzerin, die in Zürich in Ausbildung ist. Die Performance endet direkt nach der Steigerung zu erhöhter Aktivität und Expressivität und machte damit Lust auf mehr von „Don’t Panic!“ (14. Oktober). Auch, weil sich im intimen Rahmen mit Felix Maiers Worten (U20 Ö-Slam Champion 2019 und Südtiroler Vize-Landesmeister 2018 im Poetry Slam) eine weitere junge und hoffentlich unverbrauchte Komponente eingliedern wird.
Es ist allerhand - Pardon, Fuß - was da im Oktober in Südtirol (an)tanzen wird.
Salto.bz: Frau Morandell, wenn es eine Grundemotion gibt, welche sich in einigen Texten Maiers wiederfindet, dann ist es Melancholie. Wird „Don’t Panic!“ im weitesten Sinn ein melancholisches Stück werden?
Vanessa Morandell: Es wird ein melancholisches Stück im weitesten Sinne, vielmehr soll es aber ein Stück sein, das weh tut. Es macht keinen Spaß, Teil davon zu sein und gleich wenig, es sich anzusehen. Es ist ganz klar ein Stück, das die Zerbrechlichkeit einer Person und der Natur zeigen soll. Im weitesten Sinn ist das dann auch melancholisch.
In Ihrem Teaser glaube ich Motive der Erschöpfung gesehen zu haben. Sie spielen mit der Schwere des Körpers, Bewegungen setzen an und werden unterbrochen. Was erschöpft Sie als jungen Menschen in dieser Zeit besonders?
Gerade was der Fokus in diesem Stück ist. Ich kann mich gar nicht vom Außen trennen. Als junger Mensch habe ich ganz klar Bezüge zum Thema Mental Health. In unserer Leistungsgesellschaft wird einer fast angestiftet dazu, irgendwann einen Burnout zu erleiden. In meiner Tanzausbildung heißt es immer wieder: „Auch wenn du gut bist, nur die besten kommen weiter.“ Nur mit der Ausbildung ist man noch ein Niemand. Klar, dass man sich da ständig selbst Druck macht. Der Verlauf des Stückes ist auch etwas an eine Panikattacke angelehnt: von der Überforderung, dem Nicht-mehr-atmen-können, bis hin zur totalen Erschöpfung…
Schöpfen Sie dabei aus persönlichen Erfahrungen?
Ja und Nein. Eher als Zeugin, die erahnen kann, wie es ist, wenn man „drüber“ ist und längere Zeit über seine Grenzen hinausgegangen ist. Bisher war das für mich immer nur kurzfristig, so dass ich mich immer wieder erholen konnte, aber das Thema ist mir sehr wichtig. Dass die Welt in der man lebt in Flammen steht, das kann man nicht von sich trennen und das bringt gewissermaßen einen Stein ins Rollen. Kriege und andere Konflikte sind auch Dinge die, auch wenn man sie ausblendet, irgendwo dableiben, weil man Teil eines großen Ganzen ist.
Ihr Name findet sich zweimal im Programm. Ist „The Birdcage“ hoffnungsvoller?
Ich habe mit Emma Giuliani einen Tanzfilm gemacht, in dem es um ähnliche Themen geht. Sie hat bei mir vor zwei Jahren angefragt, ob ich die Choreographie machen könnte und ich habe dann auch getanzt in ihrem Film. Aus dieser Kollaboration ist auch die Idee für „Don’t Panic!“ hervorgegangen und ich wollte sie für diese Produktion unbedingt wieder für den Videoteil dabeihaben. Wir haben also zum einen den Kurzfilm „Don’t Panic!“ und zum anderen die Performance „Don’t Panic!“.
Ist es für Sie befreiend diese Emotionen, die in Ihrer Generation sehr oft präsent sind zu vertanzen?
Es gibt sicher sowas wie einen „Katharsis-Moment“, aber vielmehr bin ich ein Mensch, der eigentlich glücklich ist und es ist für mich ein Weg in andere Extreme, weil ich diese Gefühle auch fühlen kann. Für mich ist es nicht wirklich befreiend. Es gibt Künstler, die sich fragen, warum sie etwas Trauriges machen sollen, wenn die Welt schon brennt oder sie selbst schon traurig ist. Das ist ein Ansatz. Auf der anderen Seite sehe ich es so, dass wenn man schon das Privileg, hat auf eine Bühne zu gehen, dann muss man das nutzen. Vielleicht nicht über ein Mikro, weil ich glaube, den Leuten zu sagen, was sie tun müssen, bringt uns nicht weiter. Aber vielleicht kann es darum gehen, zu sensibilisieren und dass sich die Menschen wieder mehr spüren. Ich glaube, das ist die große Kraft von Tanz, dass es primär um das geht, was man nicht logisch erklären kann. Befreiend finde ich, dass Leute sich das ansehen und mit mir gemeinsam fühlen.
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