Mann, Mahler und Aschenbach
Neben zahlreichen prominenten Persönlichkeiten der Geschichte weilte der bekannte Schriftsteller Thomas Mann (1875–1955) vor über einem Jahrhundert mit seinem Bruder Heinrich in Südtirol, nämlich in der Mitterbader Bäderanstalt. Das war 1901. Zehn Jahre später entstand seine Novelle Der Tod in Venedig, die ebenfalls an einem Badeort spielt, in einem Bäderhotel in Venedig. Dort will sich Hauptprotagonist Gustav von Aschenbach, Schriftsteller, von seinem leistungsorientieren Künstlerleben erholen. Am Strand läuft ihm der polnische Knabe Tadzio über den Weg, für Aschenbach das Ideal eines Jünglings, in welchem sich Schönheit und Vergänglichkeit vereinen.
Demnächst kann man Mann und seinem legendären Stoff dreifach nachspüren, indem man (1.) sein Buch nochmal zur Hand nimmt, (2.) ins Kino geht (27.9.) oder (3.) ab 30. September ins Theater. In der Koproduktion mit der Stiftung Haydn von Bozen und Trient bringen die Vereinigten Bühnen Bozen Der Tod in Venedig als multidisziplinäres, modernes Musiktheater in den Theatersaal. Für die Umsetzung konnte das Regieteam Alexander Charim und Komponist Michael Rauter gewonnen werden.
Manns Novelle wird in Bozen, unter Berücksichtigung des Drehbuches und der Verfilmung von Luchino Visconti (1971) – er hat die Kompositionen von Gustav Mahler einprägsam mit diesem Stoff verknüpft –, neu interpretiert werden. „Ich mag die Verwendung von Mahler im Film eigentlich gar nicht“, betonte der Komponist, Regisseur, Performer und Cellist Michael Rauter letztens, im Rahmen eines Pressegesprächs, deshalb habe er nach Wegen gesucht, um Mahler reizvoll zu präsentieren, als „Bearbeitung“. Für Mahler war Südtirol – insbesondere Toblach mit dem kleinen Komponierhäuschen –, zeit seines Lebens ein Kraft- und Inspirationsort gewesen. Weitaus mehr als das Ultental für Mann.
Für Der Tod in Venedig wird das Haydn Orchester von Bozen und Trient gemeinsam mit dem fünfköpfigen Ensemble das Große Haus des Stadttheaters Bozen in eine Raumbühne verwandeln, mit der Absicht das Publikum musikalisch und szenisch zu überraschen. In der Bozner Inszenierung „wird es keinen Orchestergraben geben“, wurde schon mal verraten, die Musik werde „verräumlicht, mit Sounddesign und als Art Rundgang dargeboten.“ Mal wird das Orchester also in der Ferne (im Foyer) spielen, mal von der Empore, von oben.
Im Stück wird – anders als im Original – auch dem Jüngling eine Stimme gegeben. Dazu bedienen sich die Regisseure beim Roman Mein kleines Prachttier (2021) von Marieke Lucas Rijnevelds, der von der gefährlichen Verbindung eines Mädchens zu einem älteren Mann erzählt.
Zur Einstimmung auf das Stück, wird im Rahmen einer Matinee am 23. September der Visconti-Klassiker (ab 10.30) auf die Leinwand des Filmclubs in Bozen projiziert. Im Anschluss an die Filmvorführung werden Intendant Rudolf Frey und Dramaturg Daniel Theuring über die neue Inszenierung Der Tod in Venedig von Thomas Mann sprechen, die dann am 30. September im Großen Haus seine Premiere feiern wird.
Und noch was: Um den Tod der Stadt Venedig einigermaßen zu verhindern werden Tagesbesucher*innen ab 2024 Eintritt bezahlen – wie schon seit eh und je im Theater oder im Kino. Also her mit den Tickets. Und auf nach Venedig.