Chronicle | SEL-Skandal

Kopernikanische Wende

Das Oberlandesgericht hat Maximilian Rainer im „Stein an Stein 1“ -Berufungsverfahren freigesprochen. Rainer rechnet jetzt mit der „Journaille“ ab.

Es ist ein Paukenschlag. Das Oberlandesgericht hat am frühen Dienstagnachmittag Maximilian Rainer in der Berufungsverhandlung zum „Stein an Stein 1“-Verfahren freigesprochen. Der ehemalige SEL-Generaldirektor war im November 2014 in erster Instanz vor dem Bozner Landesgericht wegen Betruges zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden. Der Vorwurf: Maximilian Rainer hätte zusammen mit dem ehemaligen SEL-Präsidenten Klaus Stocker und dem damaligen SEL-Aufsichtsratspräsidenten Franz Pircher den SEL-Verwaltungsrat getäuscht, damit die Landesenergiegesellschaft das Mittewalder Kleinkraftwerk nicht ankauft. Wenig später kaufte dann die „Stein an Stein GmbH“ das Kleinkraftwerk an, die ausgerechnet der Wiener Unternehmerin Petra Windt, einer früheren Studienkollegin des SEL-Generaldirektors gehört.
Für die Richter in erster Instanz waren die Beweise ausreichend, sowohl Klaus Stocker, Franz Pircher, wie auch Maximilian Rainer zu verurteilen. Während die Urteile gegen Stocker und Pircher inzwischen vom Kassationsgericht bestätigt wurden, hat das Oberlandesgericht jetzt Maximilian Rainer freigesprochen. Die Begründung: Die angebliche Straftat liege nicht vor.

Mediale Steigbügelhalter

Ich fühle mich besser, aber nicht gut“, reagierte Maximilian Rainer unmittelbar nach dem Freispruch in einem Interview mit Tageszeitung-Online. Rainer bedankte sich bei den Richtern am Oberlandesgericht, die „trotz einer massiven Medienkampagne“ zu einem unabhängigen Urteil gekommen seien.
Maximilian Rainer rechnet gleichzeitig auch mit den Medien ab. Rainer zu TZ-Online:

„Die Medien haben diesen Prozess nicht nur beeinflusst, sondern die Medien und die Journaille waren die Steigbügelhalter der Anklage“.


Gleichzeitig versucht sich der ehemalige SEL-Generaldirektor in einer juridischen Hochseilakt. Rainer erklärt öffentlich, dass er im SEL-Prozess nicht verurteilt worden sei. Seine Interpretation: „Ich bin einen Schuldvergleich eingegangen“.
Rainer im TZ-Online-Interview:

„Ich habe dort Verantwortung übernommen, für Dinge, die nicht ganz in Ordnung waren. Das sage ich ganz offen.“

Eine ganz eigenwillige Sichtweise auf den größten, politischen Skandal in Südtirol der letzten 50 Jahre.
Gleichzeitig erklärt der Ex-SEL-Generaldirektor, dass er es am meisten bedauert habe, dass sein „Kind, dadurch einen kleinen Makel bekommen habe“. Und er stellte sich fast schon als Retter da.
Man habe gesehen, dass die SEL wiederum alle Konzessionen bekommen habe, die Gemeinde nur Vorteile aus dem SEL-Skandal hatte und es jetzt sogar zur Fusion von SEL und Etschwerken kommen. Maximilian Rainer erklärt, „dass das immer auch die große Idee des Unterfertigten war“. Und sagt dann:

„Die Idee und die Arbeit für die man 20 Jahre lang gearbeitet hat, kommt jetzt endlich ganz Südtirol zugute“.

Das Ganze klingt fast so, als müsse jetzt zwingend nach dem Freispruch auch noch die Tiroler Verdienstmedaille kommen.

Das Ganze klingt fast so, als müsse jetzt zwingend nach dem Freispruch auch noch die Tiroler Verdienstmedaille kommen.

Neues Verfahren?

Oberstaatsanwalt Guido Rispoli, der in allen Verfahren rund um den SEL-Skandal die Anklage vertreten hat und alle Prozesse bisher in seinem Sinn entscheiden konnte, will den Freispruch nicht kommentieren. Nur soviel lässt Rispoli wissen: „Die Sache endet ganz sicher nicht hier“.
Auch Maximilian Rainer und sein Anwalt Carlo Bertacchi gehen davon aus, dass es zu einer weiteren Berufung vor dem Kassationsgericht kommen wird.
Dieser Freispruch dürfte auf jeden Fall Auswirkungen auf den gesamten Gerichtsfall „Stein an Stein“ haben. Denn Klaus Stocker wurde in diesem Verfahren rechtskräftig verurteilt, obwohl die Beweisdecke gegen den ehemaligen SEL-Präsidenten von allen Angeklagten die dünnste war. Es gibt schwere Indizien gegen Stocker aber keine, konkreten Beweise.
Maximilian Rainer ist beim Kauf des Kraftwerks seiner Wiener Bekannten auf jeden zur Hand gegangen. Er hat bei der Geschäftsanbahnung und – abwicklung geholfen. Und der SEL-Generaldirektor hat sich mehrmals mit ihr während des Kaufvorganges und danach getroffen: All das ist aktenkundig.
Deshalb darf man gespannt sein, wie die drei Richter am Oberlandesgericht den Freispruch im Urteil begründen werden.