Virginia Raggi
Foto: Facebook/Virginia Raggi
Politics | Freispruch für Raggi

"Nessuno salga sul carro del vincitore"

Roms Bürgermeisterin peilt nach ihrem Freispruch eine Wiederwahl an.

Es ist eine Nachricht, die nur in einem Teil der Fünf-Sterne-Bewegung Jubel und Genugtuung auslöst. Vor allem bei der Betroffenen – Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi. 2016 hatte sie Renato Marra, den Bruder des Personalchefs im Kapitol, zum Vorsitzenden des römischen Verkehrsamtes ernannt. Die Staatsanwaltschaft warf ihr Falschaussage und Amtsmissbrauch vor und klagte sie an. 2018 wurde sie freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil Berufung ein. Nun hat ein Berufungsgericht Raggis Freispruch bestätigt. Jetzt folgt die Abrechnung der Bürgermeisterin: "È una mia vittoria, del mio staff. Sono stati anni di solitudine politica. Ora tanti nel M5S abbiano la decenza di tacere. Sono stata lasciata sola. Ora è troppo facile provare a salire sul carro del vincitore con parole di circostanza dopo anni di silenzio."

Raggis Seitenhieb gilt nicht zuletzt dem langjährigen M5S -Vorsitzenden und jetzigen Aussenminister Luigi Di Maio, der erst letzthin für die Hauptstadt eine Koalition mit dem Partito Democratico vorgeschlagen hat. Hintergrund des Konflikts: In Rom wird im Frühjahr ein neuer Bürgermeister gewählt – ein Wahlgang, in dem die Bewegung eine massive Niederlage riskiert. Das kann nicht verwundern, denn vor allem im öffentlichen Personenverkehr und auf dem Gebiet der Müllabfuhr hat Virginia Raggi versagt. Matteo Salvini hatte schon im Sommer zynische Kommentare für sie bereit: "Raggi si goda gli ultimi mesi da sindaca." Doch die Bürgermeisterin lässt sich nicht beirren: "Non ci sto ad apparecchiare la tavola per fare mangiare quelli di prima. Sono convinta che dobbiamo andare avanti."

Für Virman Cusenza, den Chefredakteur des römischen Tagblatts Il Messaggero, eine Hiobsbotschaft: "La catastrofe è ormai inarrestabile. La caduta di Roma la tocchiamo con mano uscendo di casa ogni mattina: ci inghiottono le voragini stradali, montagne di rifiuti ostruiscono gli spazi pubblici."

Freilich kann nicht jede Misere der Bürgermeisterin angelastet werden, die durch die Rücktritte mehrerer Stadträte zunächst in schweres Fahrwasser geraten war. Dagegen hat sie die in Rom allgegenwärtige Illegalität nach Kräften bekämpft. Vieles wird auch vom Zustand ihrer bröckelnden Bewegung abhängen, die in Kammer und Senat durch Ausschluss oder Parteiwechsel fast 50 Parlamentarier verloren hat und zur Zeit über keinen Vorsitzenden verfügt.

Was Raggis erneute Kandidatur hingegen erleichtert, ist die Tatsache, dass es für den Schleudersitz am geschichtsträchtigen Kapitol wenig Gedränge gibt.

Die Haupstadt mit ihrem notorischen Verkehrschaos, den Problemen ihrer verwahrlostenPeripherie, der seit Jahren andauernden Müllmisere und der wachsenden Illegalität lockt nur wenige. Vergebens bemühte sich der Partito Democratico, den Präsidenten des EU-Parlaments David Sassoli zu einer Kandidatur zu überreden. Der einzige, der sich bisher vorgewagt hat, ist Carlo Calenda, ehemaliger PD-Parlamentarier und Gründer von azione. Im Rechtsbündnis setzt man einmal mehr auf den 70-jährigen ehemaligen Zivilschützer Guido Bertolaso. In (wohl verfrühten) Umfragen führt der langjährige Berlusconi-Vertraute mit 44 Prozent vor Calenda mit 41 und Raggi mit 15 Prozent.