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Herr über 1000 Räume

Der Tiroler Peter Assmann hat im Palazzo Ducale in Mantua einen eindrucksvollen Besucherrekord erzielt
Das ihm anvertraute Reich gleicht einem phantastischen Labyrinth aus freskenverzierten Sälen, endlos anmutenden Gängen, adeligen Wohnungen, Gärten, breiten Treppenhäusern und Innenhöfen. Unvorstellbare 950 Räume umfasst der Palazzo Ducale - einer der grössten Paläste der Welt. Durch Jahrhunderte rief die mächtige Fürstenfamilie der Gonzaga die bedeutendsten Künstler und Literaten an ihren Hof. Andrea Mantegna benötigte zehn Jahre für die Ausmalung des berühmten Brautgemachs Camera degli sposi.  Ein bekanntes Rubens-Gemälde zeigt die Gonzaga-Familie bei Gebet.  "Das hier ist kein gewöhnliches Museum", stellt Peter Assmann klar. "Es ist ein Museumskomplex, ein ganzes Stadtviertel. Vergleichbar am ehesten mit Pekings Verbotener Stadt". Im Palazzo Ducale kann man probemlos einen ganzen Tag verbringen. Und nur wenigen Besuchern gelingt es, sich darin nicht zu verirren.Vor zwei Jahren hatte sich sich Kulturminister Dario Franceschini zu einem für Italien revolutionären Schritt durchgerungen. Unter den neuen  Museumsdirektoren befanden sich erstmals mehrere Ausländer - eine Entscheidung, die zu erregten Polemiken führte.
Einer der skeptisch beäugten Neuen war der aus Zams stammende Tiroler Kunsthistoriker Peter Assmann, dem das Kulturministerium den gigantischen Palazzo Ducale in Mantua anvertraute. Der 54-jährige wäre selbst nicht auf die Idee gekommen, sich im Nachbarland um den Posten eines Museumsdirektos zu bewerben: "Es war meine Frau, die mich dazu gedrängt hat", schmunzelt er.
Bereut hat Assmann, der mittlerweile fast akzentfrei italienisch spricht, seine Entscheidung nicht. Auch wenn er gegen "ein träges Staatssystem und eine komplizierte Bürokratie" zu kämpfen hat. "Mittlerweile fühle ich mich hier daheim. Ich wurde herzlich aufgenommen".
Viele der 950 Räume des Palastes waren in den vergangenen Jahren geschlossen. Jetzt sind alle zugänglich. Eine der ersten Entscheidungen Assmanns, der in Innsbruck Kunstgeschichte und Geschichte studiert hat, war die Eröffnung einer Galerie für zeitgenössische Kunst.  Der Direktor, der selbst als Künstler und Schriftsteller tätig ist, setzte neue Akzente. "Wir ausländische Direktoren haben einen anderen museologischen Ansatz. Hier in Italien hat die historisch enge Beziehung zwischen Museen und Denkmalämtern dazu geführt, dass Restaurierung und Schutz Vorrang hatten. Wir achten mehr auf die Bedürfnisse der Besucher". Eine Bar wurde eingerichtet, ein Restaurant ist Entstehen, die Toiletten wurden erweitert, ein Aufzug soll in Kürze in den zweiten Stock führen. Die Beschriftungen wurden erneuert und sind alle zweisprachig.
 
 

Besucherrekord in nur zwei Jahren

 
Was ein neuer Museumsdirektor ausmacht, beweisen eindrücklich die Besucherzahlen, die im abgelaufenen Jahr um 51 Prozent auf 367.500 gestiegen sind. Ein Rekord, mit dem der Palazzo Ducale die Mailänder Brera-Pinakothek, das Museo Nazionale Romano und sogar Paestum hinter sich gelassen und weitere neun wichtige staatliche Museen überholt hat. Sicher hat dazu auch die Tatsache beigetragen, dass Mantua im Vorjahr zu Italiens Kulturhaupstadt gekürt wurde.  Grossen Anklang fand die von Assmann organisierte Ausstellung über die Beziehungen zwischen Dürer und Mantegna. 
Für österreichische Touristen sei Mantua besonders interessant, findet der Direktor. Denn im Palazzo Ducale hätten neben den Gonzaga auch die Franzosen und Österreicher regiert. "Hier wurde der Tiroler Freiheitskämpfer Andreas Hofer im Jahr 1810 hingerichtet. Mantua war ein österreichischer Außenposten. Die Stadt war immer für Österreich. Die Bürger von Mantua sammelten Geld, um Hofer von Napoleon freizukaufen, was ihnen aber nicht gelungen ist“, erzählt Assman. Im Palazzo Ducale sind zwei prachtvolle Gemälde der Kaiserin Maria Theresia ausgestellt. “, so Assmann.
 
Mantua habe viel zu bieten und verdiene es, international mehr Ansehen zu gewinnen, meint der der frühere Direktor der Oberösterreichischen Landesmuseen und Präsident des österreichischen Museumsbundes. „Man kennt die Stadt zu wenig, weil sie etwas abseits der Hauptverkehrsrouten liegt. Von der Brennerautobahn und dem Gardasee  ist es aber wirklich nicht weit“, meint Assmann. Auch Feinschmecker kommen in Mantua auf ihre Kosten. Ganz besonders im laufenden Jahr. Denn die östliche Lombardei mit den Provinzen Mantua, Bergamo, Brescia und und Cremona wurde 2017 zur european region of gastronomy ernannt. Zu diesem Anlass will Assmann die Zeremonie des Essens aus kunsthistorischer Sicht beleuchten. Dabei will der Tiroler auch die Gelegenheit wahrnehmen, einen lokalpatriotischen Irrtum zu korrigieren: "Es ist unmöglich, dass die junge Fürstin Isabella d'Este, die im Palazzo Ducale regierte, die heute in Mantua allgegenwärtigen tortelli di zucca gegessen hat. Denn der Kürbis wurde erst aus Amerika nach Europa eingeführt", schmunzelt Peter Assmann.