Environment | Biodiversität

Gift im Wasser

Chemikalien verschmutzen Gewässer und haben weitreichende negative Folgen. Arten wie Fischotter starben aus und Gewässerökosysteme sind durch Pestizide bedroht.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Fischotter
Foto: Pixabay

Das Artensterben und die Abnahme von Populationen wirbelloser Tiere wie Insekten ist in den letzten Jahren als „Insektensterben“ auch in der Gesellschaft als Thema angekommen. Beim Begriff Insektensterben denken viele an Hummeln, Schmetterlinge und andere landlebende Wirbellose, doch nicht nur an Land auch im Wasser hat sich ein derartiges Sterben vollzogen und wieder zeigt eine Studie die weitreichenden negativen Folgen des Einsatzes von Neonikotinoiden, chemisch-synthetischen Insektiziden, im Gewässerökosystem auf.

Masumi Yamamuro und ein Team von WissenschaftlerInnen der Universität Tokio berichten im November 2019 in einer Studie vom Einbruch der Fischfänge durch die Verwendung von Neonicotinoiden im Umland eines Sees in Japan. Wirbellosen Abnahmen sind weitverbreitet in terrestrischen Ökosystemen und die Verwendung von Pestiziden wird häufig als Ursache genannt. Die Wissenschaftler berichten, dass aquatische Systeme durch die hohe Giftigkeit und Persistenz von Insektiziden der Neonicotinoide bedroht sind. Die Effekte wirken sich auf die höheren trophischen Ebenen aus, indem sie die Nahrungskette und Dynamik verändern und sich auf Konsumenten höherer Ordnung auswirken. Mit Daten zum Zooplankton, der Wasserqualität und jährliche Fischfänge von Aalen und Stinten zeigen sie, dass die Anwendung von Neonicotinoiden seit 1993 mit einer 83%igen Abnahme der Biomasse des Zooplanktons im Frühling zusammenfällt und die Stint Ernte von 240 Tonnen auf 22 Tonnen im Shinji See, in der Präfektur Shimane in Japan, zusammenbrach. Die Wissenschaftler schreiben weiter, dass dies auch anderswo geschieht, da Neonicotinoide zur Zeit die am meisten genutzten Insektizide weltweit sind (https://science.sciencemag.org/content/366/6465/620).

Im Ökosystem See bilden die vielen mikroskopsch kleinen Einzeller und Insekten im Wasser (Konsumenten erster Ordnung) die Nahrungsgrundlage für andere Tiere (Konsumenten höherer Ordnung). Die Abnahme des Zooplanktions im Shinjii See durch Neonicotinoide aus der Landwirtschaft hatte eine starke Abnahme der Fische zur Folge.

Im Kalterer See ist die Fangmenge an Fischen ebenfalls zurückgegangen. Wurden 1993 noch 20 Tonnen Fische aus dem See gezogen, waren es 2003 weniger als eine halbe Tonne und 2018 nur noch 2000 kg. Nur noch ungefähr ein Zehntel der Fischmenge von früher wird heute aus dem See herausgefischt. Der Kalterer See und auch sein Umland sah 1993 nicht wesentlich anders aus als heute und doch haben die Fangmengen an Fischen sehr stark abgenommen, sie sind regelrecht eingebrochen.

In den letzten 20 Jahren sind auch die Fangzahlen aus Schweizer Flüssen und Bächen massiv zurückgegangen, seit dem Jahr 2000 sind sie um ein Drittel gesunken. Chemisch synthetische Insektizide werden meist für die Abnahme verantwortlich gemacht. Einige Chemikalien, wie Thiacloprid wirken bereits in sehr geringen Mengen toxisch auf Gewässerlebewesen, wie eine Studie des Helmholz-Zentrums zeigte. Auch wenn die Konzentrationen unter den Grenzwerten liegen, nimmt die Biodiversität an Wirbellosen in den Gewässern ab.

In der biologischen Landwirtschaft werden keine giftigen Chemikalien eingesetzt, wie es Neonikotinoide sind. Das Neonikotinoid Chlorpyrifos wurde erst 2006 in der EU zugelassen und 2009 in Deutschland verboten. In der EU ist es mit 2020 endgültig verboten, da die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA das Mittel neu bewertete: Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit wurden festgestellt. Genotoxische und neurologische Auswirkungen während der Entwicklung des Menschen wurden ermittelt und zeigten gesundheitliche Auswirkungen bei Kindern (Efsa News, 2. August 2019). Chlorpyrifos wird seit 2017 nicht mehr im Integrierten Apfelanbau Südtirols verwendet und wurde vom Umweltinstitut München im Vinschgau auch noch weit von pestizidbehandleten Apfelkulturen entfernt nachgewiesen.

Die negativen Auswirkungen chemisch-synthetischer Pestizide auf die Gesundheit des Menschen kommen oft erst spät ans Licht, wie der Fall von Chlorpyrifos zeigt. Auch das Insektensterben wurde erst mit der Veröffentlichung der Studie von Krefeld vor einigen Jahren zu einem Thema in der Öffentlichkeit.

Mit der Verwendung von Neonikotinoiden ist die Biodiversität auf Ökosystemebene und Artebene gefährdet, da die Masse der Wirbellosen in den Oberflächengewässern, den Seen und Flüssen, abnimmt und diese die Nahrungsgrundlage für Fische darstellen, welche wiederum Lebensgrundlage vieler anderer Arten wie Fischotter sind. Wirken sich Neonikotinoide negativ auf die Wirbellosen aus, so wirken sie am Ende auch negativ auf Arten wie Fischotter.

Fischotter sind in Südtirol und fast ganz Europa ausgestorben, die Verschmutzung des Wassers mit polychlorierten Biphenolen war eine der Hauptursachen. Diese Stoffe wurden verboten und bauen sich langsam ab und 2008 kehrten die ersten Fischotter wieder nach Südtirol zurück. Polychlorierte Biphenole gehören zu den „Dreckigen Duzend“, einer Gruppe von Chemikalien die 2001 weltweit verboten wurden, aber immer noch in der Luft, dem Wasser und dem Boden nachweisbar sind. Auch Neonikotinoide reichern sich wie das „Dreckige Dutzend“ in der Umwelt an. Die „Persistenz von Insektiziden der Neonicotinoide“, wie in der Studie aus Japan erklärt, bedroht die Gewässer, die Chemikalien überdauern und lagern sich darüberhinaus noch an. Untersuchungen zu Neonikotinoiden in Böden Englands zeigten schon vor Jahren einen starken Anstieg des Neonikotinoidgehaltes und Neonikotinoide sind wesentlich für das Insektensterben verantwortlich. Mit einer nachhaltigen Landwirtschaft ist die Anreicherung von derartigen Stoffen im Boden nicht vereinbar und zum Erhalt der Biodiversität und zum Schutz der Gewässer vor der chemischen Verschmutzung ist eine Abkehr von der Verwendung giftiger Neonikotinoide in der Landwirtschaft notwendig.

Mehr zu Neonicotinoiden:

https://www.global2000.at/neonicotinoide