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Uraufführung von "Stillbach oder Die Sehnsucht"

Die Vereinigten Bühnen Bozen bringen Sabine Grubers Roman "Stillbach oder Die Sehnsucht" auf die Bühne. Die Rezension und ein Gespräch mit der Regisseurin.

Die Regisseurin Petra Luisa Meyer absolvierte nach dem Studium der Germanistik und Kunstgeschichte ihre Schauspielausbildung in Köln und Berlin. Regiedebüt im Jahr 2000 am Staatstheater Nürnberg, wo sie bis heute für zwölf Inszenierungen verantwortlich zeichnet. Drei ihrer Nürnberger Inszenierungen erhielten eine Einladung zu den Bayerischen Theatertagen. Von 2006 bis 2009 war sie Hausregisseurin am Hans Otto Theater Potsdam. Sie arbeitet als Opernregisseurin und Dokumentarfilmerin.

 

Frau Meyer, wie sind Sie als Regisseurin zu dem Stück „Stillbach oder Die Sehnsucht“ gekommen, bzw. die Vereinigten Bühnen zu Ihnen?

Petra Luisa Meyer: Mein Bühnenbildteam am Staatstheater Nürnberg sind Stefan Brandtmayr und Cornlia Kraske. Sie haben bereits bei den Verinigten Bühnen Bozen gearbeitet und mich wohl vorgeschlagen. Ich habe in Nürnberg und Potsdam einige politische Stoffe für die Bühne inszeniert, etwa das Stück „Verbrennungen“ eines libanesischen Autors, oder ein Stück über die russische Journalistin Anna Politkowskaja, das ich selber entwickelt und zu ihrem 1. Todestag in Potsdam auf die Bühne gebracht habe. Dazu habe ich immer wieder große Frauenfiguren inszeniert, Anna Karenina, Madama Bovary, Effi Briest. Hier, im Stück von Sabine Gruber gibt es auch diese Mischung aus Politik und persönlichen Frauenschicksalen, das kommt meinen Erfahrungen entgegen. Auch finde ich den Stoff poetisch und fein gearbeitet ist, das entspricht meiner Art von Präzision.

Mit dem Roman von Sabine Gruber werden Sie hineinkatapultiert in die komplexe Zeitgeschichte Italiens, auch jener von Südtirol, war das schwierig für Sie zu entflechten?

Nein, weil der Text gut ist. Es gibt ja Bücher, die zwar sehr dicht sind, dazu aber verworren und das ist Grubers Text nicht. Er ist dicht und detailliert, aber ohne an Spannung zu verlieren. Die Autorin macht immer wieder Doppeltüren auf, ihre Figuren laufen durch die Geschichte und erleben ähnliche Schicksale. So wie Ines und Emma, das sind zwei Generationen, die denselben Ausgangspunkt haben in Stillbach, aber zu anderen Zeiten. Das ist sehr spannend zu erzählen, sich zu fragen, wo decken sich die Geschichten, wo gehen sie auseinander in diesen Zeitfenstern, auf die wir hier blicken, 1944 die Via Rasella und 1978 Aldo Moro.

Haben Sie beim Lesen des Buches bereits Stellen entdeckt, wo Sie einhaken können, oder wo sich eine Idee zeigte, wie man den Stoff theatralisch erzählen kann?

Ja, beim Lesen des Buches und dann klarerweise auch bei der Bühnenfassung von Andreas Jungwirth. Die Ebenen, in denen sich die Figuren und die Geschichten bewegen, sind wichtig, es gibt hier auch zwei Romane in einem, den Binnen- und den Außenroman. Es gibt außerdem die Tagträume der Emma Manente, die sich als junges Mädchen sieht und es gibt die Figur des Paul, der in historischen Dimensionen denkt. Es gibt im Buch also viele Gedanken, und die auf die Bühne zu bringen, sollte der gelingende Weg sein. Das war in den Probenzeiten auch das schwierigste, zu verdeutlichen, wie wir Unterschiede für diese ganzen Ebenen schaffen. Wir wollen ja nicht nur Figuren auf der Bühne haben, die uns ihre Gedanken erzählen, das muss ja auch leben, ich muss eine eigene theatralische Wirklichkeit erschaffen und so den Roman in einem anderen Licht strahlen lassen.

Wie gehen Sie das an, dass ein Gedanke konkretes Spiel wird auf der Bühne?

Am Beispiel Emma kann ich das vielleicht schildern. Sie träumt von ihrem Johann, dem sie als junges Mädchen versprochen war. Den gibt es im Roman in ihrem Kopf, bei uns kommt er wirklich auf die Bühne, so wie sie es sagt, „und die Muskeln seines Gesichts und seines Körpers bewegen sich“. Ihn trägt sie als ständigen Gedanken mit sich herum, aber nun ist er da und sie spricht zu ihm, er aber nicht mit ihr. Wenn hingegen Clara auftaucht, sind wir in einer ganz anderen Ebene, das ist real und beide Figuren sprechen miteinander. Auch ist die Bühne von Stefan Brandtmayr so gemacht, dass wir sehr filmisch arbeiten können, mit Synchronitäten und Überschneidungen, ineinander übergehenden Handlungen. Die Bühne ist wie ein Filmset gebaut, mit hochfahrenden Wänden und Klappen, unser Spielort ist ja das Hotel der Emma Manente im Jahr 1978.

Bleiben die Figuren die ganze Zeit auf der Bühne?

Nein, die gehen auch ab, wir wollten nicht konzeptuell arbeiten, aber es kommt vor, dass Figuren durch eine Szene laufen, und von den anderen nicht gesehen werden.

Der Roman erzählt von ernsthaften Ereignissen und auch die Figuren werden recht melancholisch dargestellt, haben Sie das auch so auf die Bühne gebracht?

Also, ich habe beim Lesen doch auch gelacht, mir gefällt der trockene Humor der da und dort eingestreut ist, Sätze wie „Davon haben nur die Alitalia und die Austrian Airlines profitiert, dass ich so hartnäckig geblieben bin“, den Paul irgendwann mal sagt. Ich mag diesen Humor schon und wir flechten den auch ein. Es gibt auch Leichtigkeit und Witz an diesem Theaterabend.