Culture | Zeitgeschichte

Südtiroler Antisemitismus

Teil 3 der Videodokumentation zur jüdischen Geschichte Merans: Leopold Steurer über die Deportation der Meraner Juden und die Wurzeln des Antisemitismus in Tirol.
foto_05_1.jpg
Foto: barfuss.it
Leopold Steurer braucht man in Südtirol kaum mehr vorzustellen. Der heute 70jährige Sterzinger Historiker ist der wohl bekannteste Vertreter der neueren Südtiroler Geschichtsschreibung.
Nach der Matura am Realgymnasium Brixen, studierte er in Wien und Bonn Geschichte, Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaften. Aus seiner Dissertation entstand das 1980 das Buch „Südtirol zwischen Rom und Berlin 1919–1939“. In diesem Hauptwerk skizziert Steurer auf Basis zahlreicher Dokumente die Auswirkungen der Bündnispolitik zwischen dem Deutschen Reich und dem faschistischen Italien, die 1939 im Umsiedlungsabkommen gipfelte.
Leopold Steurer, ab 1981 als Lehrer für Geschichte und Philosophie am Realgymnasium in Bozen tätig, legt über zwei Dutzend Publikationen zur Südtiroler Zeitgeschichte vor, die auch heute noch grundlegende Bedeutung haben. Sich selbst als „Schüler von Claus Gatterer“ bezeichnend, legt der Historiker dabei den Finger in all jene Wunden, die im offiziellen Südtirol jahrzehntelang bewusst zugedeckt wurden.
 
 
Schon sehr früh setzt sich Leopold Steurer dabei auch mit dem Antisemitismus und dem schrecklichen Schicksal der Meraner Juden auseinander.
Gerald Steinacher und Günther Pallaver schreiben in der 2006 erschienen Festschrift „Leopold Steurer: Historiker zwischen Forschung und Einmischung“:
 
„Der Antisemitismus in (Süd-)Tirol hat Tradition, doch dessen historische Aufarbeitung beginnt, von Einzelfällen abgesehen, erst zögerlich in den 80er Jahren. Leopold Steurer hat wesentlichen Anteil daran, dieses verdrängte Thema sichtbar zu machen. So wussten beispielsweise viele Südtiroler und Südtirolerinnen nichts oder kaum etwas über das Schicksal der Meraner Juden und Jüdinnen.Das hatte weitreichende Konsequenzen: Man glaubt(e), antisemitische Ressentiments nur in jenen Ländern vorzufinden, wo Judenpogrome größeren Ausmaßes stattfanden oder Vernichtungslager der Nazis standen. Daraus wurde der Schluss gezogen, dass Antisemitismus mit Süd- und Nordtirol nichts zu tun habe.
Allerdings war der Antisemitismus im Vergleich zu anderen Regionen Österreichs gerade in Nordtirol am ausgeprägtesten. Das ist umso erstaunlicher, als in Nordtirol die Anzahl der dort lebenden Menschen, die der jüdischen Kultusgemeinschaft angehörten, im Vergleich zu anderen österreichischen Bundesländern sehr gering war und nach wie vor ist. Trotz dieser geringen Anzahl an jüdischen MitbürgerInen trat in Tirol und Südtirol das Phänomen des "Antisemitismus ohne Juden" auf Steurer setzt hier an, sieht Parallelen und kann für Südtirol ebenfalls einen tief verwurzelten, nicht selten diffusen Antisemitismus belegen. Dass er sich damit heftiger Kritik, nicht zuletzt von kirchlichen Kreisen aussetzt, ist wenig erstaunlich.“
 
 

Leopold Steurer - Antisemitismus in Tirol: Die Deportation der Meraner Juden